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Soziale Lage

Die Massen zahlen drauf

Martin Suchanek, Neue Internationale 124, Oktober 2007

Ein Land, das viele Arme hat, ist reich, erklärt schon der bürgerliche Ökonom Malthus.  Und reich sind die Reichen und Konzerne hier fürwahr. Und sie werden noch reicher.

Der konjunkturelle Aufschwung der deutschen Wirtschaft, der Rang des Exportweltmeisters und die riesigen Profitsteigerungen des Großkapitals - all das ist vor allem ein Aufschwung durch verschärfte Ausbeutung, längerer Arbeitszeiten, geringere Löhne und massiver Intensivierung der Arbeit für die Beschäftigten, aber auch durch die Hartz-Gesetze, durch die Verarmung, von Langzeitarbeitslosen, von Frauen, Jugendlichen, MigrantInnen. „Natürlich“ treffen die Erhöhung der Massensteuern, die  Kürzung der Sozialleistungen, treffen Privatisierung und Verteuerung erst recht jene, die ohnedies schon nichts mehr haben.

Die Regierung “entdeckt” Armut

In dieser Situation hat selbst die Regierung die Armut entdeckt. Die SPD hält ihre Existenz gar für „unmoralisch“ - und setzt weiter auf den „Reformkurs“, der sie noch verschärft hat. Neben dem „Fordern“ soll jetzt auch etwas „gefördert“ werden - z.B. die weitere Privatisierung, die Vermittlung ungesicherter oder befristeter Arbeitsverhältnisse.

Mehr noch. Auch mit dem Mindestlohn soll „experimentiert“ werden. Erstens so, dass Kapital und CDU nicht beunruhigt werden. Zweitens, um so zu tun, also ob man auf die Nöte der ArbeiterInnen und Angestellten eingehen würde.

Müntefering, Beck und Co. geben sich kämpferisch, fighten angeblich um jeden Millimeter Kleingedrucktes. Ver.di und der DGB fangen fast schon zu feiern an, wenn die deutsche Post einen Mindestlohn anbietet, der über der Forderung der Gewerkschaftsbosse liegt. Dass ein Bruttolohn von 8 Euro schlicht zu wenig ist, um einigermaßen über die Runden zu kommen (zumal, wenn das auch für eine ganze Familie reichen soll) - diese einfache Tatsache bleibt hier außen vor.

Natürlich macht sich die Regierung keinen Kopf darüber, wie das überhaupt kontrolliert werden soll. Das lässt sich zweifellos noch nachvollziehen, ist sie doch nichts anderes als ein geschäftsführender Ausschuss der herrschenden Klasse, das Kapitals. Doch auch den Gewerkschaftsbossen fällt wenig mehr ein, als an „Ehrlichkeit“ und „Fairness“ der Unternehmer und an den Staat zu appellieren - an einen Staat, dessen Arbeitsgerichte erst im Sommer den Streik der Lokführer für illegal erklärt haben.

Und die LINKE um Lafontaine und Co. spielt dieses Spiel augenzwinkernd mit. Einerseits werden ein paar Verbalattacken auf die Regierung gefahren, die SPD zur Rückkehr zur „sozialdemokratischen Politik“ gemahnt; andererseits bietet sich die LINKE selbst für die Regierungsverantwortung an. Das aber hätte zur Folge, dass sie wie in Berlin dann auf Bundesebene die soziale Misere mitverwaltet, anstatt dagegen zu mobilisieren.

Die Auswirkungen dieser Politik sind zu besichtigen, z.B. bei der Stagnation der Protestbewegung gegen die Hartz-Gesetze und andere Angriffe der Herrschenden. Während gebetsmühlenartig vor jeder Wahl „Politikwechsel“ versprochen werden, geht die „alte“ Politik munter weiter.

Dabei wissen wir alle, dass die Angriffe von Kapital und der Regierung noch schärfer werden, insbesondere wenn die am Horizont aufziehende US-Rezession auch hier ins Kontor schlägt. Die Anzeichen sind unübersehbar, auch wenn sich ihr Tempo und Ausmaß nicht exakt vorhersagen lassen.

Wie aber kann die Bewegung, die immerhin die Demonstrationen 2004 und 2005 sowie die Montagsdemos hervorgebracht hat, wieder in Schwung kommen? Wie kann sie in einer bessern Position sein, um gegen die nächsten Angriffe und Verschärfungen anzugehen?

Dazu müssen erstens gegen die vielen Angriffe die nicht minder zahlreichen Initiativen, Bündnisse, Organisationen, Gewerkschaftsgliederungen, Migrantenorganisationen, Jugend- und Frauenorganisationen, politischen Parteien der Linken und Arbeiterbewegung in der Aktion zusammengeführt werden!

Damit so etwas funktionieren kann, ist es notwendig, sich auf zentrale Forderungen und auf einen Fahrplan zur Aktion zu verständigen, ohne die Propagandafreiheit oder Freiheit der gegenseitigen Kritik in irgendeiner Form einzuschränken.

Als zentrale Losungen schlagen wir dazu vor:

Weg mit den Hartz-Gesetzen und allen anderen Armutsgesetzen wie Rente mit 67!

