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Pakistan

Regime in der Krise

Luke Cooper, Neue Internationale 124, Oktober 2007

Pakistans Militärdiktator Pervez Muscharraf befand sich diesen Sommer in einer misslichen Lage. Nachdem er im März den obersten Richter des Landes, Iffikar Muhammad Chaudry, entlassen hatte, wurde das Regime durch massenhafte Straßenproteste und einen 48stündigen Generalstreik erschüttert. Diese Bewegung begann unter den Rechtsanwälten, wurde aber sehr bald aufgegriffen von ArbeiterInnen und städtischer Armut. Es protestierten Zehntausende auf den Straßen, die mit den Oppositionsparteien verbundenen Gewerkschaften lösten eine Streikwelle aus, die das Land lahm legte. Es kam auch zu bewaffneten Auseinandersetzungen.

Gleichzeitig war der Muscharraf-Unterstützer George Bush unzufrieden mit ihm, denn das pakistanische Militär ließ seiner Meinung nach die Zügel gegenüber den afghanischen Aufständischen in den nördlichen Stammesregionen Pakistans zu sehr schleifen. Unter diesem Druck versuchte Muscharraf, die Taliban im Grenzgebiet zu Afghanistan zu vernichten und nahm die Dschihad-Islamisten, deren Basis in Islamabad um die rote Moschee gruppiert war, ins Visier. Das Blutbad beim Angriff auf die Moschee, wo Hunderte getötet wurden, stellte einen Schlag gegen Teile der traditionellen Basis des Präsidenten dar. Pakistans Militär hat ihre Legimitität bisher stets auf ihren islamischen Rückhalt bauen können. Diese Beziehung war schon nach dem 11.9.2001 schon angespannt. Nun ist sie zerrissen, wie auch die Selbstmordanschläge auf die Armee in den vergangenen Monaten gezeigt haben.

Im August hat der oberste Gerichtshof Chaudry wieder eingestellt und einer Reihe von politischen Dissidenten die Rückkehr ins Land erlaubt, darunter der ehemalige Präsident Nawaz Scharif. Muscharraf muss sich nun Neuwahlen zwischen dem 15.9 und 15.10. stellen, da alle seine Versuche, dies durch Druck auf die richterlichen Organe zu unterlaufen, fehlgeschlagen sind. Die USA haben "freie und faire Wahlen" angemahnt.

Die Wende der Ereignisse hat Muscharraf genötigt, sich des Rückhalts bei den populären "Prodemokratie"-Kraften zu versichern. Das bedeutet praktische eine Hinwendung zur pakistanischen Volkspartei (PVP), deren Führerin Benazir Bhutto das Massaker der Roten Moschee "kritisch" befürwortete und in Verhandlungen mit Muscharraf über eine Machtteilung eintrat. Das aber hat Spannungen innerhalb der PVP erzeugt. Die Verhandlungen sind verschiedentlich unterbrochen worden, weil die PVP darauf beharrt, dass Muscharraf nicht zugleich an der Spitze des Staates und der Armee stehen könne und die Befugnis, das Parlament aufzulösen, aufgeben müsse. Bhutto sagte, dass sie mit oder ohne Abspracheergebnis mit dem Präsidenten zurückkehren werde, wenn die Wahlen anstehen, also wahrscheinlich im Oktober.

Im Gegensatz zur PVP sprach die konservativ islamistische Partei unter Nawaz Scharif, die PML-N, offen von der Notwendigkeit einer "Entscheidungsschlacht" gegen das Militär und von Straßenprotest, um einen Regierungswechsel herbei zu führen. Bei seiner Rückkehr nach Pakistan am 10.9. konnte sich Scharif als letzter demokratisch gewählter Präsident feiern lassen. Durch ihre deutlichere Opposition zu Muscharraf kann die PLM-N auf eine größeren Wählerzuspruch von islamischen und pro-demokratischen Kreisen hoffen.

Aber Scharif bietet den Massen keine wirkliche Alternative. Seine letzte Regierung war scharf rechts ausgerichtet und eine Katastrophe für die Arbeiterklasse. Als eine Wirtschaftskrise das Land ergriff, ließ Scharif die Massen die Zeche zahlen. 100.000 ArbeiterInnen wurden entlassen, die Nahrungsmittel rationiert und die Inflation stieg, während Scharif und seine Anhänger sich millionfach aus der Staatkasse bedienten.

