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Zur Atompolitik der Merkel-Regierung

Nicht nur die AKWs müssen schnellstens abgeschaltet werden!

Peter Lenz, Infomail 517, 11. November 2010

In der ersten Novemberhälfte fuhr ein Zug mit 11 Behältern hochradioaktiven Atommülls aus der französischen Wiederaufbereitungsanlage La Hague den franzö­sischen Verladebahnhof Valognes verlassen, um quer durch Deutschland zu fahren und das „Zwischenlager" Gorleben zu erreichen, wo der in sogenannten Castoren - sechs Meter langen Stahlzylindern - in Glas eingeschmolzene Atommüll (120 Tonnen schwer) für die nächsten 40 Jahre „gelagert" werden soll. Die Lagerung erfolgt in einer Betonhalle im Wald, in der schon über 100 Castoren liegen. Diese sollen dann in ein Endlager für Atommüll kommen, das es noch gar nicht gibt. Nach den Erfah­rungen mit Morsleben und Asse, wo die atomare Verseuchung des Grundwassers und der Umgebung langfristig gar nicht aufzuhalten ist, wird es das auch nicht geben.

Die weitere Erkundung des Salzstockes in Gorleben wird trotz massiver Risiken (z.B. Grundwasserkontakt, Öl- und Gasvorkommen) nach 10jährigem Stopp weiter betrieben. Ein Ende dieses einzig den Profiten der Atommafia dienenden Irrsinns ist nicht abzusehen. Durch den langfristigen Weiterbetrieb der Atomkraftwerke kommt ständig neuer Müll dazu. Und wenn es nach Regierung und Atommafia geht, verklappen sie alles nach Gorleben (oder nach Russland bzw. Afrika und Asien, wo korrupte Regime Atommüllfriedhöfe anbieten).

Das Kapital und seine Politiker

Die imperialistische Bourgeoisie will sich angesichts knapper werdender Ölvorräte die Atomenergie-Option offen halten. Die Bundeswehr hat kürzlich eine Studie eines Planungsstabes veröffentlicht, die Gefahren und Handlungsalternativen der Bundeswehr  angesichts des weltweit die bekannten Ölreserven überschreitenden Bedarfs beschreibt („Peak Oil- sicherheitspolitische Implikationen knapper Ressourcen“, Zentrum für Transformation der Bundeswehr, Straussberg, Juli 2010).

Es werde, so der Bericht, verstärkt zu Auseinandersetzungen um die verbliebenen Ressourcen an Öl, Gas und Kohle kommen. Zunehmend werde dadurch auch die „Kriegsfähigkeit“ moderner Industrieländer eingeschränkt. Öl, das zur Stromerzeugung u.a. Zwecken verbrannt wird, steht nicht mehr zur Kriegführung zur Verfügung. Die „Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe“ registriert akribisch alle Reserven, Ressourcen und Verfügbarkeit von Energierohstoffen.

Weiterhin stellt der Export von Atomkraftwerksanlagen und -technologie ein wichtiges Feld der Industrie dar. Schließlich ist Siemens samt Tochterunternehmen einer der weltweit größten Hersteller. Dieses Milliarden-Geschäft will sich die Exportindustrie nicht dadurch entgehen lassen, dass keine „Vorführanlagen“ mehr in Deutschland laufen.

Billiger Strom für die Konzerne - diese Aufgabenstellung versucht die schwarz-gelbe Regierung mit aller Macht durchzusetzen. Billiger Strom ist die Grundlage für weitere Modernisierungen des Produktionsapparates. In Form kapitalistischer Rationalisierung bedeutet das: vermehrte Arbeitslosigkeit, ein weiteres Fallen der Durchschnittsprofitrate. Die nächste Krise des Kapitalismus ist vorprogrammiert.

Das Anti-Krisen-Programm der Regierung setzt auf große Einnahmen durch Abgaben der Energiekonzerne. Doch die denken nicht im Traum daran, Abgaben zu zahlen, wenn sie nicht kräftig darüber hinausgehende Gewinne erzielen dürfen. Dabei blenden sie konsequent Sicherheitsfragen und Folgekosten der Atomenergie aus, die sie sich immer mit Hilfe der Politiker vom Halse halten konnten.

Pleiten, Pech und Pannen

Nicht nur die vielen Störfälle und Pannen während des Normalbetriebs haben das Risikopotential der Atomkraft gezeigt. Die Strahlenbelastung in der Umgebung der AKWs ist ebenfalls überdurchschnittlich.

Aber die entscheidende Frage - das Entsorgungsproblem - ist bisher völlig unbeantwortet geblieben. Alles Mögliche wurde unkontrolliert in Asse II hineingeschüttet, Papiere und Analysen gefälscht. Welcher Atom-Cocktail dort für wieviel Milliarden entsorgt werden muss, und ob das überhaupt noch geht, weiß niemand. Der bürgerliche Staat als Marionette der Atomindustrie und der Energiekonzerne hat sich als völlig unfähig erwiesen, eine auch nur minimale Aufsichts- oder Kontrollfunktion auszuüben. Dieses Vertuschungs- und Korruptionskartell ist eine Maffia.

Vor diesem Hintergrund eine Verlängerung der Laufzeiten von AKWs gesetzlich festzulegen, ist unverantwortlich und schlicht menschenfeindlich. Selbst die Frage, wer die Kosten für die Endlagerung übernimmt, ist ungelöst. Diese Kosten bleiben der gesamten Gesellschaft erhalten, damit im Wesentlichen für die Lohnsteuerzahler.

Die Entsorgungsfrage wird jede andere Regierung, aber auch jede andere Gesellschaftsform als ungelöste Hypothek am Bein haben. Jeder weitere Betrieb von AKWs wird diese Hypothek vergrößern. Jetzt stehen die Abschaltung der AKWs, deren kontrollierter Rückbau auf Kosten der Betreiber und die Lösung der Endlagerung auf der Tagesordnung.

