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Tagung in Kassel

Hände Weg vom Streikrecht!

Bericht von Peter Lenz, Infomail 576, 14. September 2011

Die Tagung in der Kasseler Uni hätte mehr TeilnehmerInnen verdient gehabt, weil sie in vielerlei Hinsicht bemerkenswert war. Es waren über 40 Leute gekommen - was insofern positiv bewertet wurde, da mehrere andere Aktivitäten an diesem Wochenende liefen, aber auch, weil viele schon die DGB/BDA-Initiative für erledigt gehalten hatten.

Der erste Referent war Wolfgang Däubler. Er bot in leisen Tönen eine vernichtende Kritik an den Spitzen von DGB, IGM und ver.di. Diese hatten im letzten Jahr eine gemeinsame Gesetzesinitiative mit dem BDA gestartet. Diese war nach geharnischten innergewerkschaftlichen Protesten im Juni grandios gescheitert. Ver.di zog sich darauf aus der Initiative zurück, schließlich gab auch DGB-Chef Sommer auf, heftig kritisiert von den BDA-Spitzen. Aber auch von IGM-Chef Bertold Huber. Alles in allem eine desaströse Vorstellung.

Bunkermentalität der Gewerkschaftsbosse

Wolfgang Däubler zeichnete mit gekonnten Formulierungen die Bunkermentalität der Gewerkschaftsoberen nach, die den Draht zur Basis verloren hatten. Sie hatten nicht im Geringsten bemerkt, was sich da an Kritik bei den Basismitgliedern gegen eine Gesetzesinitiative zusammen mit BDA-Hundt, gerichtet an eine schwarz/gelbe Regierung, zusammenbraute.

Wolfgang Däubler führte aus, dass die Unfähigkeit der schwarz-gelben Regierung in diesem Fall ein Glücksfall für die Gewerkschaftsbewegung gewesen sei. Selbst diese faktische Steilvorlage konnte sie nicht im Sinne des Kapitals aufnehmen.

Die DGB-Spitze hatte schlicht den gewachsenen Einfluss der Spartengewerkschaften unterschätzt. In vielen Bereichen wären DGB-Gewerkschaften gegenüber GDL, Marburger Bund u.a. schlicht ins Hintertreffen geraten. Das mussten Sommer und Bsirske erst mal von Basis-Gewerkschaftern klargemacht werden, die Angst hatten, in Zukunft nur noch gewerkschaftspolitische Statisten im Betrieb zu sein.

Dabei ist ja gerade der DGB in den letzten Jahren eklatant vom Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ abgewichen. Die Spartengewerkschaften sind erstarkt - u.a., weil DGB-Gewerkschaften grottenschlechte Tarifverträge für bestimmte Beschäftigtengruppen abgeschlossen hatten.

Dabei hattan die DGB-Gewerkschaftsspitzen immer den Rahmen akzeptiert, der von Kapitalistengruppen oder Staat vorgegeben wurde, um dann diesen Spielraum unter Tarifkampf-Ritual-Getöse unter ihrer Klientel zu verteilen, zunehmend intransparent und kaum durch die Mitglieder kontrollierbar.

Für viele waren Tarifverträge gerade im Öffentlichen Dienst oder in privatisierten Bereichen  geradezu Lohnabbauverträge.

Die DGB-Gewerkschaften haben auf viele Veränderungen in der Beschäftigtenstruktur keine Antworten, teilweise verschärfen sie die Probleme noch durch den Konkurrenzkampf um Mitglieder im gleichen Betrieb. Es gibt heute Betriebe, z.B. einen Raffineriebetrieb in Hamburg, wo Tausende Menschen, aber nur noch knapp zehn Prozent „Stammpersonal“ arbeiten. Die anderen sind Leiharbeiter, Zeitarbeiter, „Selbstständige“, Mitarbeiterinnen von Fremdfirmen usw. Um die „StammarbeiterInnen“ zoffen sich dann noch mehrere DGB-Mitgliedsgewerkschaften.

Die Tariflandschaft ist total zerklüftet. Vom „Gleichen Lohn für gleiche Arbeit“ ist das natürlich Lichtjahre entfernt.

Nach Wolfgang Däubler folgte ein Beitrag eines Vertreters der GDL Stadtverkehr München, in der BusfahrerInnen der MVG organisiert sind. Viele der GewerkschaftsaktivistInnen sind ehemalige ver.di-Mitglieder, die ihre Gewerkschaft scharenweise in Richtung GDL verlassen haben. Mit der GDL wurden sie wieder aktionsfähig und haben erste Erfolge errungen. Der GDL-Vertreter führte aus, dass die GDL flachere Strukturen habe und vor allen Dingen arbeite, wie man sich eine Gewerkschaft vorstelle: Durchsetzung der Forderungen der Mitglieder und nicht Vertretung der Interessen der Unternehmensleitung.

Anschließend ein Beitrag der FAU, deren Vertreter einige Beispiele für den Kampf der anarchosyndikalistischen Föderation vorstellte, die von Staat und Kapital verfolgt wird. So fordert der Staatsschutz Firmen auf, FAU-Mitglieder zu entlassen. Trotzdem gab es einige erfolgreiche Aktionen.

Der letzte Referent war ein Wissenschaftler der Uni Kassel, der sehr interessante Informationen zu den „Branchengewerkschaften“ lieferte. UFO, Feuerwehrgewerkschaften, Fluglotsengewerkschaft wurden als Beispiele vorgestellt.

Kassler Erklärung

Nach einer Mittagspause stellte Willi Hajek einige Thesen vor, die anschließend in AGen ebenso wie eine „Kasseler Erklärung“ diskutiert wurden.

Es wurden auf der Versammlung viele Kontakte geknüpft zwischen den anwesenden GewerkschafterInnen und Pläne geschmiedet für weitere Aktionen. Die Tagung zeigte, dass es zwischen BasisaktivistInnen verschiedener Organisationen keine Berührungsängste gibt und es durchaus das Bedürfnis gibt, gemeinsam für die Durchsetzung von Forderungen einzutreten. Das ist das eigentliche Signal der Tagung in Kassel.

Noch eine bemerkenswerte These: In den von den Gewerkschaften „befriedeten“ Bereichen, wo staatlicherseits das Streikrisiko sehr hoch angesetzt ist, brechen Widersprüche über Bewegungen wie die gegen S21 aus und finden massenhaften Anhang.

Die Tagung beschloss einstimmig eine „Kasseler Erklärung“ sowie eine Solidaritätsadresse an die Beschäftigten der outgesourceten Bereiche der Berliner Charite Kliniken.

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