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Berliner Wahlen 2011

LINKE wählen, aber: Widerstand organisieren!

Flugblatt der Gruppe Arbeitermacht/Berlin, Infomail 575, 7. September 2011

Die Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus am 18. September finden in einer bewegten Zeit statt. Im arabischen Raum stürzen Revolutionen blutige Tyrannen, in vielen Ländern gibt es Massenproteste gegen die Krisen-Sparprogramme.

Deutschland konnte seine Position auf Kosten der Konkurrenten stärken, der Export boomte und die Arbeitslosigkeit sank. Doch aktuell verweisen die Kursstürze an den Börsen, die drohenden Staatspleiten etlicher Länder und die Euro-Krise darauf, dass die globale Wirtschaftskrise längst noch nicht ausgestanden und der Aufschwung wieder vorüber ist.

Die in Berlin regierenden Parteien SPD und die LINKE klopfen sich auf die Schulter und verweisen auf ihre „Erfolge“. LINKEN-Spitzenkandidat Harald Wolf lässt „Berlin boomt“ plakatieren. Die Wahrheit indessen sieht ganz anders aus:

Berlin ist immer noch die Hartz IV-Hauptstadt. Fast 38% aller Kinder unter 15 sind lt. ver.di auf Hartz IV-Mittel angewiesen.

Billige Mietwohnungen werden immer knapper, wozu der Senat durch fast komplette Einstellung des sozialen Wohnungsbaus, durch Privatisierung und Abriss kräftig beigetragen hat.

Im Krankenhaus-Bereich sanken die Investitionen in den letzten 20 Jahren von 319 auf 92 Mio. Euro!

Im Bildungsbereich wurde kein einziges Problem wirklich gelöst, was auch die immer wieder aufflammenden Bildungsproteste belegen.

Das S-Bahn-Chaos zeigt, dass der Senat unfähig war, dem Hasardspiel der Bahn AG Einhalt zu gebieten.

Im Öffentlichen Dienst war Berlin bundesweit sogar Vorreiter beim Ausstieg aus dem TvöD. Es gibt in diesem Bereich einen Einstellungsstopp, viele Beschäftigte sind in den Stellenpool auf schlechter dotierte Stellen abgeschoben.

Diese Aufzählung könnte beliebig weitergeführt werden. Es ist offensichtlich, dass SPD und Linkspartei in zwei Legislaturen nicht nachweisen konnten, dass sie eine bessere, sozialere Politik betreiben würden als andere Bundesländer oder Parteien. So nimmt es nicht Wunder, dass sie so oft betonen, dass es ohne sie noch „viel schlimmer gekommen wäre“. Wer's glaubt, wird seelig, möchte man da angesichts des bevorstehenden Papst-Besuches sagen.

Beide Parteien waren weder gewillt noch in der Lage, sich dem allgemeinen sozialen Abwärtstrend entgegen zu stellen. Beide haben die Abwälzung der Krisenkosten auf die Massen, die Spar- und Rettungspakete mitgetragen.

Warum trotzdem wählen?

Natürlich ändern Wahlen - egal, wie sie ausgehen - an der Situation, an den sozialen Problemen in Berlin wenig oder nichts. Doch Wahlen erzeugen mehr politisches Interesse und sie erleichtern es RevolutionärInnen, mehr Gehör zu finden. Insofern halten wir auch die Einstellung, Wahlen könnten ignoriert werden, für scheinradikalen Unfug, die letztlich nur bedeutet, der politischen Auseinandersetzung auszuweichen und den bürgerlichen Parteien einfach das Feld zu überlassen.

Der Wahlkampf kann und muss dafür genutzt werden, Forderungen an SPD und Linkspartei zu stellen, für die Durchsetzung ihrer Versprechen auch wirklich zu kämpfen. Dazu müssen wir uns selbst organisieren und engagieren - in Gewerkschaften, in der Anti-Krisen-Bewegung, in Mieterkomitees, in der Linken.

Wählt die LINKE!

Wir rufen zur Wahl der Linkspartei auf - nicht, weil wir glauben, dass deren Politik geeignet ist, die Interessen der Lohnabhängigen, der Armen und Unterdrückten durchzusetzen.

Wir rufen aus drei Gründen zur Wahl der LINKEN auf. Erstens stützen sich SPD und Linkspartei (im Unterschied zu anderen Parteien) wesentlich auf die Arbeiterklasse, v.a. über die Gewerkschaften. D.h. sie können von den Lohnabhängigen direkter unter Druck gesetzt, mit Forderungen konfrontiert und zum Kampf gezwungen werden. Zweitens haben - trotz aller Enttäuschungen über deren Realpolitik - immer noch viele AktivistInnen, GewerkschafterInnen und Arbeitslose Illusionen in die LINKE, was auch mit deren linkeren Positionen gegenüber der SPD in der Bundespolitik zu tun hat. Drittens sehen viele Lohnabhängige die Wahlen als ein Mittel, wenn schon nichts großartig zu ändern, so doch eine Große Koalition oder Schwarz/Grün zu verhindern und der schwächelnden Bundesregierung eins auszuwischen. Diese Absicht teilen und unterstützen wir.

Keine Stimme für die offen bürgerlichen und rechten Parteien!

Es verbietet sich von selbst die offen bürgerlichen, „traditionellen“ Parteien des Kapitals, CDU und FDP zu wählen.

Noch vielmehr gilt das für das rassistische Pack „anti-islamistischer Hetzer“ wie „Pro Deutschland“, „Freiheit“ und die faschistische NPD, diesen geschworenen Todfeinden der Arbeiterbewegung, von MigrantInnen und Jugendlichen.

