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Gewerkschaftsdemo in Britannien

150.000 demonstrieren - und stimmten für Generalstreik

Dave Stockton, Infomail 651, 30. Oktober 2012

Die Demonstration und die Abschlusskundgebung am 20. Oktober im Londoner Hyde Park waren insofern etwas besonderes, als etliche Gewerkschaftsführer sich bei ihren Reden auf den Aufruf des Dachverbandes TUC bezogen, die Möglichkeit eines Generalstreiks zu „überprüfen“.

Bemerkenswert war auch, dass die bürgerlichen Medien - die BBC und die sogenannte „seriöse“ Presse - diese Tatsachen verschwiegen. Tatsächlich haben sie kaum über die Ereignisse des Tages berichtet. Der Grund dafür, weshalb sie die Öffentlichkeit lieber im Dunkeln ließen, statt viel Aufhebens darum zu machen, ist einfach: eine große Masse zeigte ihrer Zustimmung zu einem Generalstreik, indem Sie am Ende der Demonstration ihre Stimme und Hände für eine solche Aktion erhoben.

Mindestens 150.000 demonstrierten durch London und weitere 10.000 nahmen in Glasgow und Belfast an Aufmärschen teil. Die Süd-Londoner Anti-Kürzungs-Kampagne führte eine beachtliche Zubringerdemo an, StudentInnen organisierten auch eine von der Universität London nach Embankment.

Am Ende der Demo haben mutige AktivistInnen des Bündnisses „Disabled People against Cuts (Schwerbehinderte gegen Kürzungen) die Straße zu Marble Arch besetzt und damit den Zugang zu den Luxushotels und Wohnungen von Park Lane blockiert. Die Kampagne „UK Uncut“ u.a. junge Menschen nutzten die Gelegenheit, um einige Ladenketten in der Oxford Street - z.B. Top Shop, Boots, Starbucks -, die für ihre Steuerbetrügereien bekannt sind, zu entlarven und besetzen.

Ingesamt waren sicherlich weniger auf Straße als am 26. März, der letzten TUC-Demo, als eine halbe Million demonstrierte, oder am 30. November des letzten Jahres, als im ganzen Land, in jeder Gemeinde und Stadt der öffentliche Sektor einen eintägigen „Generalstreik“ durchführte.

Der Rückgang in den Zahlen spiegelt den Verrat der Führungen der größten Gewerkschaften im Kampf gegen die Angriffe auf das Rentensystem wider. Das betrifft sowohl die verfehlte Strategie rein sektoraler „koordinierter“ (will heißen, nicht zusammen geführter) Teilstreiks als auch die willfährige Unterordnung unter die Anti-Gewerkschafts-Gesetze, die politische Streiks verbieten.

Obwohl kleiner, waren die Demonstrationen und Kundgebungen der Beweis für eine härtere und entschlossenere Stimmung unter einer Avantgarde von Zehntausenden von Militanten.

Dies zeigte sich auf der Abschlusskundgebung im Hyde Park in der Rede des Generalsekretärs der fast 3 Millionen Mitglieder zählenden Gewerkschaft Unite, Len McCLuskey.

Die Resolution von Hyde Park

Am Höhepunkt seiner Rede sagte McCluskey: „Es gab beim TUC den Antrag, über einen Generalstreik zu beraten. Wir wurden gefragt, nach der Praktikabilität zu schauen und eine Anhörung zu starten. Nun lasst uns heute mit der Anhörung anfangen: Seid Ihr bereit zu streiken?“ Die ohrenbetäubende Antwort war „Ja“, auch Vuvuzelas wurden geblasen, um Zustimmung zu signalisieren!

„Lasst uns abstimmen“, fügte McCluskey hinzu. Ein riesiger Wald von Händen schoss hoch. „Ich denke, das ist angenommen“, verkündete er und meinte: „Schwester und Brüder, lasst uns den Mut haben aufzustehen wie die Löwen und zu kämpfen, kämpfen, kämpfen für eine bessere Welt!“

Auch der Vorsitzende der RMT (National Union of Rail, Maritime and Transport Workers), Bob Crow, unterstützte McCluskeys Resolution. Er begann mit einer Kritik am Labour-Vorsitzenden Ed Miliband und erklärte: „Es nützt nichts, dass Ed Miliband heute hier ist und sagt, er wäre mit uns. Wir wollen, dass er sagt, dass er auf der Seite der arbeitenden Männer und Frauen steht und dass er sich weigern wird, weiteren Kürzungen zuzustimmen.“