40 Jahre Kampf gegen AKW - was wir daraus lernen können

In den 1970er Jahren begann der Protest gegen die Energiepolitik der herrschenden Klasse der alten BRD - eine Energiepolitik, die einseitig auf Atomenergie setzte, die Kosten und Probleme konsequent ausklammerte und mit permanenter Regierungsunterstützung die Atompolitik der herrschenden Klasse durchsetzte. Dabei konnte der Bau eines AKW in Wyhl sowie der  Bau einer Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf durch Massenwiderstand verhindert werden. Legendär ist auch der Widerstand in Brokdorf und Grohnde.

In den Gewerkschaften reichten die Reaktionen von Gegenwehr bis zur hemmungslosen Unterstützung der Stromkonzerne. Es hat damals Demos der Beschäftigten von AKWs für die Atomkonzerne (Schaffung von Arbeitsplätzen) gegeben, die von der ehemaligen ÖTV, heute Teil von ver.di, unterstützt wurden. Wenn ver.di jetzt die aktuelle Bundestagsopposition unterstützt, wird ver.di hoffentlich auch die Anti-AKW-Aktionen aktiver unterstützen. Auch solche Aktionen der IGM, die sich kürzlich gegen die Laufzeitverlängerung der AKWs richteten, stimmen etwas optimistisch.

Für die Beschäftigten der AKWs müssen soziale Lösungen, finanziert aus der Besteuerung von Großverdienern, gefunden werden. Es muss das Bündnis mit den Beschäftigten in der Energieindustrie geschlossen werden. Daher fordert die Gruppe Arbeitermacht in ihrem Aktionsprogramm:

„Betriebsstilllegungen aus Sicherheitsgründen dürfen nicht zur Entlassung der Beschäftigten führen! Verstaatlichung der gesamten Energie-, Wasser- und Entsorgungswirtschaft sowie der Nahrungsmittel-, Chemie- und Pharmaindustrie unter Arbeiterkontrolle! Für einen Plan zur Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energien, verbunden mit einem Plan zur Reduktion des Energieverbrauchs, dessen Umsetzung von Komitees aus Produzenten und Konsumenten kontrolliert wird! Für eine Erarbeitung und Durchsetzung eines Umweltnotplanes in den Organisationen der Arbeiterbewegung! Für einen schnellstmöglichen geplanten Ausstieg aus der Kernenergie und der Braunkohlenverstromung unter Arbeiterkontrolle!“

Die Kontrollforderungen sind dabei das Entscheidende, ist doch bloße Verstaatlichung keine Lösung. Die deutschen Energiekonzerne waren einst staatlich, auch heute sind noch Teile der Energiekonzerne in staatlichem Besitz, auch von verschiedenen europäischen Staaten wie Frankreich (ENBW), Schweden (Vattenfall) oder kleinere Beteiligungen Norwegens.

Laufzeitverlängerung der AKWs, massive Angriffe auf die Lebensgrundlagen und -perspektiven der abhängig Beschäftigten und Erwerbslosen, Jugendlichen und Studierenden, Frauen und Rentner, seitens des Staates und der Monopolbourgeoisie fordern uns alle zu konsequentem gemeinsamen Handeln auf: ohne Illusionen in eine scheinbare Reformierbarkeit des bestehenden kapitalistischen Systems zugunsten der Ausgebeuteten und Entrechteten.

Das Durchpeitschen zentraler Monopolinteressen, wie bei den AKWs und Stuttgart 21, zeigt, dass der deutsche Imperialismus keine Brosamen mehr zu verteilen hat. Jeder Abwehrkampf gegen diese Angriffe muss letztlich scheitern, wenn er isoliert bleibt. Nur im Zusammenschluss aller Kräfte, die schon heute gegen die kapitalistische Willkür in allen Lebensbereichen zu Felde ziehen, liegt die Chance für das Durchsetzen unserer Lebensinteressen.

Im September schrieben wir in unserer Infomail: „Der Kampf um die Enteignung der Energiewirtschaft unter Arbeiterkontrolle muss - wie jeder entschiedene Kampf - mit den Kampfmitteln der Arbeiterklasse geführt werden: mit Streiks und Besetzungen, mit dem Aufbau von Selbstverteidigungsorganen gegen Provokationen oder Räumungsversuche durch die Bullen. Er muss v.a. mit dem Kampf gegen die Auswirkungen der Krise verbunden werden. Denn nur so ist es realistisch, eine gesellschaftliche Bewegung, eine Kraft zu schaffen, die sich auf die Kernschichten der Arbeiterklasse in den Betrieben stützt, die nicht nur dem Spuk der Atomlobby ein Ende bereiten kann, sondern auch der Gesellschaft, die sie hervorbringt.“

Demokratische Rechte sind gegenüber der Atomindustriemafia kontinuierlich außer Kraft gesetzt worden. Transporte von Brennelementen, Castortransporte, genießen einen Status „überparlamentarischer Rechtmäßigkeit“ und legitimieren in den Augen der Gesetzgeber außerordentliche Gewaltanwendung durch massenhaften Polizeiaufmarsch.

Den Versuchen von Grünen, SPD und der Linkspartei, den Widerstand zu „verparlamentarisieren“, muss entgegegen getreten werden, ebenso allen Illusionen über einen „grünen Kapitalismus“!

Wir fordern auf zu einem entschlossenem Widerstand gegen die herrschende Energie- und Entsorgungspolitik! Die schwarz-gelbe Regierung zappelt an den Fäden der Stromkonzerne. Nicht nur die AKWs, auch diese Regierung muss schnellstens abgeschaltet werden!

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