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Frankreich

Neue Kämpfe, neue Partei

Inna Anders, Neue Internationale 135, Dezember 2008/Januar 2009

Seit Jahren folgt ein neoliberaler Angriff auf den anderen. Sarkozys Strategie besteht nun darin, alle sozialen Sektoren gleichzeitig anzugreifen. Das ist ein Pokerspiel nach dem Motto: Siegen die Reformen, hat die Bourgeoisie den Jackpot geknackt, d.h. die sozialen Errungenschaften werden rapide abgebaut. Das ist die von der Bourgeoisie Sarkozy übertragene Mission: der Arbeiterklasse u.a. sozial „gefährlichen“ Sektoren wie der Jugend, eine strategische Niederlage zuzufügen.

Angriffe und Widerstand: eine Bilanz

In den letzten Jahren gab es auch Widerstand, der erfolgreich war, d.h. die Rücknahme von Gesetzen erzwang. Die Arbeiterklasse, die Jugend, die Immigranten waren dabei sehr aktiv und haben Massenstreiks, riesige Demonstrationen, Blockaden und sogar Aufstände organisiert.

2003 haben die ArbeiterInnen die Rentenreform zurückgeschlagen. 2004 lehnten sie den europäischen Verfassungsvertrag ab. Im Frühjahr 2005 kämpften die SchülerInnen gegen das „Fillon-Gesetz“, das die Abiturprüfungen reformieren wollte. Diese Bewegung mit hunderten Blockaden und Massendemonstrationen über Wochen wurden auch von den StudentInnen unterstützt. Trotz der Repression war es eine der bedeutensten der Schülerbewegungen in der Geschichte.

Im Herbst 2005 fanden die militanten Aufstände in jenen Vorstädten (Banlieues) statt, in denen vornehmlich ImmigrantInnen leben. Die Regierung rief daraufhin den Ausnahmezustand aus. Die staatliche Repression wurde von allen linken Parteien unterstützt - einschließlich der „trotzkistischen“ LO. Nur die LCR wandte sich dagegen. Die aufständischen Jugendlichen der Banlieues drückten in ihren Aktionen ihren Hass auf der Obrigkeit - besonders die Polizei - ihre Ablehnung der rassistischen Gesellschaft und der Empörung über ihre schlechten sozialen Perspektiven aus. Doch ihrer Bewegung fehlte eine gesamtgesellschaftliche antikapitalistische Perspektive.

2006 gab es die Bewegung gegen den CPE, ein Vertrag der höhere Ausbeutung für junge ArbeiterInnen bedeutet hätte. Demonstrationen und Blockaden von Millionen - Lohnabhängige, Studierende, GewerkschafterInnen - zwangen die Regierung, große Teile des Gesetzes zurückzunehmen.

2007 waren die Verkehrsbeschäftigten aktiv. Sie reagierten heftig auf ein Gesetz, das ihre sozialen Errungenschaften, v.a. die Pensionsregelungen, verschlechtern sollten. Dabei wurden sie von LehrerInnen und StudentInnen unterstützt. Letztere kämpften zeitgleich gegen die LRU (Loi de Responsabilité des Universités), welches die Universitäten privatisieren sollte. Zur selben Zeit kämpften ArbeiterInnen gegen die Privatisierung der Gasversorgung. Daneben gab es auch eine soziale Reaktion gegen ein Gesetz, das die Selbstbeteiligung an Medikamenten und medizinischen Leistungen einleitete.

Trotz der Stärke der Bewegung und einiger bedeutender Teilerfolge siegte insgesamt die Regierung und setzte etliche reaktionäre Reformen durch. Was waren die Gründe für diese Niederlage?

Ein Grund war, dass die reformistischen Parteien PS und KP zu vielen Angriffen geschwiegen, den Widerstand boykottiert oder gedrosselt haben. Auch die reformistischen Gewerkschaften haben viele Bewegungen nicht unterstützt. Sie zogen es vor, mit der Regierung zu verhandeln und ihre Stelle als Verhandlungspartner mit dem neuen Präsidenten zu festigen.

