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Linksparteispitze

Göring-Eckardts Freunde

Georg Ismael, Infomail 756, 10. Juni 2014

Als eine der wenigen ParlamentarierInnen im Deutschen Bundestag hat die Linkspartei-Abgeordnete Sevim Dagdelen die Kriegstreiberei der Grünen Partei und der Regierungsfraktionen scharf denunziert. Sie sorgte damit zugleich für eine der wenigen positiv hervorzuhebenden parlamentarischen Interventionen ihrer Partei. Als die Vorsitzende der Grünen, Göring-Eckardt, wieder einmal die Faschisten in der Ukraine verharmloste und die Bundesregierung rechts zu überholen versuchte, hat Sevim Dagdelem folgendermaßen interveniert:

„Frau Kollegin Göring-Eckardt, ihre Rede gerade erinnerte mich an den großen Dichter und Denker Bertolt Brecht, der einmal treffend formuliert hat: Wir die Wahrheit nicht weiß, ist bloß ein Dummkopf. Aber wer sie weiß und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher.“ (der gesamte Beitrag findet sich auf der Facebook-Seite von Sevim Dagdelen und auf www.sevimdagdelen.de)

Sevim Dagdelen war eine der Ersten, die nach dem Massaker in Odessa gemeinsam mit etlichen linken Organisationen - auf Initiative der Neuen antikapitalistischen Organisation (NaO) hin - in Berlin auf die Straße ging. Im Bundestag haben sie und der LINKEN-Abgeordnete Andrej Hunko Klartext geredet. Dafür unser Dank an die beiden! Ein solches Dankeschön - und v.a. konkrete Unterstützung - dafür sollten alle KriegsgegnerInnen von der gesamten Linken, v.a. auch von der Linkspartei selbst erwarten.

Parteispitze ergreift Partei

Doch weit gefehlt! Anstatt Dagdelen u.a. gegen die unvermeidlichen Lügen, Vorwürfe, Unterstellungen der Regierungsparteien und der Grünen, also der Parteigänger der imperialistischen Intervention in der Ukraine in Schutz zu nehmen, veröffentlichten Riexinger, Gysi und Kipping, also die beiden Vorsitzenden und der Vorsitzende der Parlamentsfraktion sofort eine Pressemitteilung, in der sie Göring-Eckardt (!) gegen Dagdelen in Schutz nahmen. Diese „dürfe“ zwar Kritik üben - aber keinesfalls eine, die Frau Göring-Eckardt als das benennt, was sie ist.

“Eine solche Kritik rechtfertigt aber keinesfalls, der Abgeordneten Göring-Eckardt ein Verbrechen zu unterstellen, sie damit als Verbrecherin darzustellen. Von dieser Äußerung unserer Abgeordneten Sevim Dagdelen distanzieren wir uns.”

Wer die Unterstützer eines imperialistischen Verbrechens partout nicht auch als Verbrecher bezeichnen will, der distanziert sich implizit auch von der Kritik an der Intervention selbst.

Eine solche Kritik beinhaltet nämlich auch die Rolle der deutschen Regierung aus SPD und CDU, als auch ihrer Unterstützerin, der Grünen Partei, offenzulegen. Dagdelen hat Recht, wenn sie sagt, dass die Verleumdungen und die falsche Berichterstattung der deutschen Medien und PolitikerInnen über den Charakter der Kiewer Regierung und ihrer reaktionären Politik ein politisches Verbrechen sind. Sie hat damit genauso Recht, wie alle Sozialisten und Sozialistinnen in Deutschland die Pflicht haben, dies so klar zu sagen, weil der „Hauptfeind“ nicht in der Ostukraine, nicht auf der Krim, nicht in Russland, den USA oder sonstwo steht - er steht im eigenen Land: in Deutschland!

