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Demo am 1. November

Stellungnahme zu Streitfragen im bundesweiten Bündnis

Infomail 139, 19. Oktober 2003

1 Nach dem bundesweiten Treffen vom 4. Oktober kam es zu einem größeren Zerwürfnis in der Vorbereitung zur Demo am 1. November gegen den Sozialraub. Dieses Treffen hatte eine "endgültige" Liste von 9 RednerInnen, darunter drei aus dem Umkreis der MLPD, beschlossen. Dies war selbst Resultat von viel Unmut mit dem vorhergehenden Beschluss, nachdem nämlich die MLPD von vier Rednern zwei gestellt hätte.

2 Die bundesweite Koordinierung hatte - entgegen ihrer eigenen Wahrnehmung - immer schon ein höchst zweifelhaftes Mandat. Sie war ursprünglich nur eingerichtet worden, um einen "endgültigen" Aufruf zu beschließen (oder regionalen Bündnissen vorzuschlagen). Dieser Aufruf ist bis heute gültig und wurde auch von niemanden in Frage gestellt. Dass sich die Koordinierung dann auch gleich zur Festlegung von Rednerlisten usw. entschloss, diese auf Flugblättern veröffentlichen lies, war eine Anmaßung der Koordinierung, selbst wenn wir in Rechnung stellen, dass sie bei einem Teil der anwesenden Leute aus ehrlicher Absicht geschah.

3 Das stieß natürlich von Beginn an vielerorts auf Unmut und ein Hinterfragen der Legitimation der Koordinierung selbst. Das wurde auch von Beginn an lokal zum Ausdruck gebracht, besonders in Berlin, da das bundesweite Bündnis einige Aufgaben für Berlin beschloss (z.B. Finanzierung der Demo). Einige dieser Delegationen waren sicher sinnvoll und wurden auch akzeptiert (Finanzen, Demoanmeldung, Anmeldung und Verhandlungen mit Polizei über die Route, …)

4 Das Legitimationsproblem der bundesweiten Koordinierung war entstanden aus mehreren Faktoren. Beim Frankfurter Treffen im August gab es zwar einen wichtigen Beschluss - Termin und Ort der Demo. Fast alles andere blieb in der Schwebe. Die Haltung der Gewerkschaften (wie auch der linken Gewerkschafter), von attac und von Seiten der PDS gegenüber der Demo war zwiespältig.

5 Es war damit von Beginn an klar, dass eine Verbreiterung der Unterstützung, v.a. durch Gewerkschaften, Vertrauensleute, Betriebsräte usw., notwendig war, um eine Massenmobilisierung gegen die Agenda zu organisieren. Aufgrund verschiedener Faktoren hat sich dieser Kreis verbreitet.

6 Das Fernbleiben oder die Unentschiedenheit von linken Gewerkschaftsgliederungen, von attac oder der PDS hat dazu geführt, dass einige linke Kleinparteien, allen voran die MLPD, die bundesweite Koordinierung politisch unter ihre Kontrolle bringen konnten. Andere wie die SAV nahmen hier eine zwiespältige Haltung ein. Man muss aber sagen, dass ein "Koordinierungsgremium" in dem viele nur sich selbst, kleine lokale Bündnisse oder kleine Organisationen vertreten, nicht als "repräsentativ" betrachtet werden kann.

7 Eine politisch umsichtige Koordinierung hätte dieses Problem nicht zu übergehen getrachtet, indem es sich als "Leitung" setzt, sondern versucht, sich mit maßgeblichen Kräften für die Mobilisierung ins Einvernehmen zu setzen und jedenfalls sinnvolle Vorschläge zu machen, statt eine politische Sekte per "Mehrheit" mit einem Drittel der Redner zu belohnen.

8 Die MLPD-geführte bundesweite Koordinierung entschied sich statt dessen, auf ihrem "demokratischen Recht" zu beharren und konnte so auch einige Unterstützer hinter sich scharren.

9 Einige regionale Gewerkschaftsgliederungen (verdi-Berlin, verdi-Stuttgart, IG Bau Berlin, Teile der IG Metall) lehnten dieses Vorgehen nicht nur ab, sondern stellten ihrerseits ein Ultimatum auf: entweder werde der MLPD-Einfluss zurückgedrängt und diese Kraft auf ihr "normales" Maß zurechtgesetzt - oder sie würden der Demo die finanzielle und politische Unterstützung unterziehen. Im Gefolge dieser Kräfte traten auch andere, PDS, attac, Sozialforen, Teile lokaler Mobilisierungsbündnisse auf. Zweifellos war das ein Manöver von Seiten der lokalen Gewerkschaftsführer.

10 Vertretern von IG Bau, verdi-Berlin, Sozialforum und Linksruck beriefen ein Berliner Sonder-Treffen ein, das die Frage der Demoorganisation, der Redner, der Finanzen usw. erneut auf die Tagesordnung setzte. An dieser beteiligten sich 60 bis 70 Personen, die die Breite des Bündnisses einigermaßen repräsentierten.

11 Vor der Versammlung standen zwei Fragen: Erstens über die jeweilige Legitimität der Ansprüche von "bundesweiter Koordinierung" und "Berliner Sondertreffen" zu entscheiden. Zweitens über die Frage, welches Ziel mit der Demonstration verfolgt werden soll? Sollten realistische Bedingungen für eine Massendemonstration mit gewerkschaftlicher und betrieblicher Mobilisierung geschaffen oder erhalten bleiben - oder nicht.