Crow erhielt ein Riesenapplaus, als er noch hinzufügte: „Wie haben schon zweimal demonstriert. Es wird Zeit, dass wir uns nach der Praktikabilität eines Generalstreiks umschauen.“

Der Aufruf zu gemeinsamen Streikaktionen der gesamten Arbeiterklasse wurde auch von Mark Serwotka, dem Generalsekretär der PCS (Public and Commercial Services Union), unterstützt. Er meinte: „Wir befinden uns in einer schlechteren Lage als vor einem Jahr. Wenn demonstrieren sie nicht aufhält“, sagte er, „dann müssen wir dasselbe tun wie in Griechenland, Portugal und Spanien. Wir brauchen eine Streikaktion quer durchs Land. Es reicht nicht, es sich zu wünschen. Wir müssen es zur Wirklichkeit werden lassen. Lasst uns unseren Gewerkschaftsführungen, mich eingeschlossen, sagen, dass die Zeit gekommen ist, dass wir streiken. Und wenn wir gemeinsam streiken, können wir gewinnen.“

Aber die Versammlung machte auch deutlich, dass es keine Einstimmigkeit für einen Generalstreik unter den Bürokraten gab. Während es Jubel von links gab, hörten die Rechten höflich zu oder sie wurden ausgepfiffen.

Dame Prentis, Unison Gereralsekretär, hat in seiner Rede lange Zeit damit verbracht, den Unison-Mitgliedern für ihre zahlreiche Beteiligung an der Demonstration zu gratulieren - es gab in der Tat  ein riesiges Kontingent aus der Gewerkschaft. Aber seine Rede entsprach nicht der Stimmung der Menge, darunter vieleUnison-Mitglieder. Mit Zwischenrufen wurde er gefragt, ob er denn einen Generalstreik unterstützt? Er antwortete kühl, dass Unison beim TUC-Kongress mit ‚Ja’ für die Resolution zur „Überprüfung der Möglichkeiten und Auswirkungen eines Generalstreiks“ gestimmt hätte.

Christine Blower, Generalsekretärin der Lehrergewerkschaft NUT, sagte, dass die Gewerkschaften zusammen streiken sollten - allerdings unter Vorbehalt. Denn es müsse geprüft werden, „wenn die Zeit dafür reif ist und die Durchführbarkeit berücksichtigt werde“. Dies führt effektiv dazu, dass der rechte Flügel die Zeit hat, die er braucht, um den Stimmung abkühlen zu lassen und zu warten, bis die Masse resigniert.

Während der Aufruf zum Generalstreik mit einem zustimmenden „Ja“ Zehntausender quittiert wurde, war die Rede von Labour-Chaf Ed Miliband von Zwischenrufen und Pfiffen begleitet. Die Tatsache, dass er an den Demonstrationen teilgenommen hatte, machte es für ihn nicht besser. Die Massen haben ihn laut ausgepfiffen, als er sagte: „Es wird noch schwere Entscheidungen geben, es ist wichtig, dass wir mit den Menschen auf einem Level stehen.“

Jeder der Anwesenden verstand, was dies bedeutet - eine Labour-Regierung würde weiter Sparmaßnahmen durchführen wie das Einfrieren der Löhne im Öffentlichen Dienst, würde die schrecklichen Verschlechterungen der Tory/Liberalen-Regierung in der Gesundheitspolitik und im Schulwesen nicht revidieren.

Die Buhrufe machten ihn sichtlich nervös, und er erhielt die Aufmerksamkeit erst wieder, als er versprach, den neuen NHS Act, ein Gesetz, das gegen das staatliche Gesundheitswesen gerichtet ist, wieder aufzuheben.

Als der ehemalige TUC-Generalsekretär Brendan Barber nach vorn trat, war die Menge dabei, sich mehr und mehr aufzulösen. Ein Unterstützer von Workers Power unterbrach ihn mit dem Megaphon: „Es ist geht nicht um das, was Du sagst, sondern um das, was sechs Millionen Gewerkschaftsmitglieder zu sagen haben. Lasst uns abstimmen. Vorwärts zum Generalstreik!“

An dieser Stelle versuchte die Polizei für „Ordnung“ zu sorgen, das Megaphon zu konfiszieren und laute Zwischenrufe zu unterbinden, so dass Barber nicht unterbrochen werden könnte. Als die Polizei das versuchte, sammelten sich mehr und mehr DemonstratInnen, um jede Festnahme oder Beschlagnahme des Megafons zu verhindern. Auch das illustriert das Kräfteverhältnis unter den ZuhörerInnen.