Im Frühjahr 2008 hat sich eine riesige Streikbewegung der „sans-papiers“ (ImmigrantInnen ohne Papiere) im privaten Sektor entwickelt. Hunderte von ihnen haben die Mut gehabt, sich als illegale ArbeiterInnen zu outen, um ihre Rechte zu verteidigen. Es gab drei Streikwellen, die v.a. durch die SUD-Gewerkschaften unterstützt wurde. Die KP-nahe Gewerkschaft CGT hat dabei kurzfristig geholfen, Ausweise für ihre eigenen „sans-papiers“-Gewerkschafter zu versorgen.

Aktuelle Angriffe

Vor wenigen Monaten hat die Regierung Sarkozy rassistische Angriffe gestartet. In Villiers-le-Bel haben 1.100 Polizisten - begleitet von Journalisten - eine gewalttätige Razzia durchgeführt, um 35 Straffällige der Aufstände von 2005 zu verhaften. Diese „Show-Repression“ wurde von der öffentlichen Meinung jedoch missbilligt.

Hortefeux, Minister des neuen „Ministeriums der nationalen Identität“, hat 2008 die ImmigrantInnen aufgefordert, eine Prüfung in französischer Kultur und Sprache zu absolvieren, um ein Visum zu erhalten.

Der Knast für ImmigrantInnen in Vincennes, der von den Häftlingen gestürmt und verbrannt worden war, wurde wiedereröffnet. Von seinen Repressionkräften verlangt Hortefeux, dass sie eine Mindestzahl an Abschiebungen pro Jahr erledigen: 25.000.

Die Angriffe der Regierung betreffen auch die Pensionen. Am 1.11. wurde den Lohnabhängigen „erlaubt“, statt bis 65 bis 70 weiterzuarbeiten. Zynisch begründete Arbeitsminister Bertrand das damit, dass es „um die Freiheit der Franzosen und das Recht, arbeiten zu dürfen“, ginge.

Am 1. November stellte Finanzminister Woerth seine 166 Sparmaßnahmen vor, mit denen das Staatsdefizit bekämpft werden soll. So soll z.B. jeder zweite Beamte, der in den Ruhestand geht, nicht ersetzt werden. Die Mieten für Sozialwohnungen werden erhöht. Soziale Hilfen werden verringert, die Zahl der Gesundheitszentren wird reduziert usw. usf.

Von Bedeutung ist auch das von Wirtschaftsministerin Lagarde seit einigen Monaten voran getriebene LME-Gesetz zur Modernisierung der Wirtschaft, das darauf zielt, das Arbeitsrecht auszuhöhlen. Die Bedingungen für Entlassungen werden vereinfacht und die Flexibilität verstärkt. Die bürokratischen Gewerkschaften haben zu diesem Gesetz schon ja und amen gesagt.

Die Regierung bereitet auch eine Reform der Schulen und Universitäten vor, die z.B. eine Auswahl beim Eintritt in die Universität beabsichtigt. Ein weiteres Gesetz, welches das Streikrecht der LehrerInnen beschränkt, wurde angekündigt.

Um die Wirtschaftskrise zu bekämpfen, hat die Regierung ein Rettungspaket von 360 Mrd. Euro geplant. Ende Oktober hat Sarkozy einen Rettungsplan für Kleinbetriebe (PME) eingebracht, der einige Gebühren abschafft und Staatshilfen zusichert. Trotz dieser Maßnahmen sind die Auswirkungend der Krise jedoch schon überall spürbar. Tausende wurden entlassen, besonders in der Autoindustrie (Renault) und in Textilfirmen (La Redoute, Camif).

Sarkozy hat seine Rechte als Präsident ausgeweitet. Dieser Trend zum Bonapartismus überrascht nicht angesichts der Krise und der Furcht der Bourgeoisie vor sozialen Unruhen. Es weht ein schärferer Wind von rechts. Das ehemalige Mitglied der „Action Directe“ (das Gegenstück der RAF in Frankreich), Jean-Marc Rouillan, der nach 21 Jahren Knast Bewährung erhalten hatte, wurde ins Gefängnis zurück geschickt - unter dem Vorwand, dass er ein Interview gegeben und öffentlich gesagt hatte, er würde der „Nouveau Parti AntiCapitaliste“ (NPA) beitreten und mit ihr kämpfen. Auch Besancenot, der Führer der LCR, wurde von einer Waffen-Firma verklagt, weil er diese kritisiert hatte.

