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Linkspartei.PDS

„Der Anfang ist gemacht...“

Markus Lehner, Neue Internationale 113, August/September 2006

So plakatiert es die Linkspartei.PDS seit Wochen in Berlin. Gemeint ist damit, dass die bisherige Politik der Linkspartei in der Berliner Regierung nicht etwa korrigiert werden soll. Im Gegenteil: die Parteiführung will den Weg der neoliberalen Kahlschlagspolitik fortsetzen und noch steigern. „Haushaltssanierung mit sozialem Augenmaß“ steht dann auch im Untertitel des Plakats neben dem Bild von Spitzenkandidat Harald Wolf.

Natürlich ist die „Linkspartei“ nur willige Gehilfin einer anderen Partei, die sich im Wahlkampf auch wieder mal - man wagt es sich kaum vorzustellen - als Anwalt der Armen und Entrechteten darzustellen versucht: der Berliner SPD.

Sündenregister

Dabei ist das „Sündenregister“ des „rot-roten“ Senats derart lang, dass dieser Artikel kaum für eine Aufzählung reicht:

Während sich die PDS an einigen bundesweiten Protesten gegen die Hartz IV-Gesetze beteiligte, ist sie in Berlin selbst an der Umsetzung derselben eifrig beteiligt. In Bezirksämtern werden inzwischen (auch mit Zustimmung von Linkspartei-Fraktionen) 1-Euro-Jobs eingesetzt und verdrängen z.B. im Grünflächenamt reguläre, tariflich bezahlte Arbeit. Ähnliches gilt inzwischen für Schulen. Entgegen den Versprechen der PDS-Sozialsenatorin Knaake-Werner wird es gemäß den von ihr erlassenen „Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung“ wohl nach der Wahl an die 40.000 Zwangsumzüge von ALG II-BezieherInnen geben.

Anfang 2004 wurde vom rot-roten Senat der Zuschuss für das Sozialticket gestrichen. Nach massiven Protesten gegen diese extreme Mobilitätsbehinderung für Arbeitslose und Senioren wurde ein allerdings sehr viel teureres Sozialticket (33,50 Euro), das auch nur für ALG II-Bezieher gilt, wieder eingeführt.

Der Ausstieg aus den Arbeitgeberverbänden für Kommunen und Länder führte zu einer Kettenreaktion von Tarifdumping für die öffentlich Beschäftigten bundesweit. Der Anwendungstarifvertrag, der ver.di daraufhin abgepresst wurde, führte zu massiven Einkommensverlusten zugunsten einer „Beschäftigungssicherung“, die de facto ein Herausmobben unliebsamer MitarbeiterInnen über den „Stellenpool“ erlaubt. Gleichzeitig wurden in landeseigenen Betrieben massive Lohn- und Personalkürzungen durchgezogen. Bei der BVG erhalten neue KollegInnen 15 Prozent weniger Lohn. Beim Krankenhauskonzern Vivantes wurden Urlaubs- und Weihnachtsgeld gestrichen und gleichzeitig weitere 4.000 KollegInnen vor die Tür gesetzt. Beim Universitätsklinikum Charite (mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden Thomas Flierl, Wissenschaftssenator der Linkspartei) wurde angedroht, 400 KollegInnen zu kündigen, wenn nicht ähnliche Kürzungen wie bei Vivantes hingenommen würden. Gleichzeitig genehmigte Flierl die Ausgliederung weiterer Teile des „Dienstleistungsbereichs“ der Charite an Dussmann - einer Firma, die für ihr gewerkschaftsfeindliches Lohndumping berüchtigt ist.

Unter „Rot-Rot“ wurden nochmals 15.000 Stellen im öffentlichen Dienst abgebaut (nachdem zuvor schon seit der Wende 52.000 Stellen gestrichen wurden). Bis 2012 hat SPD-Finanzsenator Sarazin weitere 18.000 Stellenstreichungen fest eingeplant. Mit den Verhandlungen zur Übernahme des TVÖD droht nach den Wahlen die Beschäftigungssicherung in Frage gestellt zu werden (Sarazin rechnet im Haushaltsplan schon lange mit deren Auslaufen). Eine Massenentlassung gewaltigen Ausmaßes droht.

Mit der Übernahme der Risiken des berüchtigten Berliner Immobilien-Skandal-Fonds in Höhe von 21,6 Mrd. Euro per Landesbürgschaft haben SPD und PDS zugunsten der Renditen von Finanzspekulanten die Berliner Haushaltslage für Jahre zum „Sanierungsfall“ gemacht. Alles, was in dieser Stadt als unvermeidlicher „Sachzwang“ zur Haushaltskonsolidierung dargestellt wird, hängt ursächlich mit diesem Kniefall von SPD und PDS vor dem Kapital zusammen.

