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Sozialforumsbewegung

Wie weiter?

Hannes Hohn, Neue Internationale 125, November/Dezember 2007

Wer die Hoffnung hatte, dass sich die Mobilisierungen von Heiligendamm auch in der Teilnehmerzahl und den Debatten des 2. Sozialforums in Deutschland (SFiD) niederschlagen, konnte vom Treffen in Cottbus nur enttäuscht sein.

Offiziell waren 1.500 in Cottbus dabei. Dass diese Zahl aber geschönt ist, zeigt sich schon daran, dass zur Demo am Sonnabend gerade einmal 350 gekommen waren, darunter auch einige CottbuserInnen, die gar nicht beim Sozialforum selbst dabei waren. In jedem Fall - das konstatieren selbst die Veranstalter - lag die Teilnehmerzahl deutlich unter der des 1. SFiD in Erfurt.

Auch die radikale Linke, Jugendliche und die in Heiligendamm beteiligten Bündnisse und Organisationen waren schwach oder gar nicht vertreten. Das ist insofern verständlich, als diese sich vom DSF weder politisch noch in Hinsicht auf eine Mobilisierungs- und Vernetzungswirkung viel versprachen - ihre Bedenken wurden vollauf bestätigt.

Andererseits ist diese Enthaltsamkeit aber fatal, weil die Linke durch ihr Fernbleiben darauf verzichtet hat, ihre Erfahrungen und Forderungen in die Bewegung einzubringen und auch, weil sie zugleich der Dominanz reformistischer Kräfte im DSF - attac, Linkspartei, DGB-Apparatschiks, NGOs - politisch nichts entgegengesetzt hat.

Weit schärfer muss jedoch kritisiert werden, dass die Veranstalter des SFiD immens hohe Gebühren für Veranstaltungen, teilnehmende Organisationen und Büchertische verlangten. Es ist absurd, dass kleine Organisationen oder gar Einzelpersonen - darunter viele Arbeitslose und Hartz IV-EmpfängerInnen - bluten sollen, wenn Massenorganisationen wie DIE LINKE oder der DGB involviert sind?!

Die politische Intention der Veranstalter dabei ist ganz offensichtlich: Linke Organisationen und AktivistInnen sollen ferngehalten werden. Zugleich scheint es kein Problem zu sein, dass große Organisationen wie DIE LINKE oder der DGB zwar nicht mobilisieren, aber „ganz selbstverständlich“ ihre Promis präsentieren dürfen.

Alles in allem ist die schwache Beteiligung Ergebnis der Nichtmobilisierung durch die Veranstalter und deren reformistische Partner in Linkspartei, DGB und attac. In Cottbus selbst gab es kaum Plakate, in anderen Orten Brandenburgs überhaupt keine Werbung, geschweige denn Vorbereitungstreffen. Auch darin zeigt sich - wie letztlich auch in der Wahl des Ortes und des Termins (kein Treffen unmittelbar vor Heiligendamm, viel zu lange Abstände zwischen den Treffen, keine oder kaum Treffen auf regionaler oder Landesebene) - dass es den Initiatoren des SFiD nicht darum geht, eine kämpferische und koordinierte Bewegung aufzubauen. Ihnen geht es darum, ab und an ein Forum für unverbindliche Debatten zu haben und Werbung für ihre reformistischen Projekte zu machen. Dazu zählen z.B. die „alternative“ EU-Verfassung oder der Stimmenfang für Wahlen.

Dass das 2. Sozialforum die Bewegung keinen Millimeter voran gebracht hat, sondern stattdessen die Stagnation dieses reformistisch dominierten Projektes widerspiegelte, ist auch am Ausgang dieses Treffens ablesbar. Die „Versammlung der sozialen Bewegungen“ am Sonntag war von fast fehlender Diskussion und allgemeiner Ratlosigkeit geprägt und endete ergebnislos. Außer Hinweisen auf einige Mobilisierungen der nächsten Zeit gab es nichts, was politisch oder in punkto Organisierung von Bedeutung war. Das Ergebnis entsprach insofern also ganz den Intentionen ihrer Spitzen.