Sarkozy hat auch das Spionagesystem reformiert und eine neue Geheimpolizei gebildet. Eine Datenbank namens „Edvige“ wurde geschaffen, um alle Leute zu speichern, die zu einer Gewerkschaft, politischen Organisation oder sozialen Bewegung gehören - also alle potenziell „gefährlichen“ Elemente.

Aktueller Widerstand

Gegen die jetzt anlaufende Privatisierung der Post gab es mehrtägige Streiks, die jedoch von den bürokratischen Gewerkschaften stark behindert wurden, die dynamischen Kräfte sind oft außerhalb der Gewerkschaften in Komitees organisiert.

Eine Bewegung gibt es auch bei der Bahn (SNCF), um die Arbeitsbedingungen zu verbessern, höhere Löhne durchzusetzen und „Umstrukturierungen“ bzw. Entlassungen zu stoppen. Am 13. November fand in Paris eine europaweite Demonstration der EisenbahnerInnen statt, an der 25.000 teilnahmen, um gegen die Zunahme der Konkurrenz und die Liberalisierung der Eisenbahn seit 2003 zu protestieren.

Auch bei Air France wurde gestreikt. Im Oktober und im November gab es Proteste und Streiks, die sich v.a. gegen die Angriffe auf die Pensionen richteten. Streiks gab es auch bei Renault in Le Havre - gegen die drohenden Massenentlassungen.

Auch die StudentInnen versuchen erneut, eine Mobilisierung zu starten. Unis wie Amiens, Rennes, Lyon, Caen haben schon große AGs versammelt und Appelle gegen die Uni-Gesetze die Verschlechterung des Lehrerstudiums geschrieben. Dies könnte der Anfang einer Bewegung wie jener gegen das CPE sein.

Tausende SchülerInnen und LehrerInnen haben seit Oktober mehrmals gestreikt und demonstriert. Am 19. Oktober waren 80.000 in Paris auf der Strasse, in den Tagen darauf auch in anderen Städten.

Die linken Parteien

Die Sozialistische Partei (PS) ist intern zerstritten. Ein Kampf um die Führung tobt. Klar ist jedoch, dass die Arbeiterklasse der PS nicht mehr vertraut und immer weniger Illusionen in sie hat.

Mélenchon, ein Ex-„Trotzkist“ vom linken Flügel der PS ist Anfang November aus der PS ausgetreten, um eine neue links-bürgerliche „radikale“ PS zu bilden und damit der NPA Konkurrenz zu machen. Sie heißt „Die Linke Partei“. Sie beruft sich offiziell auf Lafontaine, der die Gründung auch sogleich begrüßte. Die „neue“ Partei will sich in ganz alter Manier vor allem auf Wahlen konzentrieren.

Die KP siecht seit Jahren ihrem politischen Tod entgegen. Nun ist sie über die Bildung der NPA erschrocken. KP-Promi Buffet wirbt schon für ein neues Wahl-Bündnis, um ein neues „gauche plurielle“, d.h. ein Volksfront-Bündnis bürgerlicher Parteien und der Linken, inklusive der KP, aufzubauen.

Lutte Ouvrier (LO) wird immer stiller. Sie hat ihre Fraktion ausgeschlossen, weil diese der Linie des Führers widersprochen hatte und sich der NPA annäherte. LO hatte sich vor einem Jahr für eine „rechte Wende“ entschlossen, was im Kern politische Unterstützung und Anpassung an den Reformismus bedeutet - in einer Situation, da es diesem schlechter denn je geht und sich sein Ansehen bei den Massen in Luft auflöst! Demzufolge lehnt LO auch die Initiative der LCR für eine neue Partei in sektiererischer Manier total ab.

Was die Gewerkschaften betrifft, kann man nur feststellen, dass sie sich von der Arbeiterklasse und der Jugend zunehmend entfremden. Die Führungen von CGT und CFDT haben immer nur ihre Interessen und Privilegien als Bürokraten verteidigt. Deswegen haben sie die Bewegungen immer wieder gebremst und faule Kompromisse mit der Regierung geschlossen.

Die NPA

Die LCR hat seit einem Jahr mit dem Aufbau einer neuen antikapitalistischen Partei, der NPA, begonnen. Die Partei soll die „Linke der Linken“ darstellen, „die Kämpfe koordinieren“ und „eine radikale und revolutionäre Veränderung der Gesellschaft vorbereiten“, d.h. das Ende des Kapitalismus einläuten. Die LCR hat vor, sich in dieser Partei aufzulösen.

