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Schmiergeldskandale

Korruption mit System

Frederik Haber, Neue Internationale 113, August/September 2006

In den letzten Wochen sind so viele Fälle von Korruption in führenden Konzernen aufgedeckt worden, dass sich sogar die Frankfurter Allgemeine fragt, woher das kommt? Während die Unternehmerpresse im letzten Jahr noch genüsslich über die Korruption der VW-Betriebsräte berichtete, stellt das Blatt der Frankfurter Börse jetzt besorgt fest, dass der Verdacht, „dass in der Autoindustrie und Baubranche Schmiergeldzahlungen keine Einzelfälle, sondern an der Tagesordnung seien … zumindest plausibel klingt.“ (FAZ 7.8.06) Dass es sie gibt, weiß jeder, doch: Woher kommt die Korruption?

Der Leitartikler der FAZ kommt schnell zum Schluss: „Die Versuchung, sich illegale Vorteile gewähren zu lassen, dürfte letztlich in allen Branchen groß sein.“ Er weiß auch warum: „Wer über Macht verfügt - sei es in der Wirtschaft oder in der Politik -, ist überall Bestechungsversuchen wie eigenen Versuchungen ausgesetzt.“ Damit wird die Bestechung zum Problem des Einzelnen.

Gibt es eigentlich in den deutschen Konzernen keine Kontrolle? Doch, es gibt ganze Heere von „Controllern“, die ständig darüber wachen, dass in der Produktion weiter gespart wird. Und es gibt natürlich Vorgesetzte. Und es gibt Aufsichträte. Nur: demokratische Kontrolle gibt es nicht.

Die Korruption liegt im System. Im Kapitalismus werden jene, die die Werte schaffen, enteignet und mit einem Lohn bezahlt, der weit unter diesen Werten liegen. Heere von Angestellten erhalten Gehälter dafür, dass sie die hergestellten Produkte als Waren auf den Markt bringen, damit das eingesetzte Kapital samt Mehrwert wieder cash in die Kasse kommt. Diese Angestellten werden umso besser bezahlt, desto weniger sie mit dem Produkt und seiner Herstellung zu tun haben. Zuletzt erhalten die Anteilseigner, die Aktionäre, einen Profit, für den sie nie im Leben gearbeitet haben.

Jeder Manager steckt also in einer Hierarchie, in der es erklärte Ziel ist, bei der Verteilung des von den ArbeiterInnen geraubten Arbeitsprodukts mit möglichst wenig Aufwand möglichst gut abzuschneiden. Bosse wie Herr von Zitzewitz (Infineon) verhalten sich also voll systemkonform, genau wie die anderen Manager, die das Pech hatten, an den Pranger gestellt zu werden. Er hat nur ein paar Regeln verletzt, die die systematische Korruption regeln.

Im Normalfall landen Fälle, in denen die Korruption mit einer Regelverletzung verbunden ist, weder vor Gericht noch in der Öffentlichkeit. Denn die beteiligten Firmen wollen ihre Geschäftsbeziehungen fortsetzen. Es werden Abfindungen gezahlt und Stillschweigen vereinbart. Schließlich weiß auch jeder Manager, wo der andere absahnt. Ohnehin zahlen sie alle wenig oder nichts für ihre Autos, Villen, Essen und Reisen mit der Familie oder Freundin.

Wenn der Frankfurter Staatsanwalt Schaupensteiner glaubt, dass die „Dunkelziffer unerkannter Korruptionsfälle wirklich bei 95 Prozent liegt“, schätzt er eher niedrig.

Was tun?

Im Kampf gegen die Korruption brauchen wir von den Staatsanwälten nichts zu erwarten. Erreichen können wir nur etwas, wenn wir für Forderungen eintreten, die den Kampf gegen die Korruption mit dem Kampf gegen die Verfügungsmacht des Kapitals verbinden und darauf orientieren, dass die Arbeiterklasse dafür kämpft und sich selbst organisiert.

Dabei geht es nicht nur um die Korruption an sich; es geht darum, das Geschäftsgeheimnis als Ganzes zu attackieren, weil es ein wichtiges Mittel des Kapitals ist, seine Herrschaft zu verschleiern und Art und Ausmaß der Ausbeutung der Lohanabhängigen zu vernebeln. Nicht "unabhängige" Prüfer sind dabei die Lösung, sondern die Offenlegung aller Geschäftsunterlagen und deren Prüfung durch die Beschäftigten können eine realen Einblick darüber geben, welche Bosse sich wie bereichern und ob eine Firma wirklich Pleite ist oder nicht.

Nicht Verurteilung durch bürgerliche Gerichte mit anschließendem Freispruch auf Kaution, sondern die entschädigungslose Enteignung und Beschlagnahme des Reichtums der Bosse muss gefordert werden!

Die Frage der Kontrolle der Geschäftsbücher der Kapitalisten ist eingebettet in die Frage der Arbeiterkontrolle über die Produktion und Verteilung insgesamt. Letztlich kann im Kapitalismus nicht erreicht werden, die Korruption auszumerzen. Doch der Kampf dagegen kann ein Mittel sein, die ArbeiterInnen in Bewegung zu bringen, sie zum Kampf zu mobilisieren und so ihr Bewußtsein und ihren Organisationsgrad zu erhöhen.

Die Korruptionsfrage verweist zugleich darauf, dass die "Sozialpartnerschaft" und die damit verbundene Art und Weise von "Kontrolle" völlig ungeiegnet sind, auch nur die Spitze des Korruptions-Eisbergs abzuschmelzen. Im Gegenteil: die Betriebsratsfürsten und die Gewerkschaftsbosse in den Aufsichtsräten sind selbst oft genug Teil der Korruption, wie z.B. der Skandal um die VW-Betriebsräte zeigt. Ihre Orientierung auf das "Betriebswohl" schließt meist auch die Deckung oder sogar Beteiligung der halblegalen oder illegalen Machenschaften des Managements ein.

Insofern ist die Bekämpfung der Korruption auch vom Kampf für wirkliche Arbeiterdemokratie in den Organisationen der Arbeiterbewegung, v.a. den Gewerkschaften, untrennbar verbunden.

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Nr. 113, August/Sept. 2006

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