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Arbeitslosigkeit und „Fachkräftemangel“

Tag des Zorns in Esslingen

Kuno Benz, Infomail 541, 11. März 2011

Wie sich das angebliche Ende der Krise und der viel zitierte „Fachkräftemangel“ für Betroffene anfühlt, erfahren derzeit die zum Jahresende entlassenen oder nach der Ausbildung nicht übernommenen KollegInnen von Index und Traub, die sich seit Dezember in der Beschäftigungsgesellschaft Mypegasus befinden.

Anders als ihnen versprochen und zwischen den Geschäftsleitungen, Betriebsräten, dem Arbeit“geber“verband Südwestmetall, der Beschäftigungsgesellschaft Mypegasus, der IG Metall und Vertretern der Arbeitsagentur verabredet wurde, werden die Betroffenen von Zeitarbeitsfirmen quasi bombardiert und vehement unter Druck gesetzt, jede Arbeit, in erster Linie also Zeitarbeit, anzunehmen. Das Recht der Zumutbarkeitsprüfung wird so unterhöhlt. Den Betroffenen wird es erschwert, reguläre Arbeitsverhältnisse aufzunehmen. Abgesehen davon fragen sich viele, wie die Zeitarbeitsfirmen wohl an persönliche Daten wie Handynummern kommen ...

Praxis der Arbeitsagentur Esslingen

Mittlerweile hat sich anscheinend besonders die Esslinger Arbeitsagentur die Praxis zu eigen gemacht, Arbeitssuchende generell oder zumindest bevorzugt nur noch in Zeitarbeit zu vermitteln. Dort sollen dann z.B. Facharbeiter für 9,25 Euro Stundenlohn arbeiten, während die Zeitarbeitsfirmen von den Entleihbetrieben 35,- Euro kassieren. Eine Rolle spielt wohl auch, dass anscheinend mindestens drei maßgebliche Arbeitsvermittler in der Esslinger Arbeitsagentur früher selbst für Zeitarbeitsfirmen tätig waren. Die Verbindungen sind vermutlich nie abgerissen. Zeitarbeit ist eben ein lukratives Geschäft. Fragt sich nur: Für wen?

Mittlerweile hat es sich herumgesprochen, dass es vollkommen aussichtslos ist, über die Esslinger Agentur irgendetwas anderes außer Leiharbeit angeboten zu bekommen. Aber nicht nur die Praxis der Agentur mit den zum Jahresende entlassenen Fachkräften von Index und Traub schreit zum Himmel. Genauso gibt es auch 18jährige Lehrstellensuchende mit Realschulabschluss, die oftmals seit weit über einem Jahr bei der Agentur registriert sind und in dieser Zeit weder ein einziges Lehrstellen- noch sonst ein seriöses Stellenangebot, noch wenigstens eine brauchbare Beratung erhielten. Statt dessen werden die jungen Menschen ausschließlich in Zeitarbeitsfirmen gedrängt – in Schichtarbeit für 7,75 Euro Stundenlohn.

Aktion

Da war es mehr als absehbar und überfällig, dass einige Betroffene sich wehrten. Gemeinsam mit Vertrauensleuten und unterstützt von der IG Metall Esslingen organisierten die KollegInnen eine spontane Demonstration vom Index-Werkstor hin zur Arbeitsagentur. Dort wurde von rund 50 erwerbslosen, ehemaligen Index-Beschäftigten kurzerhand das Foyer besetzt und die Betroffenen machten ihrem Ärger Luft. Der eilends herbeigeeilte Geschäftsführer der Agentur zeigte sich sehr erzürnt angesichts der Menschenansammlung und versuchte zunächst, den Bevollmächtigten der IG Metall, Sieghard Bender, zu einem 4-Augen-Gespräch zu bitten. Glücklicherweise lehnte dieser das Ansinnen ab und schilderte statt dessen über ein mitgebrachtes Megaphon die Situation so, dass alle mithören konnten. Der Geschäftsführer wollte dies zunächst unterbinden und von seinem „Hausrecht“ Gebrauch machen, was ihm jedoch angesichts der ruhigen Diszipliniertheit und der zahlenmäßigen Überlegenheit der Betroffenen nicht gelang. Zähneknirschend musste er die Reden der Anwesenden ertragen. Zuletzt sah er sich dann doch gezwungen, seine Position darzulegen. Er redete davon, dass alles, was seitens der Agentur geschehe, gesetzeskonform sei. Auch sei Zeitarbeit eine seriöse Tätigkeit. Letztendlich sei es ihr Anliegen, die Leute in eine Arbeit zu vermitteln, und dazu sei es auch Rechtens, wenn persönlichen Daten wie private Handy-Nummern an Zeitarbeitsfirmen weitergegeben würden. Dazu hätte man schließlich den gesetzlichen Auftrag.

