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Anti-Kriegsproteste in München

Ein tausendfaches Nein

Infomail 105, 13. Februar 2003

Es war symbolträchtig: im Münchner Nobelhotel Bayerischer Hof tagen einige Dutzend Militärexperten und Politiker unter massivem Polizeischutz, während in der Stadt Zehntausende gegen den drohenden Irakkrieg protestieren. Während die politischen Eliten darüber beraten und streiten, mit welchen Methoden sie sich ihr Stück vom irakischen Kuchen sichern können, wendet sich die Bevölkerungsmehrheit klar gegen den Krieg.

Hintergrund

Noch im Jahr zuvor wurden alle Veranstaltungen gegen die "Sicherheitskonferenz" verboten und es gab massiven Polizeiterror gegen die DemonstrantInnen. Hunderte wurden festgenommen und terrorisiert. Doch es gelang trotzdem, das Demonstrationsrecht gegen Polizeigewalt und Verbote praktisch durchzusetzen. Im Nachhinein hat sich völlig bestätigt, was die Demonstrationen des letzten Jahres betonten. Der "Krieg gegen den Terror" ist nichts anderes als ein Vorwand, mit militärischer Gewalt die imperialistische Kontrolle der Welt durchzusetzen. Der nahende Irakkrieg bestätigt die tiefe Kluft zwischen den demagogischen "Begründungen" für den Krieg und der offensichtlichen Gier nach Öl.

Zugleich entzweit der Irakkrieg die vermeintlichen Sieger schon, bevor er ausgebrochen ist. Die Differenzen zwischen den USA und ihren Parteigängern einerseits und dem Block um Deutschland und Frankreich andererseits haben sich beachtlich zugespitzt. Die Achse Paris - Berlin - Moskau (und Peking) trotzt dem innerimperialistischen Hegemonialanspruch der USA und provoziert ein Auseinanderbrechen der NATO. Was hinter der vermeintlichen Friedenspolitik der Bundesregierung wirklich steckt, zeigt sich nun umso deutlicher: es ist der Versuch, seine eigenen imperialistischen Interessen gegen die des amerikanischen Konkurrenten im Nahen Osten durchzusetzen und dafür einen eigenen EU-Block zu organisieren.

Aktionen

Diesmal war die Ausgangslage in München anders als im Jahr zuvor. Bürgermeister Ude (SPD) versuchte gar nicht erst, die Demos und Kundgebungen zu verbieten. Das war nicht nur Ausdruck von "Rücksichtnahme" auf die Antikriegsstimmung in der Bevölkerung und die Tatsache, dass die Bundesregierung sich zumindest nicht aktiv am Irakkrieg beteiligt. Es ist eben auch eine Reaktion auf das Scheitern der letztjährigen Versuche, mittels Bullenterror und Gerichten Proteste zu verhindern.

Freilich ist Ude nicht zum Kriegsgegner mutiert. Er ließ es sich nicht nehmen, die Kriegstreiber in Uniform und Nadelstreifen persönlich zu empfangen. Auch die Polizei war nicht etwa untätig. Absperrungen, Personenkontrollen, Anreisebehinderungen und Provokationen gab es auch diesmal. Über 50 Leute wurden festgenommen, darunter Pflügler, der sich für Desertionen ausgesprochen hatte. Auch Liedermacher Konstantin Wecker, der in diesem Sinn auf einer Kundgebung auftrat, darf sich nun genauerer "Nachfragen" der Bullen und Staatsanwaltschaft erfreuen.

Ohne jeglichen Anlass überfielen die Bullen auch das Convergence- Zentrum, das als Organisationszentrum diente. Auch diese, im Vergleich zum letzten Jahr, "kleinen" Vorkommnisse dürfen wir nicht durchgehen lassen! Darum: Weg mit allen Untersuchungen und Bestrafungen, nieder mit allen Anklagen durch den bürgerlichen Staat! Die wirklichen Verbrecher tagen im Bayerischen Hof!

Am Freitagnachmittag trafen sich ca. 2.000 Menschen auf dem Marienplatz zu einer Kundgebung gegen den Irakkrieg und gegen die scheinheilige "Friedenspolitik" der Bundesregierung. Anschließend ging ein großer Teil der Leute als Spontandemo zur SPD-Zentrale. Wie auch am Tag danach gab es viele Gespräche mit "PassantInnen", die sich auch an den Aktionen beteiligten. Es war deutlich spürbar, wie ablehnend auch "ganz normale" Leute dem geplanten Kriegsabenteuer gegenüber standen.