Krieg in der Ukraine

Die Wahrheit, welche die Regierung, Göring-Eckardt u.a. verschweigen wollen, ist einfach folgende:

Es herrscht Krieg in der Ukraine. Nachdem der ehemalige Ministerpräsident und Oligarch Viktor Janukowitsch am 22. Januar durch die Maidan-Bewegung gestürzt wurde, kam eine Regierung aus reaktionären NationalistInnen und FaschistInnen zustande. Seitdem entwickelt sich ein Krieg gegen die eigene  Bevölkerung, insbesondere in der Ost- und Südukraine. Die Krim wurde von russischen Soldaten besetzt und ihr Übertritt zu Russland durch ein Referendum besiegelt. Gleichzeitig rückt die ukrainische Armee, zusammen mit der neu gegründeten Nationalgarde, deren Kern von den Faschisten des „Rechten Sektor“ gestellt wird, weiter vor. Es wurde ein Massaker in Odessa durch die ukrainischen NationalistInnen und FaschistInnen verübt, während gleichzeitig im Westen der Ukraine die Büros der Kommunistischen Partei der Ukraine sowie jene der sozialistischen Organisation Borotba gestürmt und verwüstet wurden.

Im Krieg der Kiewer Regierung ist die deutsche Regierung kein Außenstehender. Sie mischt mit, weil die Regierung und die Faschisten das Land in ihrem Interesse befrieden und zugleich den russischen Einfluss im imperialistischer Machtkampf zwischen Russland, den USA und der EU zurückdrängen soll. Der neugewählte Präsident und fünftreichste Mann der Ukraine, Petro Poroschenko, machte nach seinem Amtsantritt klar, auf wessen Seite er steht, als er die Verschärfung des Krieges in der Ostukraine ankündigte und seine Absicht unterstrich, das Assoziierungsabkommen mit der EU zu unterzeichnen. Dieses Abkommen, das der Ukraine keine Demokratie bringen wird, sondern steigende Gas- und Lebensmittelpreise, die voraussichtliche Zerstörung der ostukrainischen Industrie, als auch die Ukraine unter den Einfluss der EU bringen wird, liegt nicht im Interesse der ukrainischen Bevölkerung. Es befriedigt einzig und allein die Interessen des europäischen und des US-Kapitals. Und dafür ist es der deutschen Regierung recht, mit allen Mitteln zu kämpfen - auch gemeinsam mit der ersten Ukrainischen Regierung mit Faschisten nach 1945.

Solidarität mit den AntifaschistInnen und der Linken in der Ukraine zu organisieren, ist auch von der Linkspartei gefordert. GenossInnen wie Sevim Dagdelen und Andrej Hunko stehen für eine solche Politik.

Unverdrossen nach rechts

Doch für die FührerInnen der Linkspartei, vom rechten Flügel um Gysi und Kipping, bis hin zu den bis vor kurzen gefeierten Gewerkschafts- und Bewegungslinken Riexinger, haben Internationalismus, Antiimperialismus und Antifaschismus offenbar wenig Bedeutung, wenn sie künftiges Mitregieren und potentielle Regierungspartner verprellen. Sie sind für sie und ihren Kurs auf Rot-Rot-Grün ein Hindernis - ebenso wie „unliebsame“ Abgeordnete, die die Wahrheit sagen. Und so fielen sie Dagdelen nach der Bundestagsdebatte folgerichtig in den Rücken.

Wie schon in der EU-Frage, wie in der Frage deutscher Fregatten im Mittelmeer (wo fünf Abgeordnete für Militäreinsätze stimmten), hat DIE LINKE ein weiteres Mal gezeigt, wo sie hin will. Sie will auch noch das Letzte über Bord werfen, auf das sich die Linken in der Partei bezogen, nachdem die LINKE in sozialen und politischen Fragen an den Landesregierungen bereits eingeknickt ist: ihre Ablehnung von Krieg und Militärinterventionen. Denn das ist das für Gysi und Co. (wie auch für die offen bürgerlichen Parteien) das Haupthindernis dafür, dass die LINKE auch im Bund mitregiert.

Die Partei- und Fraktionsspitze bereitet so gerade in jenem Jahr, da sich der Beginn des Ersten Weltkriegs zum 100. Mal jährt, anscheinend ihren ganz persönlichen 4. August vor. Sicher: die Linkspartei als solche war immer schon eine Partei der Reform des Kapitalismus und nicht eine Kraft, um dessen Sturz voran zu treiben. Die Mehrheit der Parteiführung stand schon immer fest auf dem Boden des bürgerlichen Systems, bevor die Linkspartei überhaupt gegründet wurde. Die Angriffe auf Dagdelen zeigen freilich auch, wie weit die Parteiführung dabei zu gehen bereit ist, auch noch die letzten Hindernisse für Rot-Rot-Grün aus dem Weg zu räumen.

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