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Politische Aussichten

Die Lage ist ernst

Martin Suchanek, Neue Internationale 207, Oktober 2016

Die Landtagswahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern sowie die Kommunalwahlen in Niedersachsen bestätigen einen weiteren Rechtsruck in der Gesellschaft. Die Wahlerfolge der rechts-populistischen AfD sind deutlichstes Zeichen dieser Entwicklung.

Die Ergebnisse zeigen aber auch eine fortschreitende Krise im offen bürgerlichen Lager: Stimmenverluste der CDU, permanente Zerwürfnisse zwischen den Schwesterparteien CDU und CSU, Wiedereinzug der FDP in den Berliner Landtag, was auch ein Schritt zu deren Rückkehr in den Bundestag sein mag. Die Grünen erweisen sich als relativ stabil, legen aber auch nicht großartig zu.

Zugleich verliert die SPD ständig an Boden, obwohl die Posten des Ministerpräsidenten in Mecklenburg-Vorpommern und des Regierenden Bürgermeisters in Berlin verteidigt werden konnten. In jedem Fall wird eine Fortsetzung der aktuellen Regierungskoalition nach den Bundestagswahlen 2017 deutlich schwieriger.

Strategische Ausrichtung?

Das selbst ist Ausdruck einer Verschärfung der politischen Krise der EU, der enormen Schwierigkeiten dieser, sich selbst nach den eigenen politischen Vorstellungen zu „ordnen“. Die sog. „Flüchtlingskrise“, der Brexit, das Zurückbleiben des europäischen Blocks gegenüber den USA und China machen es immer wahrscheinlicher, dass die EU an ihren inneren Gegensätzen - vor allem an denen zwischen ihren imperialistischen Mächten - scheitern wird.

Sie zeigen damit auch die Grenzen der Stellung des deutschen Imperialismus auf. Das deutsche Kapital und die Mehrheit seiner Strategen hängen zwar (noch) an der Orientierung auf eine imperialistische Einigung des europäischen Blocks - aber das rückt in immer weitere Ferne. Ansonsten würde eine Neuorientierung (z. B. in Form eines „Kerneuropa“) notwendig werden, aber es gibt keine klare, positive Alternative zum gegenwärtigen Kurs. Ironischerweise lässt gerade dieses Fehlen einer alternativen Strategie Merkel trotz der sinkenden Umfragewerte der CDU als Kanzlerin alternativlos erscheinen.

2017 wird im Zeichen eines Bundestagswahlkampfes stehen und somit wird die Regierung versuchen, vor den Wahlen keine großen Entscheidungen mehr zu fällen. Die Wahlergebnisse von Berlin haben auch wieder die Spekulationen um Rot-Grün-Rot im Bund aufgeworfen. Das mag nach den Wahlen arithmetisch möglich sein. Aber SPD oder Grüne mögen sich trotzdem für eine Koalition mit der CDU/CSU aus “Staatsräson”entscheiden.

Die Linkspartei verlor bei den meisten Landtagswahlen 2016 auch massiv. Dieser Trend wurde in Berlin gestoppt - jedenfalls vorerst.

Dabei vollzieht die Partei einen politischen Spagat. Einerseits wird auf eine Regierungsperspektive gezielt (Rot-Rot-Grün) und die nächsten Verrätereien werden vorbereitet. Andererseits versucht sich die Linkspartei als die „Anti-AfD“-Partei, die wirkliche Opposition ins Spiel zu bringen.

Die beschämendste, weil passivste Rolle, spielen in der aktuellen Lage die Gewerkschaften. Diese äußern sich möglichst wenig zu den entscheidenden politischen Fragen, machen andererseits der SPD politisch die Mauer. Ihr Credo lautet: Sozialpartnerschaft und Klassenzusammenarbeit - und damit Passivität und Rückzug. So stellt sich die Gewerkschaft der Spaltung der Klasse nicht entgegen, sondern reproduziert sie selbst noch.

Düstere Aussichten

Vor diesem Hindergrund werden wir es in den kommenden Monaten mit einem weiteren Vormarsch des Rassismus und rassistischer Angriffe zu tun haben. Vor allem werden wir mit mehr Abschiebungen und Rückführungen, weiteren Erschwerungen der „Integration“ und anti-muslimischem Rassismus konfrontiert sein.

Gleichzeitig schreiten die Krise der EU wie des globalen Kapitalismus weiter voran - und damit auch die soziale Unsicherheit, auch wenn die Regierung bis zu den Bundestagswahlen versuchen wird, die Ökonomie einigermaßen stabil zu halten und große politische Angriffe auf die Kernschichten der ArbeiterInnenklasse zu vermeiden. Das wird angesichts der Krise der Deutschen Bank und bei VW trotz des Titels als „Exportweltmeister“ schwer genug. Der Nährboden für Populismus, Nationalismus, Rassismus wird so in jedem Fall weiter aufbereitet - und damit auch für härtere, soziale und politische Angriffe des Kapitals.

Während die reformistischen Kräfte an der Neuauflage gescheiterter  Reformstrategien basteln, schwimmt die „radikale“ Linke im eigenen Saft. Vorschläge, Forderungen an Massenorganisationen zu richten, ja überhaupt Initiativen zu setzen, liegt ihr fern - eine strategische, programmatische Debatte der Kernaufgaben revolutionärer Politik erst recht. Sie ist schon so sehr an ihren eigenen Rückzug, ihre Perspektivlosigkeit gewöhnt, dass sie es nicht einmal merkt. So kann sie weder den weiteren Rechtsruck stoppen noch erst recht nicht die reale politische Krise der herrschenden Klasse nutzen.

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Nr. 213, Oktober 2016

*  Antirassistischer Widerstand in Deutschland: Elend oder Erfolg?
*  Afghanistische Flüchtlinge: Zurück in den Krieg?
*  Demonstrationen in München und Nürnberg: Nein zu den sog. "Integrationsgesetzen"!
*  Landtagswahlen im September: AfD weiter auf dem Vormarsch
*  Politische Aussichten: Die Lage ist ernst
*  Verhandlungen um Rot-Rot-Grün: Was nun, Linkspartei?
*  Interventionistische Linke (IL): Septemberwirbel oder laues Lüftchen
*  Erneuerung der Gewerkschaften? Bruch mit der Klassenzusammenarbeit!
*  Prekarisierung: Leiharbeit bekämpfen!
*  Frankreich: Nein zum Staatsrassismus!
*  Philippinen: Ein Polizeistaat im Aufbau
*  Indien: Generalstreik erschüttert BJP-Regierung
*  Syrien: Kampf um die Neuaufteilung der Einflusssphären