Der Parteibildungs-Prozess ist jetzt schon sehr populär und zieht viele AktivistInnen an. Es gibt inzwischen ca. 400 Komitees der NPA, die ca. 10.000 Mitglieder umfassen. Diese sind nicht nur Mitglieder der LCR, sondern auch AktivistInnen, aktive GewerkschaftlerInnen, Jugendliche und Leute, die neu in die Politik kommen. Die Komitees sind geographisch oder beruflich organisiert. Sie versammeln z.B. Eisenbahner einer Stadt, Lehrer einer Region oder prekär Beschäftigte eines Viertels. Es gibt auch Frauen- oder Jugendkomitees.

Die LCR lässt auch einige andere Organisationen in der neuen Partei zu, z.B. die Ex-LO-Fraktion. Die Partei steht auch linken AktivistInnen aus KP, PS, den Grünen o.a. offen.

Es soll auch eine Jugendorganisation entstehen, was zahlreiche Debatten verursacht. Soll die Partei einen Flügel für Jugendliche haben oder eine unabhängige Jugendorganisation aufbauen?

Die Entstehung der NPA ist überhaupt von vielen Debatten geprägt, so z.B. über den revolutionären Charakter der Partei, über theoretische Differenzen, über die Frage einer Internationale, über das Verhalten zu Religionen oder zu den bürokratischen Gewerkschaften. Auch die Frage der Organisation der Partei ist noch nicht entschieden: ob sie zentralistisch oder föderalistisch funktionieren soll. Sogar der letztendliche Name wurde noch nicht beschlossen.

Seit ein paar Wochen und seitdem die LCR offiziell die Führung der Bewegung „der NPA“ übertragen hat, d.h. nicht mehr alle Entscheidungen allein treffen soll, werden die Reden weniger radikal. Es zeichnet sich ab, dass die NPA wahrscheinlich offiziell jeden Bezug auf den Trotzkismus, wenn nicht sogar auf den Marxismus aufgibt. Diese Methode, auf den revolutionären programmatischen Kern zu verzichten, um „niemand zu verschrecken“ und leichter an „die Massen“ zu kommen, ist nicht neu - im Gegenteil: sie ist ein Markenzeichen des Zentrismus und zugleich ein Kainsmal all dessen vergeblicher Parteiaufbauversuche.

Viele hofften, dass schon im Herbst etwas in Gang kommen würde, doch die Bewegungen oder Initiativen verbleiben auf der lokalen Ebene. Auf nationaler Ebene wurde nichts Relevantes organisiert, auch nicht im Kampf gegen die Krise, die jetzt das heißeste gesellschaftliche Thema und die günstigste Gelegenheit ist, ArbeiterInnen, Jugendliche, ImmigrantInnen im Widerstand zu vereinen und für die neue Partei zu gewinnen. Zwar werden viele Flugblätter geschrieben, aber in punkto Aktion und Programm kommt wenig.

In einer Situation der Krise, immer wieder auflodernden Widerstandes und einer tiefgehenden Krise des gesamten Reformismus müsste die NPA die Spitze des Widerstandes bilden - politisch wie organisatorisch. Sie müsste die Frage des Aufbaus der Partei aus den Notwendigkeiten des Kampfes selbst und aus dem Versagen der anderen Parteien ableiten. Sie müsste die Kritik am Reformismus mit der Notwendigkeit der Schaffung einer revolutionären Partei verbinden - ohne das zur Vorbedingung einer Mitarbeit in der NPA zu machen. Doch die NPA scheint quasi durch ihren eigenen Aufbau gelähmt zu sein und das Konzept zu verfolgen: erst die Partei aufbauen und dann kämpfen.

Es gab zwei nationale Versammlungen des NPA, die letzte am 8./9. November. Wie die meisten Reden Besancenots war der Appell im Juni radikal, auch wenn er nicht von „Revolution“ zu reden wagte, sondern nur von „revolutionärer Änderung der Gesellschaft“.