Für einen gesetzlichen Mindestlohn von 10 Euro/Stunde!

Für ein Mindesteinkommen für Arbeitslose, Auszubildende, Studierende und RentnerInnen von 1.500 Euro/Monat!

Für die automatische Inflationsanpassung der Löhne, kontrolliert von den Gewerkschaften und Ausschüssen der Arbeitslosen!

30 Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich als erster Schritt zur Aufteilung der Arbeit auf Alle!

lFür ein öffentliches Beschäftigungsprogramm gesellschaftlich nützlicher Arbeiten - kontrolliert von Beschäftigen und KonsumentInnen!

Solche und andere Forderungen werden wir aber nur durch eine kämpferische Massenbewegung der beschäftigten und arbeitslosen Lohnabhängigen, der Arbeiterklasse in ihrer Gesamtheit, der Jugend und der MigrantInnen durchsetzen.

Kämpferisch heißt dabei, dass wir uns nicht nur auf Demonstrationen - so wichtig diese sind - beschränken dürfen. Viel wichtiger sind betriebliche Aktionen, Streiks und Blockaden. Diese müssen in einen politischen Massenstreik münden, weil anders Kapital und Regierung nicht gestoppt werden können. Dafür müssen die KollegInnen gewonnen und organisiert werden.

Dazu müssen die Gewerkschaften aufgefordert und unter Druck gesetzt werden. Doch wir wissen nur zu gut, dass politische Streiks von der Bürokratie im vorauseilenden Gehorsam unterbunden und bekämpft werden. Der politische Massenstreik kann daher - wie jede Aktion, die über den Rahmen des von den Bossen Erlaubten hinausgeht - nur durch eine organisierte Bewegung von unten, durch eine klassenkämpferische, oppositionelle Basisbewegung durchgesetzt werden.

Die LINKE

Eigentlich wäre es eine zentrale Aufgaben der „neuen“ LINKEN als Partei, dafür zu kämpfen, in den Gewerkschaften einen Flügel des Kampfes gegen Kapital und Bürokratie aufzubauen. Doch das Gegenteil passiert! Die LINKE bewegt sich, wie auch sonst in der Politik, auf dem ausgetretenen Pfad der SPD. Wenn die Linke von „Solidarität mit den Gewerkschaften“ spricht, meint sie nicht die Basis, sondern den bürokratischen Apparat, wenn auch den etwas „linkeren.“

Eine solche Politik hat nicht nur keine Perspektive. Sie richtet sich auch gegen die kämpferischen Impulse von ArbeiterInnen, Angestellten, Jugendlichen. Sie ist demobilisierend und muss bekämpft werden!

Dazu - und das haben die letzten Jahre deutlich gezeigt - reichen Bündnisse, Netzwerke, Konferenzen, Sozialforumstreffen usw. nicht aus. Wenn die klassenkämpferischen Kräfte nicht ständig hinter den Apparaten herlaufen sollen, immer wieder von diesen ausmanövriert werden und damit selbst Gefahr laufen, dass sich mehr und mehr Aktive frustriert zurückziehen, müssen sie sich politisch organisieren!

Die WASG war eine Zeit lang ein Ansatzpunkt dafür. Das ist vorbei. Das Netzwerk Linke Opposition ist es zum Teil - aber ohne große Mobilisierungskraft und ohne klaren Aktionsplan, geschweige denn ein Aktionsprogramm.

Ohne Zweifel bestehen die Bedingungen, die zu Gründung der WASG geführt hatten, weiter, v.a. in Gestalt des organisatorischen Bruchs von Teilen der Arbeiterklasse mit der SPD. Die kämpferischen Jugendlichen werden wenig bis gar nicht von den Parteien - inkl. der LINKEN - angesprochen, auch wenn sie ein reales anti-kapitalistisches Potential zur Veränderung der Gesellschaft (siehe Heiligendamm) darstellen.

Wir können und müssen damit rechnen, dass die objektive Situation, die verschärfte Konkurrenz unter den Kapitalen und imperialistischen Mächten zu weiteren Verwerfungen führen wird.

Doch um all die zersplitterten Formen von Protest und Widerstand zu bündeln und zu einer wirklichen Kraft zu formieren, die dem Kapital erfolgreich entgegentreten kann, braucht es eine revolutionäre Organisierung, den Aufbau einer revolutionären Partei und Internationale - nicht als „Alternative“ zum Tageskampf, sondern um diesen Kampf auf der Grundlage eines Programms von Übergangsforderungen mit dem Kampf für die sozialistische Revolution zu verbinden.

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Nr. 124, Oktober 2007
*  Soziale Lage: Die Massen zahlen drauf
*  Afghanistan-Einsatz: Deutschen Imperialismus stoppen!
*  Entgeltrahmenabkommen: ERA, Preis, Profit
*  Anti-kapitalistische Linke: Schönredner der Linkspartei
*  Hessen: Alle lieben Willi
*  Heile Welt
*  90 Jahre Oktoberrevolution: Lehren eines Sieges
*  Pakistan: Regime in Krise
*  Venezuela: Eine sozialistische Partei?
*  BKA-Gesetz: Schäubles FBI verhindern!