Ergebnisse?

Diese werden ja nicht müde, die „Porto Allegre-Prinzipien“ des Weltsozialforums zu verteidigen, die aber gerade im Konsensprinzip und in der Nichtfassung von Beschlüssen eine Tugend sehen. So wird verhindert, dass die Bewegung zu verbindlichen, demokratisch legitimierten Festlegungen kommt, ohne die eine effektive Mobilisierung kaum möglich ist. Auch eine Kontrolle und Bilanzierung der Umsetzung der Beschlüsse und des Agierens der Führung durch die Basis wird so blockiert.

Eine brisante Frage vor Cottbus war die in Heiligendamm sehr praktisch aufgetauchte Frage der „Gewalt“ bzw. wie man sich zu den Provokationen und der Repression des Staates verhält. Auch dazu gab es weder eine Resolution noch den Versuch, eine solche zu beraten und zu beschließen.

Am schwersten aber wiegt wohl, dass das SFiD keinen Plan diskutiert oder verabschiedet hat, wie die Bewegung weiter aufgebaut werden soll, wie gegen die Angriffe des Kapitals im Innern und dessen Offensive nach außen vorgegangen werden soll.

Diese - der reformistischen Strategie ihrer FührerInnen geschuldete - Unklarheit, dieser Mangel an klaren Zielen, diese tatsächliche Untätigkeit aber ist es, die die Bewegung daran hindert, voran zu kommen. Angesichts dessen und nach den konkreten Eindrücken vom 2. Sozialforum ist nicht sicher, ob es ein drittes geben wird - und man weiß auch nicht, ob man das dann bedauern soll ...

Hoffnungen

Doch es gab in Cottbus auch Ermutigendes. Das Publikum war für antikapitalistische Themen durchaus interessiert. Sowohl auf der Veranstaltung des Netzwerks Linke Opposition (NLO) Brandenburg mit Vertretern der Gruppe Arbeitermacht wie auch in anderen Seminaren gab es dazu aber lebendige, offene und sachliche Debatten. Dieser Eindruck - den man auch schon in Erfurt und in Heiligendamm gewinnen konnte - zeigt, dass es notwendig und möglich ist, für die Veränderung der Bewegung zu kämpfen und Kräfte für den Aufbau einer aktiven, antikapitalistischen Bewegung zu gewinnen!

Im September 2008 wird im schwedischen Malmö das nächste Europäische Sozialforum (ESF) stattfinden. Die Monate bis dahin müssen nun genutzt werden, um die Zusammenarbeit und die Debatte über Konzepte und Programme, über praktische Mobilisierungen und Aktionen zu intensivieren.

Dazu muss es in allen Orten, auf Landes- und Bundesebene Treffen geben, wo die Bewegung und alle relevanten Teile - militante Jugendliche, betriebliche und  gewerkschaftliche AktivistInnen, Arbeitslose, Linke und ImmigrantInnen - die nächsten Schritte diskutiert und festlegt.

Zweifellos sind Befürchtungen angebracht, dass Malmö zu einem Cottbus auf europäischer Ebene wird. Umso wichtiger ist es daher, dass die veränderten polilitischen Verhältnisse in Schweden - Angriff durch die neo-liberale Regierung - und der Widerstand der Jugend und Arbeiterbewegung in Kopenhagen dort einen Ausdruck finden.

Das ist aber nur möglich, wenn es gelingt, größere Teile der Arbeiterbewegung in die Bewegung zu ziehen. Dafür muss ein politischer Kampf gegen die reformistischen Gewerkschaftsspitzen und Parteiführungen geführt werden!

Dazu müssen sich die antikapitalistischen und antiimperialistischen Kräfte zu einem Aktionsbündnis zusammentun, um die Mobilisierung und die politische Ausrichtung der Bewegung wirklich voranbringen zu können!

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Nr. 125, Nov./Dez. 2007
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