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Berliner Wahl

Die LINKE wählen - den Widerstand organisieren!

Hannes Hohn, Neue Internationale 162, September 2011

Die Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus am 18. September finden in einer zwiespältigen Situation statt. Einerseits verweisen die Kursstürze an den Börsen, die drohenden Staatspleiten etlicher Länder und die Euro-Krise darauf, dass die globale Wirtschaftskrise längst noch nicht ausgestanden ist. Andererseits konnte Deutschland in den letzten Monaten seine Position auf Kosten der Konkurrenten stärken, der Export boomt und die Arbeitslosigkeit sinkt - noch.

Doch entgegen den Erfolgsmeldungen der rot/roten Koalition hat sich an den gravierenden Problemen Berlins nichts geändert. Berlin ist immer noch die Hatz IV-Hauptstadt. Fast 38% aller Kinder unter 15 sind lt. ver.di auf Hartz IV-Mittel angeiwesen.

Billige Mietwohnungen werden immer knapper, wozu der Senat durch fast komplette Einstellung des sozialen Wohnungsbaus, durch Privatisierungen und Abriss kräftig beigetragen hat. Im Krankenhaus-Bereich sanken die Investitionen in den letzten 20 Jahren von 319 auf 92 Mio. Euro!

Im Bildungsbereich wird kein einziges Problem wirklich gelöst, was auch die immer wieder aufflammenden Bildungsproteste belegen. Beim Berliner S-Bahn-Chaos zeigte sich, dass kaum noch Züge, aber dafür das Ansehen des Senats auf der Strecke bleiben.

Im Öffentlichen Dienst war Berlin unter der „linken“ Regierung bundesweit sogar Vorreiter beim Ausstieg aus dem TvöD. Es gibt in diesem Bereich einen Einstellungsstop, viele Beschäftigte sind in den Stellenpool auf schlechter dotierte Stellen abgeschoben.

Selbst das Schulterklopfen der Regierunsgparteien wg. ihrer „Bemühungen“, dass öffentliche Aufträge nur an Unternehmen vergeben werden, die einen Mindestlohn zahlen, existiert eher auf dem Papier als in der Realität der Sub-Sub-Sub-Unternehmen z.B. im Baubereich.

Diese Liste ließe sich beliebig fortführen. Es ist offensichtlich, dass SPD und Linkspartei in zwei Legislaturen nicht nachweisen konnten, dass sie eine andere, bessere, sozialere Politik betreiben würden als andere Bundesländer oder Parteien. So nimmt es nicht Wunder, dass beide, v.a. aber die LINKE, so oft betonen, dass es ohne sie noch „viel schlimmer gekommen wäre“. Wers glaubt, wird seelig, möchte man da angesichts des bevorstehenden Papst-Besuches sagen.

Wählen gehen, aber ...

Natürlich werden die Wahlen - egal, wie sie ausgehen - an der Situation, an den sozialen Problemen in Berlin wenig oder nichts ändern. Doch Wahlen sorgen für mehr politisches Interesse bei den Massen und sie erleichtern es RevolutionärInnen, politisch Gehör zu finden.

Daher halten wir auch alle Positionen in der Linken, die meinen, Wahlen könnten ignoriert werden (nach dem Motto: Wenn Wahlen etwas ändern würden, wären sie verboten!), für scheinradikalen Unfug, der letztlich nur bedeutet, einem politischen Kampf auszuweichen, dem Gegner das Feld zu überlassen und eigene Wirkungsmöglichkeiten zu verschenken. Die Wahlenthaltung wird dann oft genug noch als quasi oppositionelle Geste hingestellt.

Doch v.a. die Mitglieder und WählerInnen der beiden bürgerlichen Arbeiterparteien SPD und Linkspartei (bürgerlich hinsichtlich ihrer Politik, sozial strukturell mit der Arbeiterklasse und den Gewerkschaften verbunden) können in der Wahlzeit besser erreicht werden.

... den Klassenkampf organisieren!

