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Welche Alternative zu SPD und PDS?

Erstes bundesweites Treffen der Wahlalternative

Infomail 173, 23. Juni 2004

Am Sonntag, dem 20. Juni fand an der Berliner Humboldt-Uni das erste bundesweite Treffen der "Wahlalternative für Arbeit und soziale Gerechtigkeit" statt. Etwa 700 Leute aus vielen Teilen der Republik waren gekommen. Teils waren sie VertreterInnen lokaler Gruppen der Initiative, teils VerteterInnen linker Organisationen, teils einzelne InteressentInnen.

Lt. Aussagen der InitiatorInnen gibt es inzwischen bundesweit ca. 10.000 UnterstützerInnen der Wahlalternative.

Diese ansehnliche Resonanz verweist darauf, wie groß das Interesse daran ist, eine parteipolitische Alternative zur SPD (und zur PDS) aufzubauen. In der großen und noch wachsenden Zahl der MitstreiterInnen der Wahlalternative widerspiegelt sich auch der Prozess der Ablösung der Arbeiterbewegung von der SPD, seit sie unter Schröder einen strategischen Angriff auf die Arbeiterklasse und die Massen vorträgt.

Das ist auch der Grund, weshalb die ARBEITERMACHT aktiv in diesen Prozess eingreift - mit dem Ziel des Aufbaus einer neuen, revolutionären Arbeiterpartei. Dazu verteilten wir beim Treffen auch hunderte Exemplare eines Offenen Briefes an die "Wahlalternative" (Text she. Infomail 172).

Das Treffen begann mit mehreren Statements von InitiatorInnen der Initiative. Dann bekam Peter Wahl von attac genug Redezeit, die er dafür nutzte, um den heißen Brei - ob attac die Initiative unterstützt - herum zu reden und ansonsten darüber zu fabulieren, wie schlecht und gefährlich Parteien an sich seien. Natürlich fehlte auch nicht die "überraschende" Präsentation eines Mitglieds der CDU-Arbeit"nehmer"schaft CDA, der seine Unterstützung ankündigte.

Keiner der RednerInnen kam auf den Gedanken, den Kapitalismus insgesamt in Frage zu stellen, vielmehr drehten sich die Aussagen eher darum, wie eine "sozialstaatliche Alternative", wie "Gerechtigkeit" usw. innerhalb des Kapitalismus (wieder) zu erreichen wären. Dabei würden "linksradikale Worthülsen" natürlich nur stören, wie mehrere RednerInnen teils indirekt, teils aber auch sehr offen sogleich verkündeten - ohne dass zuvor davon überhaupt jemand geredet hätte!

Gleichzeitig wurde natürlich nicht versäumt, den "offenen" und demokratischen Charakter der Veranstaltung zu betonen. Dieser zeigte sich u.a. darin, dass von den etwa zwei Stunden Diskussionszeit zwei Drittel von den VertreterInnen der InitiatorInnen selbst belegt wurden. Mehr Zeit sei dafür nicht möglich, "weil die TeilnehmerInnen ja noch ihre Züge schaffen müssten". Genau: Wenn in 60 Jahren deutscher Nachkriegsgeschichte vielleicht zum ersten Mal eine neue (Arbeiter)partei entsteht, darf dabei keinesfalls der Fahrplan ignoriert werden!

Gemäß dem "Fahrplan" der InitiatorInnen gab es so weder eine wirkliche Diskussion noch sollten und konnten etwa jene Fragen aufgeworfen werden, die zentral für eine neue Partei sind: Welchen Klassencharakter soll sie haben?, Was sind ihre Ziele und Methoden im Klassenkampf?, Bedient sie eine Spielart des Reformismus oder will sie bewusst den Kapitalismus überwinden?

Dass die InitiatorInnen die Debatte darum blockieren wollen, ist absolut unakzeptabel - allerdings auch kein Zufall. Denn wie die Konferenz und die verschiedenen Arbeitsgruppen zeigten, gibt es unter jenen, die das Projekt dominieren, sehr wohl eine politische Strategie: den linken Reformismus.

So plädierte Jörg Huffschmidt, einer der "wissenschaftlichen Autoritäten" hinter der Initiative ganz offen für eine keynesianische Wirtschaftspolitik. Es war auf eine gewisse Art amüsant zu verfolgen, wie bemüht er war, darzulegen, dass seine Konzepte "den Kapitalismus nicht ruinieren würden". In der Tat. Nur, vergaß er zu erwähnen, dass Konzepte wie seines jahrzehntelang Richtschnur eben jener sozialdemokratischen Politik waren, die das derzeitige Desaster der SPD vorbereitet und den Neoliberalen den Boden bereitet haben.

Was waren die konkreten Ergebnisse dieses Treffens? Es wurde für den 3. Juli die Gründung eines Vereins beschlossen, dem dann alle Interessierten beitreten können. Auf Basis der von einigen der InitiatorInnen erarbeiteten Positionspapiere soll dann die inhaltliche Debatte weitergeführt und die Gründung einer Partei vorbereitet werden. Die bisher noch bestehenden zwei Initiativen ("Wahlalternative" und die bayerische "Initiative für Arbeit und soziale Gerechtigkeit") wollen dazu fusionieren.

Nach dem Verlauf dieses ersten Bundestreffens gibt es allerdings einigen Anlass, den InitiatorInnen dabei genau auf die Finger zu schauen, um zu verhindern, dass ohne breite Debatte, ohne inhaltliche Klärung der zentralen Fragen und ohne dass die Basis wirklich demokratisch entschieden wird, womit der Zug Richtung Partei beladen wird.

Im Kontrast zu diesen Eindrücken gab es allerdings auch andere, bessere. So war bei vielen TeilnehmerInnen durchaus berechtigtes Misstrauen bis offene Ablehnung darüber zu verspüren, dass die Partei nur ein Wahlverein sein soll. Verständlicherweise wollen viele nach den Protesten gegen die Agenda der letzten Monate wissen, wie es damit weitergehen soll, wie die Wahlalternative diesen Prozess aktiv voran treiben will. Positive Ansatz dafür sind die beiden am Treffen vorgeschlagenen Kampagnenschwerpunkte gegen die Einführung von Hartz IV und für Arbeitszeitverkürzung.

Ermutigend war auch, dass es den stärksten Beifall gab, als am Schluss der linke Gewerkschafter Bernd Riexinger von ver.di Stuttgart rhetorisch fragte, "ob wir uns eine Wirtschaft länger leisten wollen, die sich den Sozialstaat nicht mehr leisten will?".

Genau dieser Frage muss sich die Wahlalternative nicht nur stellen - sie muss sie beantworten! Ob das gelingt, wird wesentlich davon abhängen, ob sich jene Kräfte, die diese Systemfrage stellen, in der Wahlalternative dafür engagieren oder ob sie sich - wie so oft - nur den linken Reformisten anpassen, um "niemand zu verprellen". Die Erfahrung zeigt aber, dass man damit vor allem eines verprellt - den Sozialismus!

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