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Revolutionärer Erster Mai in Berlin

Ein politischer Erfolg

Martin Suchanek, Infomail 680, 4. Mai 2013

20.000 Anti-KapitalistInnen demonstrierten am 1. Mai durch Berlin. Anders als in den letzten Jahren wurde die Manifestation diesmal nicht vorzeitig von den Bullen aufgelöst, sondern die Route konnte bis zur Abschlusskundgebung in der Straße Unter den Linden im Stadtzentrum durchgesetzt werden.

Damit stellte die Berliner „Revolutionäre Erste Mai-Demo“ unter dem Motto „Einzige Lösung: Revolution; Tek Yol Devrim; one solution - revolution!“ die Latschdemo des DGB, zu der sich maximal 10.000 eingefunden hatten, erneut nicht nur zahlenmäßig in den Schatten.

Breite Beteiligung

Mehrere miteinander verbundene Faktoren trugen zum diesjährigen politischen Erfolg bei:

a) Die Krise und die politischen Verwerfungen in Europa stellten einen zentralen Bezugspunkt für die Demonstration dar. Das war nicht zuletzt daran erkennbar, dass GewerkschafterInnen u.a. AktivistInnen aus Griechenland die ersten Reihen bildeten. Selbst in den bürgerlich-liberalen Medien wurde die Demonstration vor dem Ersten Mai immer wieder in Verbindung mit Krise und Klassenkampf in Südeuropa, Protesten gegen Gentrifizierung und Rassismus genannt - anstatt wie so oft die „Randale“ ins Zentrum der „Berichterstattung“ zu rücken.

b) Überhaupt war die Mobilisierung im besten Sinn des Wortes „breit“ aufgestellt und hat zumindest tw. den Charakter einer Szene-Demo überwunden. Neben den GenossInnen aus Griechenland bildeten Gruppen aus dem NAO-Prozess - darunter Arbeitermacht und REVOLUTION wie auch die SIB - gemeinsam mit Gruppen wie ARAB, türkischen und kurdischen Organisationen die Demospitze vor dem Bündniswagen. Die weiteren Blöcke der Demo verdeutlichten, wer noch zur Aktion mobilisiert hatte: der Klassenkämpferische Block, die Gewerkschaftsjugend, der anti-rassistische Block (an dem die Flüchtlinge aus dem Camp am Oranienplatz beteiligt waren), der stadtpolitische Block mit den Mieterinitiativen und Blockupy.

c) Die Spitze der Demonstration war insgesamt besser organisiert als im letzten Jahr. Wir sind stolz darauf, gemeinsam mit den GenossInnen von REVOLUTION u.a. Gruppen  unseren Beitrag dazu geleistet zu haben.

Natürlich hätten die Bullen auch dieses Jahr die Demonstration unter irgendeinem Vorwand frühzeitig stoppen und angreifen können. Unserer Einschätzung nach haben jedoch die politische Ausrichtung, die bessere Organisierung und die hohe Disziplin der Demonstration mit dem klaren Fokus, die Ablehnung der Politik der EU und des deutschen Imperialismus, von Krieg und Kapitalismus ins Zentrum der Stadt tragen, dazu beigetragen, dass die Demonstration durchgesetzt werden konnte.

Wir sollten daher dieses Erfolgsrezept beibehalten und im nächsten Jahr noch konsequenter umsetzen.

Daran ändert auch das Gejammer aus dem anarchistischen Milieu nichts, das die „mangelnde Militanz“ der Demonstration beklagt, weil sich die Masse der Demonstration ihrem improvisierten „Schwarzen Block“ nicht anschloss. In Wirklichkeit zeigt sich, dass für die AnarchistInnen „Militanz“ zu einem Selbstzweck verkommen ist. Das reflektiert eine im Kern unpolitische und individualistische Ideologie, welche die Selbstentäußerung von Kleingruppen über den politischen Zweck einer Massendemonstration stellt.