Ebenso Kapital-freundlich erwies sich die noch unter dem SPD/CDU-Senat begonnene Teilprivatisierung der Wasserbetriebe, mit der skandalösen Rendite-Garantie von 8 Prozent an die Käufer (RWE und Veolia). Um diese Renditen zu ermöglichen, sind die Wassergebühren inzwischen um 25 Prozent gestiegen. Um weitere Preiserhöhungen zu vermeiden, veranlasste der SPD/PDS-Senat Kürzungen im Investitionsbereich, der als Personalabbau weitergegeben wurde. Die Idee einer Re-Kommunalisierung wurde gar nicht erst erwogen, ein Rückkauf der veräußerten Anteile „aufgrund der Haushaltslage“ abgelehnt.

Im Jugend- und Bildungsbereich hatten SPD und PDS vor der Wahl große Versprechen gemacht (und tun dies auch diesmal wieder). Tatsächlich wurden 2004 die Lehrmittelfreiheit an Berliner Schulen abgeschafft, die Kita-Gebühren erhöht bzw. durch die Ausgliederung von Kitas in Eigenbetriebe ihre Privatisierung (und damit für die Zukunft das übliche Packet von Preiserhöhungen und Personalabbau) vorbereitet, wurden 400 Stellen für angehende LehrerInnen und 75 Millionen Euro im Universitätsbereich gestrichen (und damit über 1.000 Stellen gekürzt) ...

Auch in vielen anderen sozialen und kulturellen Bereichen wurde heftig gespart (Streichung des Blindengeldes, Kürzungen bei Behindertentransporten, bei Stadtbibliotheken, Theatern ...).

Wohnungsprivatisierung

Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Doch schiebt sich in letzter Zeit noch ein besonderer Bereich in den Vordergrund: der Verkauf öffentlichen Wohnraums. Waren kommunale Wohnungsunternehmen bis in die 90er Jahre noch ein soziales (und gut alimentiertes) Hauptprojekt der (West)SPD, das immer wieder gegen Skandale und Angriffe aus CDU- und FDP-Kreisen aufrecht erhalten wurde, so änderte sich die SPD-Politik im Laufe der 90er Jahre schrittweise. Mit der Übernahme der Ost-Wohnbaugesellschaften begannen Privatisierungen - angeblich zu deren „Entschuldung“ (wobei deren Verschuldung erst durch den Einigungsvertrag entstanden war). Gewinnmargen wurden eingeführt, zu deren Erreichung Wohnungsverkäufe gestattet wurden. Schließlich wurde von der SPD-Finanzsenatorin Fugmann-Hesing die endgültige Abkehr der SPD von einer wie immer gearteten „sozialen“ Wohnungspolitik vollzogen. 1996 wurden die Berliner Wohnungsgesellschaften „konsequent auf Erzielung von Erträgen“ ausgerichtet, insbesondere auch mit Grundstücksspekulation und Privatisierungen. Dies führte zwar noch zu heftigen Kontroversen in der Berliner SPD - doch schon damals erwies sich die angeblich so bedeutsame Berliner SPD-„Linke“ als reiner Theater-Drache.

Seit 1998 geht es Schlag auf Schlag. Der Senat beschloss fast jedes Jahr große Veräußerungsaktionen - doch leider fand man keine Käufer zu annehmbaren Bedingungen. Was CDU/SPD nicht geschafft hatten - dass schafft nun PDS-Wirtschaftssenator Harald Wolf.

Binnen eines Jahres nach seinem Amtsantritt bereitete er den Komplettverkauf der größten Gesellschaft, der GSW, an den US-Konzern Cerberus vor, plus Übernahme von 1,7 Milliarden Schulden (die sich letztlich aus den Belastungen der Wohnungsgesellschaften aus Fugmann-Hesings Zeit ergeben hatten). Hatte Wolf den GSW-Verkauf zu Oppositionszeiten noch als „krasse Fehlentscheidung“ kritisiert, feiert er nun seinen Deal als „großen Erfolg“.

Die Folgen der Verkäufe von etwa 120.000 Wohnungen unter dem SPD/PDS-Senat für die Mieter liegen nun auf der Hand. Der Berliner Wohnungsmarkt wird von überdurchschnittlichen Mietsteigerungen und dem Wegfall des Niedrigpreissegments bedroht. Und dies bei steigender Armut und immer mehr ALG II-EmpfängerInnen! Die Folgen sind so klar, dass die nunmehr anstehenden Verkäufe der WBM (Wohnungsbaugesellschaft Mitte) zu einem zentralen Wahlkampfthema werden.

