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Koalitionsvereinbarung zum Mindestlohn

Ein Flop als Alibi

Hannes Hohn, Infomail 718, 11. Dezember 2013

Die SPD hatte die Einführung eines generellen Mindestlohnes in Deutschland zum zentralen Wahlkampfthema und zum entscheidenden Prüfstein für ihre Teilnahme an einer Großen Koalition gemacht. So unterstützenswert ein ausreichender Mindestlohn auch ist - so, wie ihn sich die SPD vorstellt, dient er ihr immer nur als Alibi.

Zum einen betrifft der Mindestlohn nur einen Teil der Lohnabhängigen. Das wäre auch nicht weiter relevant, wenn die SPD auch für andere Teile der Lohnabhängigen, v.a. auch für Hartz IV-EmpfängerInnen entsprechende Verbesserungen fordern würde. Das aber ist gerade nicht der Fall. Weder tritt sie für die Abschaffung oder die „Reformierung“ der Agenda-Gesetze ein, noch trat sie in den Tarifrunden für bessere Abschlüsse ein. Im Gegenteil: Ihren nach wie vor sehr starken Einfluss auf die Gewerkschaftsapparate nutzte sie nur dafür, deren jahrelange Lohndumping-Politik fortzuführen. Die Mindestlohn-Forderung soll so auch von der Inaktivität in anderen Bereichen ablenken.

Armutslohn

Auch die geforderte Höhe des Mindestlohns von 8,50 Euro zeigt, dass es der SPD überhaupt nicht darum geht, die von ihr selbst einst forcierte Ausweitung prekärer Beschäftigung wieder zu begrenzen. 8,50 Euro sind nichts anderes als ein Armutslohn. Und nicht nur das: dieser Minilohn kann zugleich auch bewirken, untere Lohngruppen noch auf dieses Niveau abzusenken. Erste konkrete Entwicklungen in dieser Richtung gibt es bereits, z.B. im Einzelhandel. Deshalb fordert z.B. die „Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken“ (IVG) völlig zurecht derzeit einen Mindestlohn von 12 Euro.

Die wesentliche Frage ist allerdings nicht die Höhe des Mindestlohns, sondern inwieweit die Klasse und ihre Organisationen dafür wirklich kämpfen und Druck ausüben. Dafür hat die SPD nichts, aber auch gar nichts getan! Sie war noch nicht einmal bereit, vor der Wahl oder parallel zu den Koalitionsverhandlungen Aktionen zu initiieren, um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen.

Für die Gewerkschaftsführungen bedeutet der „Erfolg“ im Koalitionsvertrag auch, dass nun nichts mehr getan werden muss, außer zu warten und Kommissionen zu besetzen. Die Partei DIE LINKE kritisiert zwar, dass etliche Schwächen – außer parlamentarischen Initiativen gegenüber SPD und Grünen hat sie aber auch keinen „Aktionsplan“ vorzuweisen.

Dabei sind die im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Einschränkungen und Ausnahmen bei der Umsetzung des Mindestlohns so groß, dass von der zum Elefanten aufgeblasenen Mindestlohn-Forderung kaum mehr als eine Mücke übrigbleibt. So wurden u.a. vereinbart, dass

er erst 2015 in voller Höhe von 8,50 Euro eingeführt wird;

bis 2017 noch etliche Ausnahmen gelten;

der Mindestlohn u.a. nicht für Auszubildende und PraktikantInnen gilt;

bereits wirksame Flächentarifverträge bis Ende 2016 weiter gelten, auch wenn sie unter 8,50 Euro liegen.

So gilt der Mindestlohn praktisch erst ab 2017 und unterliegt - wie alle Projekte der Großen Koalition - zudem noch einem Finanzierungsvorbehalt. Die Verzögerung der Einführung bedeutet auch, dass bis dahin schon ein Teil des Mindestlohnes von der Inflation aufgefressen sein wird.

Der Sinn eines Gesetzes über den Mindestlohn besteht u.a. darin, dass er davor schützen soll, von einzelnen Unternehmern oder Brachen unterlaufen zu werden. Auch das wurde von der SPD über Bord geworfen. Die Höhe des Mindestlohns soll künftig nämlich regelmäßig von einer siebenköpfigen Kommission der Tarifpartner festgelegt werden, deren Mitglieder von den Verbänden der Arbeit“geber“ und Gewerkschaften benannt werden. Dabei soll noch externer „wissenschaftlicher Sachverstand“ hinzugezogen werden. Im Klartext heißt das: Kapital und Gewerkschaftsbürokratie können - unter Zuhilfenahme neoliberaler „Experten“ - den Mindestlohn jederzeit drücken, d.h. dessen Erhöhung bzw. den Inflationsausgleich verhindern. Das ist geradezu ein Kontrastprogramm zu den Bedürfnissen der Arbeiterklasse und v.a. ihrer sozial besonders schlecht gestellten Teile. Ein Mindestlohn hilft ihnen natürlich nur dann, wenn er regelmäßig an die Inflationshöhe angepasst wird. Dazu müssten demokratisch gewählte Organe der Klasse, z.B. Preiskontrollkomitees diese feststellen und Mindesthöhen für Löhne und Sozialeinkommen festlegen. Doch von solcherart „Einmischung“ der Klasse will die SPD natürlich nichts wissen - würde das doch ihre Kungelei mit Kapital und Staat stören.

Davon, dass er seinen Zweck erfüllt, das Abrutschen der Niedriglohnbereiche in die Armut zu stoppen und ein einigermaßen akzeptables Auskommen zu sichern, kann keine Rede sein. Das Getöse der SPD über die Notwendigkeit des Mindestlohns widerspricht komplett der Inkonsequenz ihrer Einführung. Dabei ist der SPD-Führung selbst aber durchaus bewusst, dass ihr erneuter Kniefall vor dem Kapital und seiner Hauptpartei CDU zu ernsten Problemen in der eigenen Partei führen kann, wie die von der Spitze organisierte Urabstimmung der SPD-Basis zeigt.

An diese Probleme, an diese Unzufriedenheit muss nun angeknüpft werden! Es ist notwendig, eine energische Kampagne für einen Mindestlohn zu führen, der seinen Namen auch wirklich verdient. Die Linke, aktive GewerkschafterInnen und kritische Geister in der SPD müssen das Thema „Mindestlohn“ erneut aufrollen, eigene Forderungen aufstellen und in Betrieben, Gewerkschaften und sozialen Bewegungen dafür mobilisieren. Insbesondere müssen die Linkspartei und die Apparate der Gewerkschaften aufgefordert werden, für einen anderen, besseren Mindestlohn zu kämpfen.

Als Losungen schlagen wir dazu u.a. vor:

Für einen Mindestlohn von 12 Euro (netto)!

Keine Ausnahmen! Kein Aufschub!

Für betriebliche und gewerkschaftliche Versammlungen zur Mindestlohnfrage!

Für die Einberufung einer bundesweiten Aktions-Konferenz, die Forderungen und einen Mobilisierungsplan festlegt!

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