12 Die Frage nach den jeweiligen "Vertretungs- resp. Rechtsansprüchen" des von der MLPD vertretenen bundesweiten Koordinierungstreffens und dem "Berliner Notplenum" konnte das Problem nicht lösen. Von einem rein demokratisch-formellen Standpunkt aus betrachtet, standen sich in beiden Fällen Gremien mit fragwürdiger formaler Legitimation gegenüber. Im übrigen rächte sich hier auch eine schlechte Gewohnheit, dass die bei "Bündnistreffen" nicht VertreterInnen von Organisationen, Gruppierungen oder lokalem Bündnissen mit Mandat anwesend sind, sondern oft nur Individuen. Bündnisse - gerade für Großaktionen und mit bundesweiten Charakter - müssen Bündnisse von Organisationen sein. Es ist nur vordergründig demokratisch, wenn jede/r Anwesende gleiches Stimmrecht hat, unabhängig davon er oder sie eine Gruppierung, ein Kollektiv, oder nur sich selbst repräsentiert. In Wirklichkeit ist das undemokratisch und führt bei jeder ernsten Differenz sofort, voraussehbar und mit einem gewissen Recht immer zu Anzweiflung der Legitimation solcher Treffen.

13 Die viel wichtigere Frage war jedoch: wie kann und können ein zahlenmäßiger Erfolg der Demonstration, eine ausreichende Repräsentativität der RednerInnen und eine möglichst große Beteiligung der Lohnabhängigen sichergestellt werden. Das bundesweite Koordinierungstreffen war - ganz unabhängig von seiner fragwürdigen Legimitation - an dieser politischen Aufgabe gescheitert. Es war daher korrekt vom Berliner Plenum, einen eigenen Beschluss zu fassen, der eine Arbeitsgrundlage vorbehaltlich des Dissens anderer Bündnisse und Organisationen aus dem Bundesgebiet liefert und der am nächsten bundesweiten Plenum überprüft und geändert werden kann.

14 Hat damit das Berliner Plenum den Erpressungen der örtlichen Gewerkschaftsführer nachgegeben? (Wie auch der von PDS und attac. Aber das war realiter eine zweitrangige Frage, weil die entscheidenden Ressourcen von verdi und IG Bau kommen und die Positionierung der IG Metall von diesem Treffen maßgeblich beeinflusst wurde, während attac und PDS viel geringere Mobilisierungskraft haben und im Bündnis auch politisch schwächer vertreten sind).

15 Ja. Sie hat eine Bedingung oder Erpressung von gewerkschaftlichen Massenorganisationen akzeptiert. Sie tat das einerseits, weil sie die "Demokratie" einer Sekte, der MLPD, noch weniger akzeptieren wollte. Sie tat es andererseits, weil es trotz der Methoden der Gewerkschaftsführer ein politisch vertretbares und im Sinne des Demonstrationszieles notwendiges Zugeständnis war. Erstens wurden der Aufruf und die Ziele der Demo in keinster Weise berührt. Niemand stellte die Forderungen in Frage. Niemand stellte in Frage, dass sich die Demonstration gegen die Agenda 2010 in ihrer Gesamtheit wendet. Wenn jetzt solche und viel phantastischer Gerüchte im Umlauf gebracht werden (z.B. dass Lafontaine reden solle), so sind das einfach Lügen. Zweitens wurde durch die veränderte Rednerliste dem Rechnung getragen, Hindernisse für die Mobilisierung zu überwinden und die aktuelle Breite der Mobilisierung auszudrücken. Wer außerdem die Weisheiten der MLPD-RednerInnen kennt, weiß auch, dass diese nicht wirklich linker als ein Riexinger oder Roth sind. Also auch eine Verwässerung der Plattform nach rechts stellt die veränderte Liste nicht wirklich dar.

16 Neben der Frage, welches Treffen wozu legitimiert sei, muss beiden ein Vorwurf gemacht werden. Das eigentlich zentrale Problem ist doch, wie eine erfolgreiche Demonstration zu weitergehenden Aktionen in Betrieben, zu (Warn)streiks, zu Blockaden in den Stadtteilen usw. führt, welche Bündnisse dazu aufgebaut werden soll. Gemäß dieser Ziele müsste auch die Auswahl der RednerInnen auf der Demo erfolgen. Das ist bisher nicht geklärt, obwohl einige RednerInnen auch beim Notplenum in diese Richtung argumentierten und auch hier eine Bereitschaft zeigten, das eigentliche Problem anzugehen. Man muss allerdings konstatieren, dass dazu weder die Funktionäre von ver.di, attac, PDS noch von der MLPD etwas zu sagen hatten.

17 Wir schlagen daher vor:
a) Neben den RednerInnen für die Abschlusskundgebung soll ein Vertreter betrieblicher Mobilisierungen sprechen. Außerdem sollen bei einer etwaigen Auftaktkundgebung und bei einer Zwischenkundgebung vom Lautsprecherwagen mehrere VertreterInnen aus Betrieben sprechen, wo schon Aktionen gegen die Agenda (Warnstreiks, Kundgebungen, Protestversammlungen) stattgefunden haben. Dort sollten auch RepräsentantInnen der Jugend, der ImmigrantInnen, der Erwerbslosen auftreten.
b) Ein Aufruf zur Fortführung und zum Aufbau von Aktionsbündnissen gemacht wird. Sie sollen ihre Verbindung mit den Gewerkschaften und den Vertrauensleuten vor Ort sowie mit Arbeitsloseninitiativen, Sozialforen, Anti-Hartz-Bündnissen fortsetzen und ausbauen. Gemeinsam sollen betriebliche und Straßenaktionen vorbereitet werden. Möglichst bald nach der Demo - spätestens aber Ende November - soll eine bundesweite Aktionskonferenz zur Bilanzierung der Demonstration und zur Koordinierung weiterer durchgeführt werden.

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