Dass sich Innensenator Henkel und Polizeipräsident Kandt den „friedlichen 1. Mai“ als ihr Verdienst anrechnen, mag diesen Gruppierungen als „Argument“ erscheinen. Es muss aber klar zurückgewiesen werden.

Natürlich spielten auch für den Senat und die Polizeiführung politische Überlegungen eine zentrale Rolle dafür, warum die Demonstration nicht vorzeitig gestoppt wurde. Zweifellos gehören die zahlreichen Skandale wie das BER-Desaster, das ja auch die Unfähigkeit des Senats in den Augen der herrschenden Klasse verdeutlicht, mit dazu. Aber es war auch die politische und mediale Vorbereitung der Demonstration wie die deutlich bessere Organisation, die den politischen Preis eines Auseinandertreibens der Manifestation für Polizei und Senat nach oben trieben.

Bei all dem darf auch bei einer Bilanz des Ersten Mai nicht vergessen werden, wie „friedlich“ die Cops im Ernstfall sind. Das zeigte sich am Vormittag, als tausende Bullen einigen hundert Nazis gegen den Widerstand von 3-4.000 GegendemonstrantInnen die Straße frei prügelten.

Wie sehr Bullen und Gerichte das „Demonstrationsrecht“ schätzen, zeigt sich auch darin, dass trotz des politischen Erfolgs die ursprünglich beabsichtigte Route nicht gelaufen werden konnte. So durfte die Demonstration „Reizobjekte“ (O-Ton des Auflagenbescheids der Versammlungsbehörde“) wie das Springer-Hochhaus nur an einer Seite, die Arbeitsagentur in der Kochstraße gar nicht passieren. Welch Zeichen der Demokratie! Die Versammlungsbehörde gibt so selbst ungewollt zu, was von solchen Segnungen wie dem „Jobcenter“ u.a.  „Serviceeinrichtungen“ der Bundesagentur für Arbeit zu halten ist.

Selbstredend durfte auch die Abschlusskundgebung vor der EU-Botschaft am Pariser Platz nicht stattfinden, sondern musste einige hundert Meter entfernt durchgeführt werden. Schließlich ist die Freiheit im demokratischen Rechtsstaat ja nicht grenzenlos und begrenzt ist auch die „Bürgernähe“ der EU-Institutionen.

Schließlich ging es auch am Ende der Demonstration nicht ohne die üblichen Schikanen ab, als die Polizei zahlreiche Abzugswege von der Demo absperrte, was jedoch Tausende mit spontanen und lautstarken Demozügen - so z.B. bei einem zum Alexanderplatz - beantworteten, um so gemeinsam und sicher weg zu kommen.

Vom politischen Erfolg zur politischen Organisierung

In jedem Fall sollten wir uns den Erfolg des diesjährigen Berliner Ersten Mai nicht klein reden lassen - weder durch Medien, Bullen noch durch falsches Räsonieren. Doch auch die „revolutionärste“ Demonstration am 1. Mai bleibt letztlich nur ein symbolischer Akt, ein kollektiver Sammlungspunkt unserer Kräfte. Dass allein 20.000 GenossInnen, darunter sehr viele Jugendliche, bereit sind, an dieser Demonstration teilzunehmen, zeigt, dass es ein weit über die existierende, „radikale“ Linke hinaus gehendes Potential für den Aufbau eine schlagkräftigen, handlungsfähigen politischen Organisation als Alternative zur reformistischen und bürokratischen Routine der Gewerkschaftsführungen, der SPD, aber auch der Linkspartei gibt.

Die internationalistische Ausrichtung und Beteiligung zeigt zudem, dass das kein „nationales“, auf die BRD beschränktes Projekt sein kann oder darf. So wie die Krise des Kapitalismus und der EU eine internationale ist - so muss eine neue, revolutionäre Organisation von Beginn an als eine internationale aufgebaut werden. Das am Ersten Mai - wieder einmal - sichtbar gewordene Potential Realität werden zu lassen, das ist die Aufgabe der nächsten Monate und Jahre, das ist die Aufgabe, der wir uns stellen und an der wir uns messen lassen müssen.

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