Die zweite Versammlung sollte drei Grundtexte der Partei diskutieren: das Statut, die „Orientierung“ und das Programm - auch „Grundprinzipien“ - genannt. Dabei wurden vier Texte festgeschrieben, die zum Gründungskongress vorgeschlagen werden sollen.

Zu den Statuten kann man sagen, dass sie Begriffe wie Revolution, Enteignung, Kommunismus oder Proletariat umgehen.

Der Text zur „Orientierung“ enthält eine Resolution zur politischen und sozialen Lage sowie eine Resolution zu den Europawahlen. Die erste Resolution ist eine gute Zusammenfassung der heutigen Situation, der globalen Krise. Jede Analyse der Gesellschaft wird aber vermieden. Es ist auch nicht vom Proletariat die Rede, sondern nur von „Bevölkerung“ bzw. „unteren Volksschichten“.

In einer Art „Notprogramm“ werden wichtige Fragen ausgeblendet, so die Frage der Atomenergie. Auch zur KP oder der PS-Spaltung Mélenchons gibt es keine Position, weil die Komitees der NPA darüber nicht einig sind. Auch über die Gewerkschaften wird wenig gesagt, ganz zu schweigen davon, zu kritisieren, dass diese die Kämpfe der Arbeiterklasse immer verraten haben. Es fehlen auch klare Aktionslosungen für die aktuellen Konflikte.

Was internationale Fragen wie die Globalisierung, die Politik Israels, den Imperialismus, usw. betrifft, ist der Text aber recht gut.

Die „Grundprinzipien“ sind etwas radikaler, ihnen fehlt aber eine wirtschaftliche Analyse, so dass man sich fragen kann, wie es möglich sein soll, das System zu bekämpfen. Konkrete Forderungen werden vermieden, von der Notwendigkeit der Machtergreifung ist nicht die Rede.

Interessant ist das Ende: „Unsere Partei versucht, sich mit allen Kräften der Welt zu verbünden, die um dieselben Ziele kämpfen. Ausbeutung, Unterdrückung, Diskriminierung, Zerstörung der Umwelt sind weltweite Phänomene (...). Unsere Gegner, die Kapitalisten kennen keine Grenzen. Sie sprechen alle Sprachen der Welt. Sie sind sehr wohl organisiert und um sie zu bekämpfen, müssen wir uns ebenso wirksam organisieren. Deswegen wird die NPA mit den anderen antikapitalistischen Kräften der Welt Kontakt aufnehmen und zusammen arbeiten, und zwar mit der Perspektive, eine neue Internationale zu gründen“.

Die hier offen bleibende Frage ist allerdings, wie und mit welchem Ziel eine solche Internationale aufgebaut werden soll und kann.

Fazit

Dass gerade in Frankreich eine neue kämpferische, revolutionäre Arbeitermassenpartei notwendig ist, zeigten die Kämpfe der vergangenen Jahre. Trotz riesiger Mobilisierungen und einiger Teilerfolge konnten Regierung und Kapital Boden gutmachen und den neoliberalen Umbau der Gesellschaft vorantreiben.

Die reformistischen Organisationen verhielten sich diesen Mobilisierungen gegenüber kontraproduktiv und zeigten sich unwillig, die verschiedenen Teile der Bewegungen (besonders auch die ImmigrantInnen mit der Masse Lohnabhängigen) zu vereinen und sie mit einer weitergehenden Kampfperspektive - u.a. den Sturz der Regierung - auszurüsten.

Diese Aufgabe kann nur und muss von einer Massenpartei erledigt werden. Die globale Wirtschaftskrise und die damit einhergehenden noch schärferen Angriffe vergrößern die objektive Notwendigkeit einer solchen Partei nur noch.

In Folge ihrer Halbherzigkeit oder gar offenen Kapitulation büßten die Reformisten, bes.  PS und KP, immer mehr an Einfluss und Ansehen ein. Das hat die Suche nach einer politischen und organisatorischen Alternative noch vergrößert. Verschiedene Wahlen und Referenden der letzten Jahre haben gezeigt, dass es schon heute Hundertausende gibt, die für eine solche Partei gewonnen werden können. 11% für „trotzkistische“ KandidatInnen bei Wahlen sind genauso ein Beleg dafür wie das NON einer absoluten Mehrheit gegen das EU-Referendum. Auch die Anfangsdynamik der NPA zeugt von diesem Reservoir.