Am Sonnabend versammelten sich etwa 10.000 Leute auf dem Odeonsplatz. Der DGB hatte zu dieser Kundgebung aufgerufen. Was zunächst positiv ist: auch der DGB zeigt politisch Flagge gegen den Krieg - was sich allerdings auch als fragwürdiges politisches Manöver erweist. Anstatt den Schulterschluss mit den tausenden KriegsgegnerInnen, AktivistInnen und AntikapitalistInnen zu suchen, die schon seit Jahren in Deutschland und international gegen Kapitalismus uns Krieg kämpfen, suchte sich der DGB ganz andere Partner: die Kirchen und Bürgermeister Ude. So schnell war vergessen, dass ebenjener Ude mitverantwortlich dafür war, dass ein Jahr zuvor KriegsgegnerInnen massivem Terror ausgesetzt waren und das DGB-Haus in München fast von den Bullen gestürmt worden wäre! Wohlgemerkt: Gewerkschaftshäuser waren das letzte Mal 1933 besetzt worden. Warum wollte der DGB-München bzw. Bayern um Chef Helmut Schmid keine gemeinsame Aktion mit den Linken? Ganz einfach - ihm passte nicht deren Kritik an der Politik der SPD-Regierung und an der NATO. Deshalb stellte er sich lieber an die Seite eines katholischen Bischofs, dessen Rede gewiss niemandem weh tut. Die Redner auf der DGB-Kundgebung verblieben nicht nur im "allgemein-menschlichen", pazifistischen Rahmen. Sie drückten sich nicht nur um die Frage herum, dass der Kapitalismus Kriege wie diesen verursacht. Mehr noch: sie gaben keine Antwort darauf, was die Gewerkschaften selbst tun müssen und können, um die Mobilisierung und die Vorbereitung zu diesen Krieges zu verhindern.

Ganz konkret war die DGB-Aktion auch eine Spaltung der KriegsgegnerInnen. Gerade vor dem Hintergrund der internationalen Ereignisse der letzten Monate - Europäisches Sozialforum in Florenz, Entstehung der Sozialforen - zeigt sich, dass Bürokraten wie Schmid kein Interesse daran haben, den Kampf der antikapitalistischen Bewegung mit der Arbeiterbewegung zu verbinden. Diese Strategie bedeutete in München, dass Tausende nicht zur Antikriegsdemonstration der "Linken" gehen sollten, die zeitgleich am Marienplatz beginnen sollte.

Wer "Kriegsgegner" wie Schmid zum Freund hat, braucht keine Feinde mehr!

Angesichts dieses Sabotageversuchs von DGB-Fürsten, Ude und Kirchen hebt sich ein Vorstoß des ver.di-Bezirks München besonders positiv ab. Sie kritisierten die DGB-Aktion und riefen die TeilnehmerInnen der Kundgebung dazu auf, sich an der Antikriegsdemo zu beteiligen. Diese Initiative wurde auch vom Münchener Antikriegskomitee, zu dem auch die Gruppe Arbeitermacht gehört, unterstützt.

Immerhin zogen dann einige tausend TeilnehmerInnen noch zum Marienplatz und gingen bei der Demo mit.

Nach einer Auftaktkundgebung marschierten 20.000 - 30.000 Leute durch München. Die Stimmung war - auch im Vergleich zum Vorjahr - allerdings nicht besonders kämpferisch. Das lag zum einen am sehr schlechten, nasskalten Wetter. Andererseits verstanden es die VeranstalterInnen auch nicht gut, für mobilisierende Stimmung zu sorgen. Zu viele Reden, zu wenig Animation zu Sprechchören usw.. Sie überließen die TeilnehmerInnen zu sehr "sich selbst". Diese Inkonsequenz drückt auch die politische und organisatorische "Buntheit" der OrganisatorInnen der Aktion aus. So war die Demo mehr eine Aufreihung verschiedener Gruppen und "Blocks" denn ein sich auch gemeinsam nach außen artikulierender Zusammenhang.

Das Münchner Antikriegsbündnis bildete einen kleinen Block mit Losungen gegen Imperialismus und Krieg. An diesem Block nahmen auch GenossInnnen der Gruppe Arbeitermacht, ihrer österreichischen Schwesterorganisation ArbeiterInnenstandpunkt und der Jugendgruppe REVOLUTION teil.

Fazit

Die verschiedenen Aktionen vereinten deutlich mehr TeilnehmerInnen als im letzten Jahr. Es gab eine engere Verbindung mit und eine positivere Resonanz seitens der Bevölkerung. Es war dem Staat und den Medien nicht möglich, wie im letzten Jahr eine massive Kampagne gegen die Kriegsgegner zu entfachen.

Obwohl es gelungen war, einen größeren Widerhall in den Gewerkschaften und eine größere Beteiligung von GewerkschafterInnen an den Aktionen zu erreichen, war auch nicht zu übersehen, dass wir noch weit davon entfernt sind, von einem gemeinsamen Kampf der Arbeiterbewegung und der Linken in Deutschland gegen Kapitalismus und Krieg zu sprechen. - Nicht zuletzt wegen der Sabotage seitens der reformistischen Gewerkschaftsführung und der Ignoranz vieler Linker für dieses Problem. Diese Symbiose wäre aber nicht nur das Unterpfand für einen erfolgreichen Kampf gegen den imperialistischen Krieg, sie wäre zugleich eine Kraft, die den Kapitalismus als System überwinden könnte. Dafür aber reichen Kundgebungen, Demonstrationen und die dazu gebildeten Bündnisse keineswegs aus. Dafür brauchen wir Streiks und Blockaden, dafür brauchen wir Antikriegskomitees: in Schulen, an Unis, in den Stadtteilen, in Betrieben und in den Gewerkschaften. Dafür brauchen wir eine international koordinierte Kampfführung: eine neue revolutionäre Masseninternationale!

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