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Türkei Solidarität mit der HDP – sofortige Freilassung aller politischen Gefangenen! Svenja Spunk, Infomail 913, 6. November 2016 Unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung ließ die türkische AKP-Regierung in der Nacht auf den 4. November 14 Abgeordnete der prokurdischen Oppositionspartei HDP verhaften, darunter beide Co-Vorsitzende. Eine solche großangelegte Maßnahme wurde bereits erwartet, nur das genaue Datum war noch nicht klar. Vor einigen Wochen schon wurde die Co-Vorsitzende Figen Yüksekdag mit einem Ausreiseverbot belegt. Diese Verhaftungswelle war nur möglich, weil die Aufhebung der Immunität zahlreicher Abgeordneter der HDP im Mai 2016 durch eine Abstimmung im Parlament genehmigt wurde. Der Verhaftung der Abgeordneten ging die Entlassung dutzender gewählter BürgermeisterInnen vor allem in den kurdischen Gebieten voran, die durch regierungstreue Statthalter aus Ankara ersetzt wurden. Allen wird die Zusammenarbeit mit und Mitgliedschaft in der PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) vorgeworfen. Gegen den HDP Co-Vorsitzenden Selahattin Demirtas laufen insgesamt 102 Verfahren, die bei einer Verurteilung zu zweimal lebenslänglich plus 600 Jahren Haft führen würden. Gegen alle HDP-Abgeordneten zusammen laufen 550 Verfahren. Ausnahmezustand Die Verlängerung des Ausnahmezustandes nach dem gescheiterten Putschversuch vom 15. Juli gibt Präsident Erdogan die Möglichkeit, auch ohne die Einführung des Präsidialsystems seinen Machtbereich massiv auszuweiten und einen „Gegenputsch“ durchzuziehen. Auch da die HDP schon zu Beginn ihrer Wahlkampagne 2015 deutlich machte, dass sie keine Einführung des Präsidialsystems unterstützen werde, wird sie als gefährlichste Oppositionspartei eingeschätzt. Da sie sich deutlich gegen den stärker werdenden Islamismus in der Türkei und für die Solidarität mit der syrisch-kurdischen PYD in Rojava einsetzte, nahm die AKP dies zum Vorwand, sie als politischen Arm der PKK zu deklarieren und ihr den Kampf anzusagen. Seit August 2015 richtete das türkische Militär zahlreiche Massaker und großflächige Zerstörungen in den kurdischen Gebieten des Landes an, auf welche die HDP-Abgeordneten mit Aufrufen zu Frieden und Verhandlungen reagierten. Da die Regierung nun mit der für den Putschversuch als verantwortlich bezeichneten Gülen-Bewegung abgerechnet hat, richtet sich die Staatsmacht gegen die linke und kurdische Bewegung. Sie soll ausgeschaltet werden, bevor es zu einem Referendum über das Präsidialsystem kommt, das im April 2017 erwartet wird. Damit setzt sich die Regierung, die von den europäischen Regierungen lange als Demokratiebringer in der Türkei gefeiert wurde, über den Willen von 6 Millionen WählerInnen einfach so hinweg. Der Wahlsieg der HDP im Juni 2015 war ein Hoffnungsschimmer für viele Jugendliche, Frauen und Angehörige unterdrückter Minderheiten. Diese Hoffnung ist versiegt, die politische Lage ist geprägt von Verzweiflung, Angst vor Diktatur und Faschismus und politischer Ratlosigkeit. Heuchelei der Imperialisten Die deutsche Regierung, die EU, die USA und andere zeigen sich zwar besorgt, Präsident Gauck kritisiert gar öffentliche Erdogan. Abe das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie seit Jahren die AKP-Regierung unterstützen und hofieren. Es darf erst recht nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie alle türkischen Regierungen im Kampf gegen die kurdische Bevölkerung unterstützt haben, dass die PKK und andere kurdische und linke Organisationen aus der Türkei bis heute auf den „Terrorlisten“ der EU und der BRD zu finden sind, dass weiter in die Türkei abgeschoben wird. Die deutsche Bundesregierung reagiert repressiv, in dem sie die Aussicht auf Visafreiheit für TürkInnen zurücknimmt – also eine Maßnahme androht, die nicht die türkische Regierung oder das Kapital, sondern die ArbeiterInnenklasse, Jugendliche, ärmere Bevölkerungsschichten trifft, für die schon heute keine Reisefreiheit existiert. Mit der Wiedereinführung der Todesstrafe durch die Türkei stehen wohl auch die Verhandlungen mit der EU vor einem Ende – doch mit einem raschen Beitritt rechnet ohnehin niemand. So verbleibt die „Kritik“ der EU und der deutschen Regierung bei verbaler Kosmetik. Wichtiger als die „Demokratie“ in der Türkei, die Linke oder die kurdische Bevölkerung ist allemal, dass die Festung Europa weiter abgeschottet wird und dass die Geschäftsinteressen des deutschen Imperialismus nicht beschädigt werden. Wer sich auf die EU verlassen will, der ist verlassen und deshalb liegt es an der Linken in Europa, sich praktisch mit der HDP zu solidarisieren! In vielen Städten finden täglich Kundgebungen und Demonstrationen statt. Wir rufen dazu auf, sich zahlreich daran zu beteiligen, denn auch das Demonstrationsrecht in der Türkei ist praktisch abgeschafft. Über die Verbrechen, die geschehen, müssen wir berichten, denn die türkische Presse wurde bereits gleichgeschaltet und wiederholt nur die Phrasen der Regierung. Es liegt an uns, Druck aufzubauen gegen die Bundesregierung und ihre Kooperation mit dem AKP-Regime. Für bundesweite Veranstaltungs- und Aktionshinweise https://www.facebook.com/hdkberlin https://www.facebook.com/Kurdische-Nachrichten-N%C3%BB%C3%A7e-News-247628692113244/?fref=ts |
Nr. 215, Dez. 16/Jan. 17
Nr. 214, November 2016
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