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Betriebsratswahlen beim Gesamthafenbetriebsverein (GHBV) Bremer Seehäfen

Verdiente Quittung für das ver.di-Betriebsratsfürstentum!

Jürgen Roth, Infomail 641, 12. September 2012

Im Folgenden veröffentlichen wir die Erfolgsmeldung des betriebsübergreifenden Netzwerks „Bremen macht Feierabend!“ über das Ergebnis der Betriebsratswahlen beim GHBV von Ende Juli 2012:

„Der GHBV hat einen neuen Betriebsrat

Publiziert am 25. Juli 2012 von Bremen macht Feierabend

Seit langem brodelt es beim Bremer- und Bremerhavener “Gesamthafenbetriebsverein”. Nicht nur die Arbeitsbedingungen sind übel. Auch der ehemalige verdi Betriebsrat in Bremerhaven, rund um den nun ex-Vorsitzenden Peter Frohn hatte sich sowohl durch Zustimmung zu den Massenentlassungen 2009 als auch durch zahlreiche Korruptionsfälle einen Namen gemacht. Aus den Reihen des Komitees “Wir sind der GHB” und zuletzt auch der neuen Gewerkschaft Contterm wurde seit langem Widerstand gegen das alte Gremium organisiert, der zuletzt mit einer vor Gericht eingeklagten Neuwahl Erfolg hatte. Seit einer Woche ist der Betriebsrat neu gewählt.

Gewonnen hat mit 8 Sitzen die oppositionelle Liste “Kollegen für Kollegen” von Leuten, die sich auch mit dem Komitee zusammen seit langem in den Auseinandersetzungen im Hafen auf Belegschaftsseite bewährt haben. Auch über eine Contterm Liste sind 2 Kollegen in das Gremium gewählt worden, mit denen die „Gewinner” nach eigenen Aussagen eng zusammen arbeiten werden. Die Liste des ex-Vorsitzenden Peter Frohn mit dem eindringlichen Namen ‚unsere Gewerkschaft verdi’ bekam 5 Sitze und gilt als abgeschlagen. Die Stimmen dürfte seine Liste nur noch von eigenen Gefolgsleuten und neuen Kollegen im Betrieb bekommen haben, die noch bis vor kurzem in seinem Büro verdi und AOK Mitgliedsbeiträge unterschreiben ‚konnten’. Heute fand die konstituierende Sitzung statt. Dabei wurden als neuer Vorsitzender Uwe Schmidt und Stellvertreter Kay Rösner gewählt.

Es wird sich nun zeigen, ob die Mehrheit des neuen Betriebsrats seinen Ansprüchen gerecht wird, den KollegInnen gegenüber transparent zu sein und sich nicht unterbuttern zu lassen. Dazu gehört nach den Erfahrungen, die wir mit der Arbeit des Komitees sammeln konnten vor allem, dass die KollegInnen nicht nur informiert, sondern auch angeregt werden, selbst aktiv zu sein. Der Betriebsrat besteht beim GHBV in Bremerhaven aus 15 Mitgliedern, die Belegschaft aber aus fast 1400 KollegInnen. Da ist klar, wo Gegenmacht letztendlich herkommen muss.

Rechtlich vertritt der Betriebsrat außerdem nur die eigene Belegschaft. Um im Hafen was zu ändern, müssen aber neben GHB und Hafeneinzelbetrieben auch die so genannten ‚Roten Karten’ (TagelöhnerInnen) und KollegInnen von Leiharbeitsbuden im Widerstand zusammen kommen. Für das Auskotzen und Diskutieren ist da einerseits das Gästebuch des Komitees gut, aber ohne gemeinsame Gesprächsabende, Flugblätter, Demos und Aktionen wird uns eine (wohl bald wieder stärker anrollende) Krise trotz “gutem” Betriebsrat noch mehr reinreißen, als es 2009 der Fall war!“

Auch wir beglückwünschen die Kollegenliste für deren Wahlerfolg. Dass sie mit der BR-Minderheit der neu gegründeten Gewerkschaft Contterm zusammenarbeiten will, obwohl diese nicht zum DGB gehört, halten wir - angesichts des offenen Verrates der GHBV-Betriebsratsspitzen um Frohn im Jahre 2009 - ebenfalls für richtig. Und auch für notwendig angesichts der fortschrittlicheren Positionen, die Mitglieder der Kollegenliste inmitten der Hafenkrise damals eingenommen haben, während die damalige BR-Mehrheit um den ver.di-Offiziellen Frohn dort gnadenlos den Belegschaftskahlschlag  unterstützte.

