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Terroranschläge in Pakistan

Regierung gießt Öl ins Feuer

Hassan Raza, Neue Internationale 196, Februar 2015

Die Bluttat mit 142 Todesopfern, darunter 132 Kinder, an der Armee-Schule von Peschawar war ein schwarzer Tag in der jüngsten Geschichte Pakistans, das seit mehr als einem Jahrzehnt am ‚Krieg gegen den Terror' leidet. Wir verurteilen das Attentat der Taliban auf Kinder und schicken Beileidsbekundungen an deren Eltern und Freunde.

Kinder und Zivilisten zur Zielscheibe von Racheakten gegen das Militär und die pakistanischen Staatsorgane zu machen, ist durch nichts zu rechtfertigen. Sie zeigen nur den menschenfeindlichen, ultrareaktionären Charakter der Taliban, denen das Leben von Zivilisten vollkommen gleichgültig ist. Sie töten nicht nur hunderte Unschuldige, sondern liefern der Regierung, der Armee, den bürgerlichen Parteien und ihren imperialistischen Unterstützern noch weitere Vorwände, sich als „Beschützer“ aufzuspielen.

In den Reaktionen der Regierung auf das Massaker - neue Militäroperationen und Massenhinrichtungen von gefangenen „Terroristen“ - sehen wir keinen Sinn; sie werden nur weiter Öl ins Feuer gießen und mehr Terrorismus und Zerstörung erzeugen.

Einigkeit der Herrschenden

Der terroristische Anschlag hat die herrschende Klasse geeint, deren verschiedene Fraktionen in der Krise sind und offen zerstritten waren. Im August mobilisierten Imran Khan von der PTI (Gerechtigkeitspartei) und der Geistliche Tahir ull Qadari eine Massenbewegung mit Unterstützung des Militärs.

Alle Fraktionen unterstützen nun den Krieg gegen den Terror und nennen ihn ‚unseren Krieg'. Diese Einigkeit stärkt den Staat und gestattet Regierung und Militär außerordentliche Befugnisse. Kurz nach dem Attentat hob die Regierung die Aussetzung der Todesstrafe auf und ordnete die Erhängung von Terroristen an. Mittels einer Verfassungsänderung hat das Parlament Militärgerichte ermächtigt, Zivilisten unter Anklage wegen des Verdachts auf Verbindungen zum Terrorismus zu stellen. Das umfasst Grenzübertritte ohne Erlaubnis und richtet sich direkt gegen die vielen AfghanInnen, die vor dem Krieg in ihrem eigenen Land geflohen sind. Dies und der Krieg in den Paschtunen-Bezirken ist dazu bestimmt, den Rassismus aufzupeitschen und die Bevölkerung zu spalten.

Die Medien haben das Attentat von Peschawar als „Krieg gegen die Kinder der Nation“ dargestellt und als Rache dafür Todesstrafen und Militäraktionen im ganzen Land gefordert. Damit ist eine Lage geschaffen worden, in der nicht nur Armeeeinheiten, sondern auch die Polizei rücksichtslos töten können. Nach Angaben der Menschenrechtskommission in Pakistan wurden etwa 450 Menschen allein in Karatschi von der Polizei ermordet. Doch anstatt den Staat und seine Kriegsbesessenheit, die Vertreibungen, Rassismus, Tod und Terror erzeugen,  in Frage zu stellen, präsentieren die Medien den Staat als Heilmittel.

Ein Volkskrieg?

Der Kummer der Eltern und die Barbarei der Attentäter wurden von den Medien zynisch ausgeschlachtet. Sie nehmen jede Gelegenheit wahr, um mit den Bildern der toten Kinder eine Atmosphäre der Kriegshysterie zu schaffen. Eine massive Propagandakampagne ist im Gange, um öffentliche Proteste, die von staatlichen Institutionen und politischen Parteien gesteuert werden, anzuheizen. Da fällt es den Staatsorganen leicht, den „Krieg gegen den Terror“ als „Volkskrieg gegen den nationalen Feind“ hinzustellen. So verdecken sie das wahre Gesicht des Staatsapparats, dessen Militäroperationen nur Tod und Elend bringen. Die Kampagne wird auch dazu benutzt, vom alltäglichen Sterben hunderter Kinder abzulenken, die nicht durch den Terror der Taliban, sondern aus Mangel an gesundheitlicher Versorgung, an Armut und Hunger zu Grunde gehen.

Zukunft der Nation?

Der Staat behauptet, die Zukunft der Nation wäre nur gesichert, wenn die Taliban ausgeschaltet werden. Ihr Krieg hat bisher mehr als 50.000 Menschenleben gefordert,  allein in Pakistan wurden mehr als 5 Millionen aus ihrer Heimat vertrieben. Doch noch ist kein Ende des „Kriegs gegen den Terror“ in Sicht. Seit dem Anschlag von Peschawar sind nach Militärangaben 900 Taliban getötet worden, aber lokale Medien haben berichtet, dass viele der Opfer von Bomben und Drohnenangriffen in Wahrheit nur  unschuldige Zivilisten sind. Es überrascht nicht, dass dies den Taliban sogar neuen Zulauf bringt, v.a. von Jugendlichen, die in diesen verheerenden Zuständen aufwachsen.