Wir haben immer gesagt, dass die Bewegung der Rechtsanwälte das Potenzial hatte, sich mit den Massen zu verbinden, das Regime zu stürzen und den Weg für einen revolutionären Machtkampf der Arbeiterklasse zu bahnen. Dieses Potenzial besteht noch. Der Sturz des Militärregimes bleibt eine unmittelbare Aufgabe. Diese Regierung ist isolierter und stärker angeschlagen als je zuvor. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass mächtige konterrevolutionäre Kräfte dem entgegen stehen.

Die Mächte der Konterrevolution

Eine Form der Konterrevolution ist der Aufstieg der islamistischen Kämpfer, die Linke und Frauen attackieren, die sich nicht den Geboten der Scharia unterwerfen wollen. Obwohl der sogenannte Taliban-Widerstand in Afghanistan und den angrenzenden Gebieten unterstützt werden muss, weil er sich gegen den Imperialismus richtet, ist er in der pakistanischen Innenpolitik als völlig reaktionäre Kraft zu bekämpfen.

Doch im Augenblick ist die demokratische Konterrevolution die unmittelbarere Gefahr. Ein Abkommen zwischen der PVP und Muscharraf, manifest in den Wahlen, die eine Art Volksabstimmung sind, könnte die Massen demobilisieren, Verwirrung in der Arbeitervorhut stiften und die Unterjochung Pakistans unter den US-Imperialismus fort bestehen lassen.

Benazir Bhutto könnte ihr "demokratisches Mandat" nutzen, um die Arbeiterklasse anzugreifen und den imperialistischen Krieg in Afghanistan und den Grenzregionen aggressiver zu unterstützen. Das wäre ein wirklicher Rückschlag und eine Niederlage für die Massen. Davon würden am Ende nur die Islamisten profitieren. Das würde auch bei einem Sieg von Nawaz Scharif eintreten, trotz seiner derzeitigen  demagogischen Rhetorik gegen die USA, denn er spricht zugleich auch von einer "konstruktiven Beziehung" zu Washington.

Der Weg nach vorn

Letztlich wird jede Partei, die nicht den demokratischen Kampf mit der Arbeiterrevolution und dem Sozialismus verbindet, außerstande sein, Pakistan aus dem Joch von Korruption und Militärherrschaft befreien können. 40 Jahre seines 60jährigen Bestehens ist Pakistan von Militärs regiert worden. In dieser Zeit hat die Armee als Kaste einen mächtigen wirtschaftlichen Appetit entwickelt, ein Prozess, der sich in den vergangenen 8 Jahren noch verfestigt hat.

Alles hängt jetzt von den Massen ab - ihrer Politik, Führung und Organisation. Die Bewegung der Rechtsanwälte war in der Lage, massenhafte Kräfte zu mobilisieren. Doch sie ist uneins, wie es weiter gehen soll. Ihr rechter Flügel argumentiert, dass der Kampf mit Chaudrys Wiedereinsetzung vorüber sei, während der linke Teil den Kampf bis zum Sturz des Regimes weiter führen will.

Die revolutionäre Situation ist also noch längst nicht vorbei. Für die herrschende Klasse, die bürgerlichen Parteien und das Militär Pakistans ist keine leichte Lösung in Sicht, solange die Kriegskrise in Afghanistan und den Grenzgebieten und die antineoliberalen Forderungen der Massen anhalten, ganz zu schweigen von den Auswirkungen der Weltrezession in der kommenden Periode auch auf Pakistan.

Es ist jetzt dringender denn je, dass die fortgeschrittensten radikalen Teile der Armut, der demokratischen Bewegung und der Arbeiterklasse sich in einer revolutionären Partei vereinen, die  eine Arbeiter- und Bauernregierung erkämpft, die auf demokratischen Arbeiter- und Bauernräten fußt!

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Nr. 124, Oktober 2007
*  Soziale Lage: Die Massen zahlen drauf
*  Afghanistan-Einsatz: Deutschen Imperialismus stoppen!
*  Entgeltrahmenabkommen: ERA, Preis, Profit
*  Anti-kapitalistische Linke: Schönredner der Linkspartei
*  Hessen: Alle lieben Willi
*  Heile Welt
*  90 Jahre Oktoberrevolution: Lehren eines Sieges
*  Pakistan: Regime in Krise
*  Venezuela: Eine sozialistische Partei?
*  BKA-Gesetz: Schäubles FBI verhindern!