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Sommerpause

Die Agenda kommt,
der DGB macht Urlaub

Infomail 121, 30. Mai 2003

Dieser Sommer macht sicher keinen heißen Herbst. Nach den bundesweiten Protestkundgebungen am 24. Mai reicht es - nicht dem Kanzler, sondern dem DGB-Chef. Beim Mittagessen mit Schröder will er eine Entschärfung der Agenda ausgemacht haben. "Die gröbsten Klötze sind weg," lässt Sommer über den Leitantrag zum SPD-Sonderparteitag verlauten (Frankfurter Rundschau, 27. Mai). Daher: Protestpause bis zum Herbst. Statt dessen soll weiter verhandelt und gefrühstückt werden mit Schröder and friends.

Derweil beschließt die Regierung die ersten Gesetzesentwürfe. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt streicht Leistungen der Krankenversicherung.

Mit Sommers obskuren Wahrnehmung der Regierungsrealität können selbst manche Gewerkschaftsvorstände nicht mit. Die IG Metall lässt dementieren. Entschärft sei die Agenda 2010 sicher nicht. Eine Protestpause, noch bevor er richtig begonnen hat, will aber auch die IG Metall-Führung. Schließlich wollten die Leute in den Urlaub fahren. Für viele könnte es allerdings für einige Zeit der letzte sein.

Im Herbst wollten die DGB-Gewerkschaften über ihr weiteres Vorgehen entscheiden. Während die Hartz, Rürup und Agenda 2010, das Kapital und die Regierung das Tempo verschärfen, wollen die Gewerkschaftsbosse Sommerschlaf verordnen.

Widerstand

Dabei regt sich wie bei den Hartz-Gesetzen auch bei der Agenda 2010 Widerstand in den Betrieben. Gewerkschaftliche Betriebsorganisationen, aber auch außerbetriebliche Gewerkschaftsgremien fordern Kampfmaßnahmen.

Die Bundeskonferenz der ver.di-Jugend fordert einen eintägigen Generalstreik gegen die Agenda 2010. Vertrauensleute der ver.di Betriebsgruppe im Knappschaftskrankenhaus Sulzbach beschließen Aktionen im Betrieb und darüber hinaus.

Zum 1. Juni hat das Berliner Sozialforum für 11.00 Uhr zu einer Demonstration gegen die Agenda aufgerufen. Berliner Betriebsräte und Vertrauensleute unterstützen sie und mobilisieren für eine anschließende Kundgebung vor dem SPD-Sonderparteitag im Hotel Estrel.

Das sind nur einige geplante Aktionen. In verschiedenen Regionen fanden bereits Demonstrationen statt, die von verschiedenen Bezirken organisiert wurden. In Schweinfurt traten am 29. April tausende Metaller in den Warnstreik gegen die Agenda und organisierten eine Protestdemonstration durch die Stadt.

Während IG Metall-Chef Zwickel politische Streiks im Zusammenhang mit der Agenda 2010 "ausdrücklich" ablehnt und die Gewerkschaften eindringlich vor Spekulationen über einen Kanzlersturz warnt, muss gerade diese Kampfmaßnahme verstärkt in den Vordergrund gestellt werden. Wenn die ArbeiterInnen weiterhin darauf vertrauen, dass die Hauptvorstände der Gewerkschaften das Schlimmste schon verhindern werden, ist die Niederlage vorprogrammiert.

Politischer Streik

Der politische Streik gilt in der BRD als illegal. Gewerkschaftsbürokraten argumentieren gegen politische Streiks, da sie Schadenersatzforderungen nach sich ziehen und damit die Gewerkschaften ruinieren würden.

In Wirklichkeit fürchten sie etwas ganz anderes. Zwickel hat es angedeutet: sie fürchten den Verlust ihrer Kontrolle über Streiks im allgemeinen und eine mächtige politische Einmischung der Arbeiterklasse gegen die "demokratischen" Machenschaften der "Gewerkschafter" in der SPD-Fraktion im besonderen!

Der Verzicht auf den politischen Streik bedeutet letzten Endes, dass jedes Gesetz, das gegen gewerkschaftliche Organisation und demokratische Rechte verabschiedet wird, einfach hingenommen werden muss! Die Frage von Legalität oder Illegalität ist eine Frage des Kräfteverhältnisses zwischen Arbeiterklasse und Bourgeoisie. Es ist an der Zeit, der Bourgeoisie zu zeigen, dass ihre Rechtssprechung keinen Schutz gegen einen erfolgreichen Kampf gegen Sozialabbau bieten kann. Der politische Streik kann die Agenda wirklich zu Fall bringen, da er die Kapitalisten trifft: keine Produktion - kein Profit!

