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Raketenangriff auf Syrien

Trump spielt mit dem Feuer

Internationales Sekretariat der Liga für die Fünfte Internationale, 7. April 2016, Infomail 938, 8. April 2017

Der US-Angriff auf einen syrischen Luftstützpunkt bei Homs hat eine weitere gefährliche und dramatische Eskalation des Konflikts im Land heraufbeschworen. In der Nacht vom 6. auf den 7. April feuerte die US-Marine bis zu 60 Raketen ab und hinterließ große Schäden an der Luftbasis.

Präsident Trumps Befehl zum Angriff hat viele überrascht und Besorgnis über zukünftige Folgen erregt. Jahrelang ist Trump gegen Obamas Engagement in syrischen Bürgerkrieg zu Felde gezogen und polemisierte gegen die Mitbewerberin um das Präsidentenamt Hilary Clinton, weil sie zu direktem Eingreifen aufgerufen hatte. Kürzlich noch erklärte der jetzige US-Präsident, dass der Sturz Assads für ihn kein Ziel mehr sei. Bedeutet nun dieser Raketenanschlag eine völlige politische Kehrtwende, oder ist dies nur ein Fall, an dem der Präsident beweisen will, dass er trotz der jüngsten Misserfolge in der Innenpolitik schnell entschlossen und handlungsfähig sein kann?

Trump hat das syrische Regime bezichtigt, eine „rote Linie“ überschritten, internationales Recht verletzt und in verbrecherischer Manier gehandelt zu haben. Es ist unstrittig, dass das Assad-Regime, seine Unterstützer in Moskau und Teheran dazu bereit waren, jedes auch noch so barbarische Mittel für die eigenen Zwecke zu nutzen. Assad, seine Armee und der syrische Geheimdienst haben die syrische Bevölkerung in ein Blutbad getaucht, haben einen Bürgerkrieg angezettelt, der Hunderttausende Todesopfer auf dem Gewissen gefordert und Millionen von ihrem Wohnsitz vertrieben hat. Sie mussten als Flüchtlinge im eigenen Land umherziehen oder ins Ausland fliehen. Es ist auch sehr wahrscheinlich, dass Assad und seine Luftwaffe für den Angriff mit chemischen Kampfstoffen in Chan Scheichun verantwortlich sind. Es bleibt aber die Frage, warum sie mit derart unmenschlichen Mitteln vorgegangen sind, denn die Waage im Bürgerkrieg hatte sich gerade in den letzten Monaten stark zu ihren Gunsten geneigt. Außerdem schienen die USA eingelenkt und den Verbleib von Assad an der Macht nicht mehr in Frage gestellt zu haben. Es könnte jedoch sein, dass das syrische Regime oder auch die iranischen Verbündeten ein Abkommen zwischen den USA und Russland zur Befriedung des Landes auf ihre Kosten gefürchtet haben. Die nächsten Tage und Wochen werden über diese Beweggründe sicher näheren Aufschluss geben.

Zynismus

Klar jedoch ist, dass Trumps Entschluss, den syrischen Luftstützpunkt zu bombardieren, keiner „humanitären Besorgnis“ entsprungen ist. Wenn seine Sorge der Verhinderung weiteren Blutvergießens unschuldiger Menschen gegolten hätte, warum hat er dann keinerlei Anstalten gemacht, ähnlich barbarische Akte gegen die Bevölkerung des Jemen durch saudi-arabische Truppen zu ahnden?

Was auch immer die strategischen Überlegungen dabei gewesen sein mögen, das Bombardement geschah in der unzweideutigen Absicht, Trumps Präsidentschaft als mächtige und entschlossene Kraft innen- wie außenpolitisch darzustellen.

Trump brachte mit seinem Angriffsbefehl das gesamte politische Establishment der USA aus beiden bürgerlichen Parteilagern hinter sich. Nach einer Reihe von Misserfolgen und schwindenden Popularitätswerten kann Trump nun die Trumpfkarte der „nationalen Einheit“ ausspielen.

Dem Beispiel des US-Kongresses folgten alle NATO-Alliierten in Europa eilends mit ihrer Einverständniserklärung über den „wohl abgewogenen“ Vorstoß der USA. Nicht nur die britische Premierministerin May und der israelische Regierungschef Netanjahu zollten der raschen Reaktion Beifall, auch Merkel und Hollande bekundeten übereinstimmend ihr „Verständnis“ für den Angriff.