Doch die NPA läuft Gefahr, zu einer linkeren Variante des Reformismus oder einer zentristischen Halbheit zu werden, wenn sie ihre Hausaufgaben nicht macht. Dazu schlagen wir vor:

Der Aufbau der NPA muss engstens verzahnt werden mit allen Kämpfen gegen Krise, Sozialabbau, neoliberale Reformen und Rassismus. Die NPA muss die Initiative zum Widerstand ergreifen, sie muss - wo möglich - auch bereit sein, dabei die Führung zu übernehmen. Dafür ist es sowohl notwendig, verschiedene Sektoren im Kampf zusammenzuführen, als auch falsche Konzepte und v.a. die Politik der Reformisten offen zu bekämpfen (Einheitsfrontpolitik).

Die Programmatik der NPA muss konkrete Forderungen für die Alltagskämpfe enthalten, um die herum mobilisiert werden kann. Diese Forderungen müssen aber immer mit (Übergangs)Forderungen verbunden werden, welche die Frage der Macht (in Schule und Uni, im Betrieb, in der Gewerkschaft, in der Stadt/Region - und letztlich im Staat) aufwerfen. Diese Forderungen zielen darauf, dass das Proletariat (im Bündnis mit anderen Unterdrückten) sich für seine Ziele organisiert, um die Macht kämpft und sie übernimmt. Solche Forderungen sind z.B. Forderungen nach Arbeiterkontrolle, nach Selbstverteidigungsorganen (z.B. Streikposten, Milizen), nach einer Arbeiterregierung und nach Räten, auf die sie sich stützt.

Fehlen diese Forderungen, bleibt auch jede schöne „sozialistische“ Formel nur eine unverbindliche Floskel, bleiben die Kommandostellen der Bourgeoisie und ihr Staat intakt, bleiben die Massen eine mehr oder weniger amorphe Masse, die die Entscheidungsschlacht verlieren wird.

Die NPA muss eine in sich demokratische, aber zugleich in der Aktion geschlossen handelnde Partei sein. Föderalismus hingegen bedeutet nicht Vielfalt der Meinungen und Freiheit, sondern Beliebigkeit, Halbheit und damit automatisch Zurückweichen vor dem Druck der bürgerlichen Ideologie.

Da im NPA-Projekt richtigerweise heterogene politische Milieus und Organisationen involviert sind, müssen deren Ansichten offen und gründlich diskutiert werden. Letztlich entscheidet sich der Charakter der neuen Partei daran, welche Richtung die Mehrheit bekommt.

Der aktuelle Aufbauprozess der NPA lässt erkennen, dass er von dem hier skizzierten Positionen teils erheblich abweicht. Beim Eingreifen in die gesellschaftlichen Konflikte geht sie bisher eher zögerlich und inkonsequent statt entschlossen und mit einer klaren Perspektive vor. Ihre programmatischen „Zwischenergebnissen“ fehlt gerade das für ein revolutionäres, sozialistisches Programm Entscheidende: die Übergangsmethode.

Was die NPA wird, hängt vor allem davon ab, wie die LCR als stärkster Kraft und Initiatorin dabei agiert. Ihr Herangehen ist aber zunehmend davon geprägt, dass sie „um der Einheit“ Willen die linken, revolutionären Inhalte - v.a. wenn sie konkret werden - fallen lässt oder in unverbindlichen Floskeln entschärft.

Ob die NPA einmal eine Arbeitermassenpartei wird, hängt davon ab, ob sie eine revolutionäre Partei wird oder ein wenig überzeugendes, in Widersprüchen gefangenes, zwischen Revolution und Reformismus pendelndes Halbprodukt bleibt, das bald wieder von der Bildfläche verschwindet.

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Nr. 135, Dez.Jan 2008/09
*  Klassenkampf 2009: Ein Jahr der Krise
*  31. Januar: Vorbereitungstreffen für bundesweite Demo
*  Metallabschluss: Schlappe im Kampf gegen die Krise
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*  Perspektiven des Bildungsstreiks: Für eine anti-kapitalistische Jugendbewegung!
*  Frankreich: Neue Kämpfe, neue Partei
*  Indien: Nach dem Anschlag - vor dem Krieg?
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*  Theorie: Luxemburgs Beitrag zum Marxismus