Einheitsfront

Wir fordern alle Gewerkschaftsführer, die PDS, die SPD-Linke und alle Gremien der Partei auf, ihre "Rücksichtnahme" gegenüber Schröders Regierung aufzugeben. Das Schicksal von Millionen ist tausend Mal wichtiger als das einer rot-grünen Regierung, die CDU/CSU/FDP-Politik macht.

Ein Streik will gut vorbereitet sein - zumal er gegen den erklärten Willen der Hauptvorstände durchgesetzt werden muss. Daher müssen jetzt Aktionskonferenzen mit Delegierten aus den Vertrauensleutekörpern, aus den Betriebsgruppen und Betriebsräten organisiert werden, die, wo möglich, die gewerkschaftlichen Führungen in die Pflicht nehmen, wo nötig, auch selbständig, den Kampf organisieren und mit den Protestaktionen der Erwerbslosen, SchülerInnen und StudentInnen verbinden.

Am 4. Juni findet eine solche Aktionskonferenz in Oberhausen (Gewerkschaftshaus, Willi Haumann-Saal) statt, zu der Betriebsräte und Vertrauensleute des Ruhrgebiets aufgerufen haben (siehe: www.labournet.de). Es ist sinnvoll, dass auch Delegierte aus anderen Regionen an dieser Konferenz teilnehmen, damit die Erfahrungen dieser Aktionskonferenz verbreitert werden. Dadurch werden Aktionskonferenzen in weiteren Regionen und deren Koordination und Zentralisierung erleichtert. Die Einleitung einer Streikbewegung gegen die Schröder-Agenda kann in einigen wichtigen kampfstarken Großbetrieben beginnen und muss dann ausgeweitet werden. Aktionskonferenzen können in allen Städten und Regionen stattfinden und miteinander verbunden werden, so dass eine einheitliche bundesweite Streikbewegung entwickelt wird.

Brecht mit dem Reformismus!

Der Abwehrkampf gegen die Agenda wird jedoch nicht nur die Frage nach den notwendigen Aktionen - Streiks - Aktionsformen - Aktionskomitees - aufwerfen. Er stellt auch die Frage nach der politischen Führung, nach dem zukünftigen Kurs der Arbeiterbewegung in Deutschland. Die Kampfbereitschaft muss genutzt werden, um in der Kampagne für politische Streiks auch eine klassenkämpferische Basisbewegung in den Gewerkschaften aufzubauen.

Die Risse in der SPD können auch dazu genutzt werden, um ArbeiterInnen und WählerInnen der Sozialdemokratie in der gemeinsamen Aktion gegen die Regierungs-Agenda und die Kapitalisten von der Notwendigkeit des Bruchs mit der arbeiterfeindlichen Politik ihrer rechten und linken Führer zu überzeugen.

Anders als die Gewerkschaftsführer trauern wir der "alten" SPD von Ebert und Brandt nicht nach. An der Regierung zeigen sich die inneren Widersprüche der bürgerlichen Arbeiterpartei SPD, also einer Partei, deren Politik seit 1914 fest auf dem Boden des Kapitalismus steht, die sich aber gleichzeitig auf die Arbeiterklasse stützt. Daher ist die gegenwärtige Konstellation vorteilhaft für eine Politik, die den gemeinsamen Kampf mit den sozialdemokratischen ArbeiterInnen gegen "ihre" Regierung anstrebt und gleichzeitig die ArbeiterInnen zum politischen Bruch mit der SPD und dem Reformismus insgesamt drängt.

Die Alternative zum Kurs von Schröder besteht nicht darin, längst gescheiterte Konzepte neu aufzukochen, wie es Oskar Lafontaine und Klaus Zwickel, wie es DGB und SPD-Linke fordern. Sie versuchen nur die SPD in den Augen der ArbeiterInnen "neu zu beleben", neues Vertrauen aufzubauen, um morgen erneut Regierungspolitik im Interesse des Kapitals durchzusetzen. Die Alternative zu den Sozialräubern in der SPD ist eine neue, revolutionäre Arbeiterpartei.

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