Zum anderen ist dieser Luftschlag eine unmissverständliche Warnung an den Iran und Russland. Der Befehl wurde wohl auch nicht zufällig gerade während des Besuchs des chinesischen Präsidenten Xi Jinping in Trumps Ferienhaus erteilt und ist als Rüffel Pekings zu werten, Nordkoreas wirtschaftlicher, militärischer und diplomatischer Hauptstütze. Wenn, wie berichtet, Russland schon vorher warnend über den Luftangriff unterrichtet worden war – was bedeuten müsste, dass auch Syrien davon Bescheid wusste – war dies dennoch eine Demonstration für die russische Regierung, dass die USA bereit sind, auch in ihre Einflusssphäre zu intervenieren ohne große Rücksicht auf längerfristige Folgen.

Es bleibt jedoch unklar, ob und inwiefern der Angriff einen strategischen Umschwung in der US-Politik in Bezug auf Syrien und gegenüber Russland bedeutet. Es könnte auch sein, dass Trump diese Machtdemonstration nun nutzt, um „nur“ eine bessere Verhandlungsposition für die USA in Syrien und bei der Neuordnung des Nahen Ostens zu erlangen.

Klar hingegen ist, dass er – und insoweit setzt er seine bisherige Politik fort – bereit ist, drastische Maßnahmen zu ergreifen, schnelle Kurswechsel und Reaktionen zu vollziehen, um taktische und politische Vorteile aus dieser Anwendung der „Amerika zuerst“-Politik zu ziehen.

Instabilität

Unter Trumps Präsidentschaft ist der US-Imperialismus nicht nur eine Macht geworden, die ihre globale Vorherrschaft unterstreichen will, sondern auch ein weniger berechenbarer Faktor, der schnell seine Politik ändern und überfallartige Offensiven und Wendungen vollführen kann. Dies will Trump als Zeichen von Stärke präsentiert wissen, doch in Wahrheit ist es nur ein Anzeichen von Schwäche und mangelhaft durchdachter Strategie.

Oberflächliche KommentatorInnen sehen diese Politik als Konsequenz seiner Persönlichkeit, einer „falschen Präsidentschaftswahl“. Sie ist aber vielmehr ein Spiegelbild der wachsenden Instabilität und des sich zuspitzenden Kampfs um die Neuaufteilung der Welt.

Der Schlag gegen den syrischen Luftstützpunkt scheint wohlüberlegt zu sein, um Assad und Putin einzuschüchtern, damit sie vermehrten Einfluss der USA am Verhandlungstisch über die Zukunft des Landes anerkennen, und auch dazu bestimmt, China dazu zu bringen, Nordkorea zur Unterwerfung zu veranlassen. Doch es ist ein Spiel mit dem Feuer. Was als „begrenzte“ Operation gedacht war, könnte zu einem verschärften Konflikt nicht nur mit dem syrischen Regime, sondern auch mit seinen Helfern in Moskau, Teheran oder gar mit Peking führen.

In Syrien besteht kein Grund, den Überfall der USA zu begrüßen. Die FührerInnen der syrischen Opposition wären bestenfalls leichtgläubig, würden sie die Luftschläge befürworten. Einige von ihnen dürften allerdings kaum mehr als verzweifelte US-Marionetten sein. Ein stärkeres „Engagement“ der USA würde der syrischen Bevölkerung nicht helfen, und erst recht nicht den demokratischen Kräften und der kurdischen nationalen Minderheit. Dies würde stattdessen Syrien in Zukunft nur noch stärker den Kämpfen zwischen den imperialistischen und reaktionären, regionalen Mächten ausliefern. Schlimmstenfalls könnte sich der Stellvertreterkrieg sogar in einen weltumspannenden Zusammenstoß zwischen Großmächten ausweiten.

Deshalb müssen RevolutionärInnen die Luftangriffe verurteilen, genauso wie sie alle Rufe nach imperialistischer Intervention verurteilen müssen, ob sie „einseitig“ oder über die UNO erfolgen. RevolutionärInnen müssen vielmehr den sofortigen Abzug aller imperialistischen Truppen und Regionalmächte aus dem Land und der ganzen Region fordern, d. h. weder Verbände der USA, Russlands, Westeuropas, des Irans, der Golfstaaten noch die der Türkei oder ihrer StellvertreterInnen dürfen dort bleiben. Es muss zu humanitärer Soforthilfe für die syrische Bevölkerung aufgerufen werden, die von den Großmächten bezahlt werden soll. Die Grenzen nicht nur der Anrainerstaaten, sondern auch der Europäischen Union müssen für die Millionen Flüchtlinge geöffnet werden.

Die syrischen ArbeiterInnen, Bauern und Bäuerinnen sowie die nationalen Minderheiten wie die KurdInnen müssen Assad und die erzreaktionären Kräfte wie den Islamischen Staat zur Rechenschaft ziehen – nicht Imperialisten wie Putin oder Trump.

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