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Strategie- und Aktionskonferenz

Die Koalition greift an - die Konferenz zaudert

Martin Mittner, Neue Internationale 106, Dezember 2005/Januar 2006

24 Milliarden will die Große Koalition 2007 allein durch die Mehrwertsteuererhöhung einnehmen. Der Haushalt soll saniert, also 35 Milliarden eingespart werden. Zahlen soll das die Masse der Bevölkerung, die ArbeiterInnen, Angestellten und Arbeitslosen.

Auch die anderen Teile der Koalitionsvereinbarung zeigen, dass die Umverteilung von unten nach oben munter fortgesetzt wird: Aufweichung und de facto Aufhebung des Kündigungsschutzes, weitere Privatisierung öffentlicher Einrichtungen, Kürzungen bei ALG II, Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67!

Allein schon die Aushebelung des Kündigungsschutzes durch Einführung einer zweijährigen Probezeit ist ein massiver Angriff, dem mit Massenstreiks und nicht mit verbalen Entwarnungen begegnet werden müsste!

Letzten Endes geht es der Merkel/Müntefering-Regierung darum, die Umverteilungspolitik fortzusetzen und die Arbeiterklasse und die Gewerkschaften entscheidend zu schwächen – kurzum: den unter Rot/Grün und mit der Lissaboner Agenda begonnenen Generalangriff durchzuziehen.

Vor diesem Hindergrund fand am 19. und 20. November in Frankfurt/M. eine Strategie- und Aktionskonferenz statt. Sie ging auf einen Beschluss des 1. Deutschen Sozialforums in Erfurt zurück, nach dem dieses Treffen „auf gemeinsame Proteste und Aktionen orientieren“ soll.

Wie sind die Ergebnisse der Frankfurter Konferenz angesichts dieser Ziele und vor dem Hintergrund der Weiterführung, ja Verschärfung der Angriffe durch die Große Koalition zu bewerten?

Ergebnisse

Schon bei der Vorbereitung der Konferenz war deren ursprüngliche Zielsetzung durch die „offene Vorbereitungsgruppe“ geradezu ins Gegenteil verkehrt worden. Am Samstag mussten die rund 350 TeilnehmerInnen deshalb unzählige Reden über sich ergehen lassen. In der anschließenden Aussprache konnten gerade 20 Leute reden - für 90 Minuten, nach vier Stunden Vortrag! Ganz „zufällig“ wurden v.a. VertreterInnen der Gewerkschaftslinken, des RSB, der Arbeitermacht, des Rhein-Main-Bündnisses, des Bündnisses Montagsdemonstrationen und der MLPD nicht berücksichtigt.

Doch viele TeilnehmerInnen wollten durchaus mehr als nur unverbindliches Palaver. Dass z.B. die AG zur sozialen Frage etwa von der Hälfte aller TeilnehmerInnen besucht war, ist kein Zufall, sondern drückt das breite Bedürfnis aus, endlich zu gemeinsamen Aktionen zu kommen. So wurde dort auch über eine Demonstration gegen die Angriffe der Regierung im Frühjahr und seine politische Grundlage, darunter ein Vorschlag der Gewerkschaftslinken für eine Plattform, diskutiert.

Die Moderation tat wieder ihr Bestes, die Sache zu zerreden. Statt den „Frankfurter Appell“ vom Januar 2003 oder den Vorschlag der Gewerkschaftslinken zum Ausgangspunkt zu nehmen, wurde eine lange und ziellose Debatte über das „Querdenken“ (??) inszeniert. Wir sagen bewusst „inszeniert“, weil der „Frankfurter Appell“ wie auch der Vorschlag der Gewerkschaftslinken zentrale Forderungen beinhalten, die gerade diese Fragen zusammenbringen.