Diese soziale Kahlschlagspolitik wird von SPD und PDS mit den nicht veränderbaren „Sachzwängen“ der Berliner Haushaltslage begründet. Gleichzeitig belasten sie aber den Haushalt durch Milliardengeschenke an das Kapital (Risiko-Abschirmung des Immobilienfonds der Berliner Bank, Renditegarantien und Schuldenübernahmen bei Privatisierungen) bzw. senken Steuern und Gebühren für das Kapital (z.B. Wasser- und Energiegebühren, Einfrieren des Gewerbesteuerhebesatzes).

Die schwierige Haushaltslage von Kommunen und Ländern ist jedoch kein Naturgesetz oder Ergebnis eines „Über unsere Verhältnisse leben“ - sie ist vielmehr notwendiges Produkt der globalen Krise der Kapitalverwertung.

Während sich die Profitraten seit den 70er Jahren Jahrzehnt für Jahrzehnt auf einem geringeren Niveau bewegen, verlangt das Anlagekapital weiterhin gleichermaßen hohe Renditen. Dies führt einerseits zu einem immer schärferen internationalen Konkurrenzkampf (auch um „Standortvorteile“), andererseits zu einer Umschichtung zwischen Finanz- und Staatssektor zu Lasten des letzteren. Inzwischen hat der Anteil am gesellschaftlichen Gesamtprofit, der in Form von Zinsen oder anderen Renditeformen abgeht, denjenigen von Steuern und öffentlichen Abgaben längst überholt. Diese Form der Bewältigung von Verwertungsproblemen des Kapitals ist daher die eigentliche Ursache für die „leeren Kassen“ und die „Sanierungszwänge“ der Neoliberalen. Daher helfen hier auch keine Rezepte der „ausgabenorientierten Ankurbelung der Nachfrage“. Weder die Zinsschraube noch die internationalen Profitströme lassen einen keynesianischen Ausweg aus der Krise zu.

Entschuldung

Dies rechtfertigt natürlich in keiner Weise die Politik der PDS in den Landesregierungen von Berlin und Mecklenburg-Vorpommern, d.h. die Politik des Krisenmanagements für das Kapital. Während die PDS in der Opposition die eigentlichen Ursachen der Haushaltsprobleme zum Teil durchaus angesprochen hatte, war dies für die Frage des Eintritts in Sanierungs-Regierungen für die PDS-Führung offensichtlich egal. Während PDS-Linke die Regierungsbeteiligung mit taktischen Notwendigkeiten der “Kräfteverschiebung“ gegenüber der neoliberalen „Hegemonie“ zu rechtfertigen pflegen, ist offenbar die dominierende Schicht im Parteiapparat längst in das bürgerliche Herrschaftssystem und dessen „Hegemonie“ integriert und möchte dort „respektable“ Politik betreiben.

Dies wird offensichtlich in der geradezu peinlichen Form, in der führende PDS-Funktionäre aus Berlin und Sachsen-Anhalt Lafontaines Anti-Privatisierungs-Kampagne als „Rückschritt“ und fatalen Fehlweg Richtung „Staatssozialismus“ denunziert haben. Während Lafontaines absolute „rote Linie“ (die Veräußerung öffentlicher Daseinsvorsorge) angesichts des von ihm gegen seine eigene WASG verteidigten Harald Wolf total unglaubwürdig wird, fallen ihm Wolf und Konsorten skrupellos in den Rücken, stellen ihn sozusagen in eine Reihe mit der Berliner WASG-„Gurkentruppe“.

Nichts kann deutlicher machen, dass es keinen Mittelweg zwischen der Systemanpassung eines Harald Wolf und der PDS-„Macher“ auf der einen Seite und einer konsequent anti-kapitalistischen neuen Arbeiterpartei auf der anderen Seite geben kann. Wer nicht bei dem oben aufgezählten Horrorkatalog von sozialen Verbrechen enden will, muss ein konsequent anti-kapitalistisches Programm vertreten - einen dritten Weg gibt es nicht!

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Nr. 113, August/Sept. 2006

*  Libanon: Protektorat des Imperialismus?
*  Israel/Palästina: Antizionismus = Antisemitismus?
*  Heile Welt
*  Libanon: Was ist Hisbollah?
*  Klassenkampf und soziale Bewegung: Welche Perspektive?
*  Schmiergeldskandale: Korruption mit System
*  Venezuala: Gegen Bosse und Bürokraten
*  WASG-Linke: Stunde der Integratoren
*  Hisbollah-Verbot droht: Weg mit den Antiterrorgesetzen!
*  Linkspartei.PDS: "Der Anfang ist gemacht ..."
*  Wahlen in Berlin: WASG wählen, Widerstand formieren