Die Rolle der Linken

Mitglieder von Workers Power verteilten Flugblätter mit „JA zu einem Generalstreik“ und es gab eine riesige positive Reaktion in zahlreichen Gewerkschaftskontingenten: bei Unite, RMT, PCS und all den Gewerkschaften, deren Führung den Aufruf zum Generalstreik unterstützte. Wir trugen auch ein Transparent mit der Aufschrift: „TUC - ruft auf zum Generalstreik!“, was sehr viel Zustimmung fand.

Insgesamt vertritt ein großer Teil der britischen Linken die Forderung nach einem Generalstreik und trägt so dazu bei, dass er auf die Agenda gesetzt wird. Die Mobilisierung dafür fängt gerade erst an.

Die größten linken Gruppen, die Sozialistische Partei (in Deutschland SAV) und die Socialist Workers Party (in Deutschland Marx21) und „ihre“ jeweiligen Vorfeldorganisationen, die National Shop Stewards Network and Unite the Resistance, müssen sich zusammenschließen, um bewusst eine offene Massenagitation für einen Generalstreik in den Gewerkschaftsgruppen, an Arbeitsplätzen, in den Straßen und Vierteln im ganzen Land zu starten.

Man kann zugleich nur hoffen, das jene Gruppen wie Counterfire (Abspaltung von SWP), Socialist Resistance (Sektion des Vereinigten Sekretariats der Vierten Internationale, in Deutschland: RSB und isl), die „Alliance for Workers Liberty“ und die Weekly Worker - ihre Position ändern. Bislang haben sie sich stur gegen den Aufruf zum Generalstreik gestellt, weil das Bewusstsein und die Organisiertheit der Arbeiterklasse noch nicht weit genug wären. Jetzt wäre es wohl angebracht, dass sie ihr eigenes Bewusstsein auf die Höhe der ArbeiterInnen im Hyde Park bringen.

Gemeinsam müssen wir versuchen, den Druck auf die Gewerkschaftsführung aufzubauen, damit sie  die Versammlungen in den Betrieben und Gewerkschaftsgliederungen organisieren, um über einen Generalstreik zu diskutieren und darüber abzustimmen. Wir müssen die Beratungen schneller voranbringen und uns dabei auf die Mitgliedschaft konzentrieren, und nicht auf Anwälte und hauptamtliche Funktionäre. Wir sollten fordern, dass jene GewerkschaftsführerInnen, die sich am  20. Oktober für den Generalstreik ausgesprochen haben, gemeinsame Streiks ihrer Gewerkschaften noch in diesem Jahr koordinieren. Sie sollten bereit sein, diese Aktionen und einen Generalstreik notfalls allein zu initiieren, wenn der rechte Flüge von oben abblockt.

Das Votum von Hyde Park für eine massive Streikaktionen darf nicht folgenlos bleiben! Wir müssen in allen Gewerkschaften, welche die TUC-Resolution unterstützten, wie auch in all denen, deren Führungen es nicht taten, deren Mitglieder aber sehr wohl die Aktion wollen, dazu aufrufen, Versammlungen zur Wahl von Delegierten zu organisieren, um darüber zu diskutieren und zu beschließen, wie ein Generalstreik in der Praxis aussehen und organisiert werden soll.

Wenn Ortsgruppen, gewerkschaftliche Vertrauensleute und wiederbelebte lokale „Trade Councils“ gewonnen werden können, dann ist die Entwicklung von lokalen Aktionsräten möglich, die alle Teile der Bewegung, der Klasse zusammenführen und vereinen können. Sie könnten Delegierte von SchülerInnen und Studierenden einbeziehen, wie auch kämpferische Organisationen der Behinderten und RentnerInnen und von Arbeitslosen. In diesem Prozess können wir lokale und regionale Demonstrationen zur Mobilisierung organisieren.

Die rivalisierenden Antikürzungs-Kampagnen und Bündnisse sollten ihre Kräfte vereinen, national und lokal, so dass wir eine Bewegung erhalten wie im Kampf gegen die Poll Tax (Kopfsteuer) oder die „Stop The War Coalition“ gegen den Irakkrieg. Das ist nicht nur notwendig, um die Angriffe der Tory-Regierung abzuwehren, sondern auch, um eine Grundlage zu schaffen für einen nicht nur eintägigen, letztlich symbolischen, sondern einen unbefristeten Generalstreik gegen alle Kürzungen und zum Sturz der verhassten Regierung.

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