Aber auch die Grünen, die ihre Basis  v.a. in den Mittelschichten haben, und die PIRATEN sind keine Alternative. Die PIRATEN sind eine kleinbürgerliche, wenn auch unter Jugendlichen beliebte und „peppigere“ Partei. Im Grund sind sie aber ein Remake der GRÜNEN. Und wo diese landeten, wissen wir.

Obzwar sich die GRÜNEN sich alternativ oder ökologisch geben, ist ihre reale Politik nicht substanziell anders als jene von SPD oder CDU. Die Agenda-Politik, der lächerliche Atom-Kompromiss von Rot/Grün oder Stuttgart 21 zeigen das zur Genüge.

Doch auch die linken Miniaturkandidaturen - DKP und PSG - stellen keine Alternative zu den reformistischen Massenparteien dar. Ihre Programme sind selbst reformistisch. Sie versprechen mehr, ohne jedoch je in die Verlegenheit zu kommen, ihre Politik im Parlament umsetzen zu müssen. Die DKP schwank zwischen „alten“ Stalinismus und romantischen Bezug auf die angeblich sozialistischen Zeiten der DDR und der politischen Anpassung an die Linkspartei. Die PSG beteiligte sich im Gegensatz zur DKP und Linkspartei an keinem einzigen (!) Bündnis gegen die Bundesregierung, sie ist eine lupenreine Sekte.

Testet die Reformisten in der Praxis!

Wenn wir im Kampf gegen die Krise, gegen Verarmung, gegen Rassismus, für bessere Bildung u.a. Ziele wirklich etwas erreichen wollen, müssen wir den Klassenkampf voranbringen. Und das verlangt, den auch den Wahlkampf um die AnhängerInnen, Mitglieder und WählerInnen von Massenparteien der Arbeiterbewegung anzusprechen und für die Aktion zu gewinnen.

Das verlangt nach einer anderen Politik als die der reformistischen Führungen in SPD, Linkspartei und DGB. Sie haben längst ihren Frieden mit dem System gemacht und jeden Ansatz von realem Widerstand verhindert oder ausgebremst.

Und doch ist es besser, wenn SPD und LINKE regieren, als in der Opposition Illusionen in vorgebliche Alternativen zu schüren. Gerade weil die LINKE mitregiert hat, konnten sich Hunderttausende in der Praxis überzeugen, dass auch sie nicht besser ist als andere Parteien, die das System und seine Krise mitverwalten. Doch viele sehen sie nach wie vor - mangels einer realen Alternative - als „geringeres Übel“.

Um im Klassenkampf erfolgreich zu sein, braucht es aber nicht nur einen Test der Illusionen. Es brauchen wir eine starke, kämpferische revolutionäre Arbeiterpartei. Der Kampf gegen den Reformismus, der bewusste Bruch mit ihm sind wichtige Vorraussetzungen, um eine solche Partei zu schaffen.

Wir rufen Euch auf: Wählt die LINKE, aber organisiert den Widerstand - in der Gewerkschaft, im Betrieb, in Schule, Uni und im Kiez! Fordert sie auf, ihren Versprechungen auch Taten folgen zu lassen und wirklich zu mobilisieren! Wir schlagen dazu ein Aktionsprogramm  vor, das u.a. folgende Forderungen enthält:

Gegen alle Rettungspakete und Kürzungsprogramme! Das Kapital soll selbst für seine Krise zahlen! Enteignung aller Banken und Zusammenfassung zu einer Staatsbank unter Arbeiterkontrolle!

Kampf gegen alle Entlassungen! Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden bei vollem Lohn- und Personalausgleich! Für ein Programm öffentlich nützlicher Arbeiten unter Kontrolle der Betroffenen und der Gewerkschaften, für ein Investitionsprogramm in die Infrastruktur - finanziert durch die progressive Besteuerung von Kapital und Reichtum!

Weg mit Agenda 2010 und Hartz IV! Für einen Mindestlohn von 11 Euro/Std. Netto und ein Mindesteinkommen von 1.600 Euro/monatlich!

Keine Privatisierungen! Rückverstaatlichung unter Arbeiterkontrolle (Wohnungen, Wasser- und Energie, S-Bahn usw.)! Kostenloser Nahverkehr für Alle!

Keine Studiengebühren (auch keine indirekten)! Kleinere Klassen, mehr LehrerInnen!

Weg mit Einstellungsstopp und Stellenpool im Öffentlichen Dienst!

Streichung aller Schulden Berlins!

Einheitsfrontmobilisierungen von ArbeiterInnen, Jugendlichen, MigrantInnen gegen Faschisten und Rassisten! Stopp aller Abschiebungen! Für offene Grenzen und gleiche Rechte für alle,  die hier leben - einschließlich des Wahlrechts!

Solidarität mit dem internationalen Widerstand!

Diese Ziele sind nur erreichbar, wenn wir Staat und Kapital durch Massenproteste, Streiks und Besetzungen zu Zugeständnissen zwingen. Sie sind nur durchsetzbar, wenn wir uns selbst organisieren, wenn wir unsere Kämpfe und Strukturen selbst demokratisch bestimmen, sie sind nur effektiv, wenn die Arbeiterklasse Gesellschaft, Produktion und Verteilung kontrolliert. Das erfordert  auch einen Kampf zur Umwandlung der Gewerkschaften in Kampfinstrumente unter der Kontrolle der Basis. Dazu bedarf es der Schaffung einer klassenkämpferischen Basisopposition!

Unsere Kämpfe haben nur eine Perspektive, wenn sie auch auf den Sturz des Kapitalismus und die Machtergreifung der Arbeiterklasse orientiert sind. Dazu brauchen wir eine revolutionäre Arbeiterpartei als Teil einer neuen, Fünften Internationale!

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