Eine Wahlempfehlung allein reicht natürlich nicht. Sie muss mit einer schonungslosen Kritik an der Politik und den hohlen Versprechungen der PolikerInnen verbunden werden. Sie muss zugleich auch konkrete Vorschläge für die Organisierung von Abwehrkämpfen machen und eine antikapitalistische Perspektive weisen. Dazu ist es notwendig, die Reformisten von SPD und Linkspartei beim Wort zu nehmen und sie aufzufordern, Taten folgen zu lassen, d.h. für progressive Forderungen auch zu mobilisieren.

Dieses Vorgehen ermöglicht oder erleichtert zumindest, dass noch mehr Menschen begreifen, dass allein die Stimmabgabe nicht ausreicht, sondern dass auch gekämpft werden muss. Im Kampf können die Versprechungen der Reformisten am besten einem Test unterzogen, unter Druck gesetzt und die Untauglichkeit ihrer Politik offenbar werden. In letzter Instanz geht es RevolutionärInnen auch im bzw. nach dem Wahlkampf darum, das Klassenbewusstsein, das Aktionsniveau und die Selbstorganisation der Klasse voran zu bringen.

Wählt Linkspartei!

Dieser Effekt ist aber nur dort möglich, wo massenhafte Illusionen der Lohnabhängigen in Parteien existieren und reale Möglichkeiten haben, diese unter Druck zu setzen, z.B. über die Gewerkschaften. Insofern sind sowohl linke Minikandiaturen (die letztlich oft auch nur ein linksreformistisches Programm haben) oder die PIRATEN sowenig unterstützenswert wie die offen bürgerlichen Parteien CDU und FDP.

Auch die Grünen, die ihre Basis  v.a. in den Mittelschichten haben, sollten nicht gewählt werden. Obzwar sie sich alternativ oder ökologisch geben, ist ihre reale Politik eben nicht substanziell anders als jene von SPD oder CDU. Die Agenda-Politik, der lächerliche Atom-Kompromiss von Rot/Grün oder Stuttgart 21 zeigen das zur Genüge.

Wir rufen zur Wahl der Linkspartei auf - obwohl wir Inhalt und Methoden ihrer Politik für falsch halten. Seit die LINKE in Berlin mitregiert, hat sie viele AktivistInnen verprellt, und ihre Attraktivität schwindet. Doch gerade das zeigt, wie richtig es ist, die Reformisten in die Regierung zu zwingen, so dass sie mit ihrer praktischen Politik zeigen, dass sie zur Umsetzung der Interessen der Lohnabhängigen nichts taugen.

Die Massen vom Reformismus wegzubrechen ist noch nicht die Lösung, sprich der Aufbau einer starken revolutionären Arbeiterpartei, aber es ist eine wichtige Vorraussetzung dafür.

Doch aktuell entscheidend ist, dass ein erhelblicher Teil der Lohnabhängigen, der Arbeitslosen und Armen immer noch Illusionen in sie haben. V.a. die Positionen der Linkspartei auf Bundesebene (Anti-Kriegs-Haltung, für Mindestlohn, gegen Hartz IV usw. sowie die sozialistischen und linken Erklärungen) nähren diese Illusionen. Viele AktivistInnen, GewerkschafterInnen und Linke setzen - trotz vieler Enttäuschungen über die Realpolitik der LINKEN - noch Hoffnungen in sie. Daran gilt es anzusetzen! Doch nicht so, wie es viele Linke in und um die Linkspartei machen - indem sie sich ihr anzupassen, programmatische Alternativen und den Kampf gegen die reformistische Führung scheuen, um das „gute Verhältnis“ zur LINKEN nicht infrage zu stellen.

Ansätze für Widerstand

Es gibt zumindest zwei gute Gelegenheiten, die LINKE zu „testen“. Ver.di hat in ihrer Wahl-Broschüre „Was wir wollen“ Forderungen an „die Berliner Politik“ formuliert. Zwar scheut sich die ver.di-Bürokratie vor einer klaren Wahlempfehlung (selbst eine klare Kante gegen Schwarz/Gelb verkneift sie sich), aber immerhin kann und sollte ver.di dazu aufgefordert werden, von SPD und der LINKEN zu verlangen, für die von ver.di skizzierten Ziele aktiv einzutreten.

Eine Woche vor der Wahl wird es auch wieder Aktionen der Berliner Bildungsprotest-Bewegung geben. Auch dort sollten wir unsere Stimme erheben, bevor wir sie abgeben!

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