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Junge Welt

Alte Mauer und neue Betonköpfe

Martin Suchanek, Infomail 573, 22. August 2011

Der Stalinismus mag noch nicht ganz tot sein - seine politischen Leichenverwalter haben allerdings längst das Stadium der Senilität erreicht.

So entblödete sich die Junge Welt am 13. August nicht, für den Mauerbau 1961 zu danken. Dieser hätte schließlich den Frieden gesichert, was doch allemal ein Dankeschön wert sei. Dazu führen die Redakteure nicht nur die Ulbrichts, sondern auch die McNamaras u.a. westliche Kalte Krieger dieser Zeit als Kronzeugen an.

Schon die Behauptung ist verwegen. Wurde der Frieden nicht vielmehr durch den Abzug der sowjetischen Nuklearwaffen aus Kuba wenig später „gewahrt“? Und verdeutlicht das nicht, dass die Mittel zur Sicherung des Weltfriedens ebenso Mittel zur gegenseitigen Abschreckung waren? War also das nukleare Patt nicht viel mehr als die Mauer für die Sicherung des Friedens verantwortlich?

Doch unterstellen wir, dass die Junge Welt und McNamara recht hätten. Wer oder was war der berühmte „Weltfrieden“ eigentlich?

Reaktionäre Nachkriegsordnung

Er war im Grunde ein anderer Ausdruck für eine durch und durch reaktionäre Nachkriegsordnung. Es war Ausdruck für die Aufteilung der Welt in ein vom US-Imperialismus beherrschtes, „demokratisches“ (und in den meisten Ländern keineswegs demokratisches) kapitalistisches Lager einerseits und bürokratisch degenerierte nach-kapitalistische Gesellschaften andererseits. Es waren Arbeiterstaaten, die jedoch politisch  nicht von Lohnabhängigen, sondern von einer konterevolutionären Partei- und Staatsbürokratie beherrscht wurden.

Die Mauer war nicht nur irgendein Grenzwall, ein Mittel zur Durchsetzung eines repressiven bürokratischen Grenzregimes, das sich qualitativ nicht von anderen Grenzregimen der Welt unterschied. Es war auch ein in Beton gegossenes Symbol der reaktionären Nachkriegsordnung, deren eigentlich Leidtragende in letzter Instanz die Arbeiterklasse und die Unterdrückten in Ost und West waren.

Darin liegt die Kontinuität der „Jungen Welt“ zum Stalinismus, das ist der tiefere Grund, warum die Haedline einer vorgeblich „linken“ Tageszeitung kein Faux Pas, sondern ein Offenbarungseid war.

Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Rechten in der Linkspartei - von Sozialdemokraten, Grünen und der bürgerlichen Sauce ganz zu schweigen - nun über die „Junge Welt“ herziehen und die Fraktionsführung der Linkspartei damit droht, ihr Werbeeinschaltungen zu entziehen und so ihre finanzielle Basis auszuhöhlen.

Ohne Zweifel ist für viele der „Empörten“ der Mauer-Titel nur willkommener Anlass dafür, der „Jungen Welt“ das Wasser abzugraben, weil sie auch eine Stimme für linke Nachrichten und Informationen ist. Diese Kritiker werfen der „Jungen Welt“ zu viel Kritik an der bestehenden, kapitalistischen Ordnung vor.

Der gegenwärtigen Ordnung stellt die „Junge Welt“ freilich keine sozialistische Alternative, sondern eine Verklärung der untergegangenen stalinistischen Welt von gestern entgegen.

Die „Junge Welt“ hat über ihre Wandlungen hinweg diese reaktionäre bi-polare Nachkriegsordnung verteidigt - teils aus Überzeugung des stalinistischen, bürokratischen Weges zum „Sozialismus“; teils, weil die Nachkriegsordnung zumindest das „kleinere Übel“ oder einfach ein Hindernis gewesen wäre. Dass die herrschende Bürokratie und ihre Politik des „Sozialismus in einem Land“, der „friedlichen Koexistenz“ sowie die westlichten KPen samt diverser „anti-monopolistischer“ und „demokratischer“ reformistischer „Wege zum Sozialismus“ auch eine Stütze der Nachkriegsordnung und ein reaktionäres, konterrevolutionäres Hindernis waren, kommt der „Jungen Welt“ freilich nicht in den Sinn.

Bruch mit Stalinismus notwendig

Eine eigenständige revolutionäre, kommunistische und internationalistische Arbeiterpolitik gilt ihr letztlich als unmöglich. Daher der Dank an die stalinistischen Bürokraten, daher das Beschwören „anti-imperialistischer“ Potentaten wie Assad oder Gaddafi gegen die Revolution in ihren Ländern. Daher der Dank an die Mauerbauer.

Unfreiwillig gibt die „Junge Welt“-Redaktion die Hoffnungslosigkeit dieses ganzen Unterfangens zu. In der Vergangenheit des 20. Jahrhunderts sucht sie nicht nach den revolutionären Lehren und Schlussfolgerungen, sondern freut sich, dass es den Stalinisten gelang, eine Mauer gegen die Systemkonkurrenz hochzuziehen und die vorgeblich „herrschende Klasse“ der ArbeiterInnen an der „Republikflucht“ zu hindern. Ein tragfähiges, neues System wurde daraus gerade nicht - und konnte es nicht werden. Darin liegt die eigentliche Lehre des Stalinismus, dem die Arbeiterbewegung nicht danken, sondern vollständig mit ihm brechen muss!

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