Gemeinsam mit dem RSB und Vertretern der Gewerkschaftslinken brachten wir folgenden Vorschlag ein:

zentrale Demonstration(en) im März;

Beratung und Annahme des Vorschlags der Gewerkschaftslinken als Grundlage und Vorschlag für andere Gruppierungen, Bündnisse usw.;

Vorbereitungstreffen Anfang/Mitte Dezember, das Termin und Aufruf festlegt und entscheidet, wie viele zentrale Demos stattfinden sollen.

Dem wurde entgegengestellt, dass zu einer Demo im Frühjahr aufgerufen, aber über den inhaltlichen Vorschlag auf der Konferenz nicht weiter diskutiert wird, sondern das Treffen im Dezember ohne Empfehlung und Vorarbeit der Konferenz der Sozialen Bewegungen startet.

Hinter diesen Differenzen und Manövern steckt die Absicht der Organisatoren, möglichst freie Hand für politische Zugeständnisse an die Gewerkschaftsbürokratie bzw. die Spitzen der Linkspartei oder die SPD-Linke zu haben.

Daher lehnen sie es ab, dass die Konferenz klare politische Signale gibt, wie z.B. einen Mindestlohn von 10 Euro/Stunde, denn ver.di fordert gerade 7,50 Euro und auch Lafontaine hatte schon im Wahlkampf 1400 Euro Mindestlohn als „unrealistisch“ bekämpft.

Natürlich müssen Gewerkschaften und Linkspartei zur Teilnahme und zum Aufruf für eine solche Demonstration gegen die Regierung aufgefordert werden. Hätte die Frankfurter Versammlung konkrete Forderungen eingebracht, so hätten sich PDS, WASG, DGB usw. dazu verhalten müssen und diesbezüglich unter Druck gesetzt werden können. Die Annahme des Vorschlags von Angela Klein - keine Forderungen, kein Vorschlag - aber kommt  der Bürokratie entgegen. Dass er durchkam, lag v.a. an den anwesenden Gewerkschaft-BürokratInnen, an attac und den Funktionären der Linkspartei samt ihren „linken Sekundanten“ von DKP, Friedensratschlag, Linksruck und isl.

Ohne konkrete Mobilisierungen, ohne die dazu nötigen Strukturen ins Leben gerufen zu haben, endete die Frankfurter Versammlung und vertagte sich halbverrichteter Dinge. Welche Form und welche Forderungen eine Demonstration gegen die Große Koalition annehmen soll, wurde auf ein Vorbereitungstreffen am 16. Dezember verschoben.

Perspektive

Nicht, ob ein oder drei Demos stattfinden, ist die Frage, sondern, dass wirklich mobilisiert und die Bewegung ausgeweitet wird! Dazu müssen die Gewerkschaftsführungen, müssen PDS und WASG aufgefordert werden! Um der Bewegung klare Ziele und damit auch Attraktionskraft zu geben, ist eine Plattform nötig, die konkrete Ziele und Forderungen aufstellt, die aufzeigt, wie neue Kräfte in den Kampf gezogen und die einzelnen, isolierten Kämpfe von Betrieben, an Unis oder im Öffentlichen Dienst verbunden werden können.

Die letzten Jahre zeigen, dass ohne eine Koordinierung des Abwehrkampfes, dass ohne klare Ziele und ohne wirklich effektive Kampfmaßnahmen - v.a. politische Massenstreiks - die Offensive von Staat und Kapital nicht gestoppt werden kann.

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Nr. 106, Dez 2005/Jan 2006

*  LL-Demo 2006: Klassenkampf gegen Krieg und Imperialismus
*  Linkspartei-Fusion: WASG-Berlin sagt NEIN
*  Strategie- und Aktionskonferenz: Die Koalition greift an - die Konferenz zaudert
*  Aktionen gegen Studiengebühren: Über Gebühr teuer
*  Heile Welt
*  Politisch-ökonomische Perspektiven: Krise und Klassenkampf
*  Frauen und prekäre Arbeit: Küche, Krise, Kapital
*  Israel/Palästina: Alles nur Lüge
*  Ausnahmeszustand in Frankreich: Der Aufstand der Jugend und die Linke