Die Entstehung der Gewerkschaft Contterm erfolgte auch aus den Reihen des Komitees „Wir sind der GHB“. Die Mehrheit des Komitees versteht sich aber als Opposition innerhalb von ver.di. Das Bedauerliche: letztere bildet außer ihrem erfolgreichen Antritt zur BR-Wahl bis jetzt keine, inner- und überbetrieblich verankerten Strukturen einer antibürokratischen, gewerkschaftlichen Basisopposition oder hat diese zum Ziel.

Die Gewerkschaft Contterm ist also die gerechte, aber falsche Quittung auf die Unfähigkeit des DGB, seine Einzelgewerkschaften entsprechend den sich ständig verändernden kapitalistischen Verwertungsprozessen auszurichten.

Welche gewerkschaftliche Perspektive im Logistiksektor?

Stattdessen erfolgte in den 1990er Jahren eine von den Bürokratien der großen Einzelgewerkschaften diktierte Fusion zu Dienstleistungssupermärkten der „Filialen“ Metall und ver.di bei gleichzeitiger Schwächung des Dachverbands. Statt Contterm, GDL etc. brauchen wir eine einheitliche Logistikgewerkschaft, die Schifffahrt, Straßengüter- und Personenverkehr genauso wie Luft und Schiene erfasst. Eine solche Gewerkschaft wäre insbesondere im Land des Exportweltmeisters simultan fähig, durch gleichzeitig stattfindende Tarifverhandlungen eine Paralyse der gesamten Wirtschaft herbeizuführen. Das gilt doppelt: einerseits im Binnenmarkt für die auf „just-in-time“ gestützte Weltmarktindustrie (Automobile); andererseits für die „gats“, die Abflusslöcher der einheimischen Exportüberschüsse - See- und Flughäfen, Autorouten, Schienenverkehr usw.

Eine solche Gewerkschaftsneugründung im Logistiksektor muss verknüpft werden mit der Forderung nach auf Wertschöpfungsketten beruhenden Branchengewerkschaften in einem neu gegliederten Dachverband DGB. Der Dachverband muss außerdem gestärkt werden - allein, aber nicht nur, um die Konkurrenz um Mitglieder unter den Einzelgewerkschaften zu unterbinden. Heute herrscht z.B. in der Energiewirtschaft eine Konkurrenz zwischen ver.di und IGBCE (Kraftwerke). Am meisten treffen wird es den „Gemischtwarenhandel“ ver.di. Ver.di organisiert Beschäftigte im Öffentlichen Dienst, Handel, Druck und Verlage, Gesundheitswesen, Post und Medien.

Zugleich muss diese, den kapitalistischen Umstrukturierungen adäquat entgegen gesetzte Umwälzung der Gewerkschaftslandschaft mit einem Angriff auf die althergebrachten bürokratischen Strukturen derselben Hand in Hand gehen. Letztere haben ja gerade ihre Untauglichkeit erwiesen, den Angriffen und Umstrukturierungen auf „Arbeitgeber“seite etwas entgegenzusetzen. Die Belegschaften müssen nicht nur branchenmäßig in modernen Einzelgewerkschaften organisiert sein, sondern auch Zugriff auf die Tagesgeschäfte dieser Funktionäre wie der des Dachverbandes bekommen. Kurz: der DGB braucht zwei „Revolutionen“: eine auf dem Feld der Neugliederung, die wichtigere aber auf dem der Arbeiterdemokratie, der Entbürokratisierung, der Enteignung der Bürokratie auf dem Weg der Neuaneignung dieser Organisationen durch deren Basis. Ohne eine klassenkämpferische, antibürokratische Gewerkschaftsopposition wird das nicht gelingen können.

In dieser werden revolutionäre KommunistInnen um die Führung der Gewerkschaften kämpfen. Das ist auch notwendig, um die Arbeitervorhut für das Ziel der proletarischen Revolution zu gewinnen.

Davon sagen die Erklärungen leider nichts. Immerhin wird aber richtig festgestellt: „Der GHB ist nur ein Minderheitsbetrieb im Hafen. Alles dreht sich um die BLG.“ Dazu kommt die wichtige Erkenntnis: „Die nächste Krise wird schlimmer als 2009!“

Die Gruppe Arbeitermacht hatte im Spätsommer 2009 Stellung zu den Massenentlassungen und Konflikten im Bremerhavener GHBV bezogen. Ihre Parteinahme für die Seiten der DemonstrantInnen vom 22.7.09 war unzweideutig. Unsere Kritik verschwiegen wir damals ebenso wenig wie heute.

Für InteressentInnen: http://www.arbeitermacht.de/infomail/441/bremerhaven.htm

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