Die Betroffenen konnten sich mit solchen Ausführungen nicht anfreunden. Wozu soll dann die Transfergesellschaft gut sein, wenn man doch vom ersten Moment an in Leiharbeit gedrückt wird? Die KollegInnen machten deutlich, dass sie andere Forderungen haben, nämlich unbefristete Arbeitsplätze zu ordentlichen Bedingungen. Der Sprecher der IG Metall drohte schließlich damit, sich an die CDU-Arbeitsministerin Ursula von der Leyen zu wenden, die eine Untersuchung mit dem Ziel einleiten soll, die Verfehlungen der Esslinger Agentur aufzudecken.

Nach einer halben Stunde war die Aktion vorüber. Die Beteiligten waren sich einig darin, dass es richtig ist, solche Aktionen durchzuführen, um etwas zu bewegen. Die Berichte über die Aktion sowie die unmittelbar folgende Stellungnahme der Agentur in der Presse waren an sich schon ein Erfolg. Die Argumentation der IG Metall, sich an Frau von der Leyen zu wenden, verdeutlich aber auch die Perspektiv- und Ratlosigkeit der Gewerkschaftsbürokratie. Abgesehen davon, dass es eher fraglich ist, ob dabei überhaupt etwas herauskommen kann, was den Betroffenen tatsächlich hilft, schürt dies eher Illusionen in staatliche Institutionen und in eine CDU-Ministerin. Die Fokussierung ausschließlich auf die Esslinger Agentur lässt die eigentliche Ursache für die Probleme der Betroffenen außen vor – nämlich den kapitalistischen Verwertungsprozess mit seinem Konkurrenzkampf, der Entlassungen und Überausbeutung durch prekäre Beschäftigungen erzwingt, wie auch die Politik der Regierungen, die z.B. durch die Hartz-Gesetze die Leiharbeit erst richtig förderte.

Wie weiter?

Trotzdem war die Aktion insgesamt ein positives Zeichen und fand bundesweite Beachtung. Neben der obligatorischen Drohung mit einer „Anzeige wegen Hausfriedensbruch“ gegen die IG Metall wird nun in erster Linie versucht, die Sprecher der Aktion mit „Vier-Augen-Gesprächen“ einzubinden, um dadurch zu versuchen, die Aktion zu spalten. Wichtig ist dann weiterhin die Einheit der betroffenen Erwerbslosen, der arbeitenden Kollegen und der IG Metall. Doch wie kann ein solcher erster Kampfschritt erfolgreich weitergeführt werden? Das wird nur möglich sein, wenn sich die entlassenen KollegInnen zu einem Aktionskomitees organisieren, das die für UnterstützerInnen aus den Betreiben der Region, Erwerbslose, MigrantInnen und ihre Organisationen wie alle UnterstützerInnen aus linken Gruppen und Parteien offen ist. Entscheidend ist, dass es den Kampf für die Wiedereinstellung der KollegInnen führt und diesen mit einer allgemeinen politischen Perspektive und Ausrichtung führt. So wie den Entlassenen von Index und Traub geht es Tausenden, ja Hunderttausenden. Um wieder in unbefristete Beschäftigung zu kommen und nicht ein Leben von Maßnahme zu Maßnahme, von Sklavenhändler (Leiharbeitsfirma) zu Sklavenhändler fristen zu müssen, muss der Kampf politisch geführt werden um Forderungen wie:

für Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden – als Schritt zu einer Aufteilung der vorhandenen Arbeit auf alle;

für einen Mindestlohn von 13,50 Brutto, um das Lohndumping zu bekämpfen;

für ein Programm gesellschaftlich nützlicher, öffentlicher Arbeit wie z.B. Erhalt von Bildungs- und Gesundheitswesen - bezahlt aus den Unternehmerprofiten und unter Arbeiterkontrolle.

Für eine solche Stoßrichtung sollten nicht nur die Entlassenen KollegInnen kämpfen – ein solcher Kampf muss in der IG Metall und den anderen Gewerkschaften eingefordert werden, um ihn muss sich eine Opposition bilden, um die Führungen zum Handeln zu zwingen bzw. selbst den Kampf organisieren zu können.

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