Die herrschende Klasse sagt, es sei „unser aller Krieg“, in Wirklichkeit jedoch soll dieser Krieg nur die imperialistische Vorherrschaft und Ausplünderung aufrecht erhalten - und die einheimische Bourgeoisie spielt ihre schmutzige Rolle dabei. Der kürzliche Besuch des Stabschefs der Armee in den USA zeigt die wahren Verhältnisse: Washington und Islamabad weiten diesen Krieg aus, um ihre Niederlage in Afghanistan und im Irak wett zu machen.

Liberale und Linke

Die Liberalen haben den „Krieg gegen den Terror“ stets unterstützt. Obwohl sie erkannt haben, dass der Staat seit langem mit den Islamisten kollaboriert, stehen sie dennoch auf dessen Seite - als vermeintlich einziger Schutz für Demokratie und liberale Werte gegen die Taliban.

Viele Linke, auch die zentrale Führung der Awami-Arbeiterpartei AWP, teilen im wesentlichen dieses Argument. Für sie, obwohl sie den Staat und den Imperialismus kritisch sehen, sind die Taliban die Hauptgefahr, deshalb stellen sie sich nicht gegen den Krieg.

Anstatt sich dem „Krieg gegen den Terror“ entgegen zu stellen, stellen sie nur einzelne Bereiche der staatlichen Politik in Frage. Das ist Teil ihrer reformistischen Strategie, die nach einer Lösung im bestehenden System sucht. RevolutionärInnen hingegen stellen sich gegen den Krieg, nicht nur, weil er die imperialistische Kontrolle über die gesamte Region stützt, sondern weil diese Haltung die einzige Möglichkeit ist, Kinder und Frauen in dieser Region vor der Barbarei zu retten.

Nein zum reaktionären Krieg! Kein Vertrauen in den Staat! Für Selbstverteidigung gegen islamistische Attacken!

In diesem Kriegsklima geht die bürgerliche Gesellschaft - Regierung wie Opposition, Offiziere und zivile Funktionsträger, die moslemische Geistlichkeit und Liberale - mit den Militäroperationen und den Attacken auf demokratische Rechte, die praktisch Pakistan in den Ausnahmezustand versetzt haben, konform. In einer solchen Lage müssen die ArbeiterInnen, alle Unterdrückten sowie die Linke klar Stellung beziehen gegen die Kriegstreiberei der Regierung und ihre Attacken auf die demokratischen Rechte. Die hochgerüsteten Staatsorgane, die angeblich nur die Taliban bekämpfen, werden eingesetzt, um die Paschtunen-Gebiete zu kontrollieren und die imperialistische ‚Ordnung' an der Grenze zu Afghanistan durchzusetzen. Das wird zu weiteren tausenden Toten und Flüchtlingen führen und die Bevölkerung weiter entlang nationaler und Stammeslinien spalten.

Außerdem wissen wir, dass die gleichen Maßnahmen auch gegen andere Nationalitäten, ethnische Gruppen, gesellschaftliche Opposition, Arbeiterkämpfe und die Linke angewendet werden. Deshalb müssen wir den „Krieg gegen den Terror“ und alle Ausweitungen der Befugnisse der Regierung, der Geheimdienste und der Armee ablehnen. Wir stellen uns gegen alle ‚Anti-Terror'-Gesetze, die Militärgerichte und jeden  Rassismus. Wir fordern die Beendigung des Krieges und den Abzug aller Truppen! Dafür müssen wir eine Anti-Kriegs-Bewegung und eine Bewegung für die Verteidigung demokratischer Rechte aufbauen.

Das heißt aber nicht, die sehr reale Gefahr durch die Taliban u.a. reaktionäre islamistische Kräfte zu leugnen, die für ArbeiterInnen, Bauern, Frauen und national wie sozial Unterdrückte besteht. Aber Krieg und Staatsterrorismus sind keine Lösung für diese Probleme. Stattdessen setzen wir uns für die organisierte Selbstverteidigung von ArbeiterInnen u.a. Unterdrückten gegen die Angriffe von reaktionären Kräften ein. Die pakistanische Linke und die Gewerkschaften sowie alle fortschrittlichen und demokratischen Kräfte müssen einen solchen Kurs einschlagen und jede Unterstützung für den Staatsapparat und seine Kriegstreiberei ablehnen. Das ist der einzige Weg, die Taliban wirksam zu bekämpfen. Und dies kann nur als Teil des Kampfes gegen Imperialismus, Krieg und kapitalistische Ausbeutung gelingen.

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Nr. 196, Februar 2015
*  Griechenland: Wahlsieg mit Wermutstropfen
*  Heile Welt
*  Pegida: Neue reaktionäre Massenbewegung
*  Tausende gegen Pegida-Ableger: Auch Freiburg kann demonstrieren
*  Nachruf auf einen Genossen: Alex Mänhardt
*  Zwischenbilanz GdL-Tarifrunde: Ein Teilerfolg und eine Bauchlandung
*  Streikrecht: Erneuter Angriff
*  Charlie Hebdo: Islamistischer Terror, republikanischer Rassismus
*  Terroranschläge in Pakistan: Regierung gießt Öl in Feuer
*  Ukraine: Neue Kämpfe
*  Ukraine: Bergarbeiter und Gewerkschaften
*  NATO-Sicherheitskonferenz 2015: Militärische Neuaufteilung der Welt