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Sri Lanka

Erklärung zur Präsidentschaftswahl

Sozialistische Partei Sri Lankas, 4.2.2010, Infomail 468, 15. Februar 2010

Mahinda Rajapakses Sieg bei den Präsidentschaftswahlen und die Kampagne, mit der er sie gewonnen hat, werfen ein Schlaglicht auf die Gesellschaft Sri Lankas und die Politik. Trotz einer Vielzahl von Kandidaturen zählten praktisch nur zwei; beide repräsentierten die reaktionärsten Seiten des Landes.

Beide schwammen auf der Woge von Blut, mit der sie die geschwächten Kräfte der LTTE (Tamil Tiger) wegspülten. Beide gaben heuchlerisch vor, sie wünschten nichts mehr als die freundschaftliche Vereinigung mit der Tamilengemeinde. Zugleich versicherten sie ihrer Anhängerschaft aber, dass Sri Lanka ein sinhalesisches Land ist und bleiben wird.

Rajapakses Sieg

Dass Rajapakse als Sieger aus dieser Konkurrenz hervorging, ist eher seiner Kontrolle über die Medien und der Verfolgung der Anhänger seines Gegners geschuldet als sein eigenes Verdienst. Die staatlich kontrollierten Medien stellten Rajapakse genügend Propagandaplatz zur Verfügung, während sie seine Widersacher meist ignorierten. Unabhängige Wahlbeobachter vermerken 809 Vorfälle von gewaltsamen Übergriffen im Zusammenhang mit den Wahlen. Der unabhängige Wahlausschussvorsitzende Dawanada Dissanyake klagte über die Verfolgung seiner Beauftragten und ihre Aussperrung von den Stimmauszählungen. Er bat wegen dieses Drucks um Rücktritt von diesem Amt.

Doch obwohl einige Kommentatoren Rajapakses Sieg als Erdrutsch bezeichneten, musste er sich zu seinem Schrecken einer ernsthaften Konkurrenz stellen. Er hatte geglaubt, seine zweite Amtszeit wäre unbestritten. Immerhin 40% stimmten für den Gegenkandidaten Fonseka. Dies zeigt die tiefe Unzufriedenheit innerhalb der sinhalesischen Gesellschaft. Überall haben Korruption, Vetternwirtschaft, Unterdrückung von Bürgerrechten wie der Redefreiheit Rajapakse einen schlechten Ruf eingebracht und WählerInnen veranlasst, nach einer Alternative zum amtierenden Präsidenten zu suchen.

Aber wer ist Fonseka? Frisch vom Schlachtfeld zurück, war sein hauptsächlicher Beweggrund für die Kandidatur, dass er sich für seine Schlächterei an den TamilInnen nicht genug gewürdigt fühlte. Es überrascht nicht, dass die Hauptunterstützung für seine Kandidatur aus den Reihen der JVP und UNP kam, von Politikern, die auch die „Schlussoffensive“ gegen die LTTE mit getragen haben und nun ebenso enttäuscht waren, dass sie nicht ausreichend dafür belohnt worden waren.

So standen sie sich als sinhalesische Chauvinisten gegenüber und brauchten doch tamilische Wählerstimmen, um zu gewinnen. Beide hielten Ausschau nach Bündnispartnern unter den etablierten und „angesehenen“ Politikern in den Reihen der Tamilen. Figuren wie Thondeman vom Ceylonesischen Arbeiterkongress, der mit Rajapakse unter einer Decke steckt oder Sambandan von der Tamilischen Nationalallianz, der sich auf die Seite von Fonseka schlug, habe ihre Karriere durch diese Art von Kollaboration gemacht.

Landesweit haben 74% der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. Von diesen haben 98% Rajapaksa (Anteil 58%) oder Fonseka (Anteil 40%) gewählt. Diese Zahlen zeigen, wie tief das Gift des sinhalesischen Chauvinismus in den Organismus der srilankesischen Gesellschaft eingesickert ist. Die Gesamtzahlen verschleiern aber den Umstand, dass in vielen tamilischen Gebieten weniger als 20% zur Urne gegangen sind – ein Resultat nicht nur der politischen Apathie, sondern auch der politischen Unterdrückung.

Revolutionäre Alternative

Mit diesen Tatsachen müssen sich RevolutionärInnen in Sri Lanka auseinandersetzen. Während des Krieges haben verschiedene linke Strömungen die Rechte der tamilischen Gemeinschaft verteidigt. Sie wandten sich gegen Rajapakses autoritäre Regierung und unterstützten Arbeiterkämpfen gegen steigende Preise und die Regierung. Angesichts dessen hat die Sozialistische Partei Sri Lankas (SPSL), Sektion der Liga für die 5. Internationale (L5I), vorgeschlagen, einen gemeinsamen Kandidaten zu küren, um ein prinzipienfestes Eingreifen bei den Wahlen zu ermöglichen.

Wir haben argumentiert, dass ein solcher Kandidat sich auf ein Aktionsprogramm stellen sollte, das das Recht auf Selbstbestimmung der TamilInnen verteidigt, die Abrüstung in den Kriegszonen fordern, das Recht auf Rückkehr für Vertriebene einräumt, Arbeiterkämpfe um Löhne, Jobs und öffentliche Dienstleistungen unterstützt, den Aufbau von Arbeiterräten zur Lenkung und Zusammenfassung von Kämpfen fördert und zur Bildung einer Arbeiter- und Bauernregierung aufruft, die auf Basis dieser Räte verantwortlich handelt und einer sozialistischen Planwirtschaft zum Wiederaufbau der Insel verpflichtet ist.

Obwohl die beteiligten Gruppen dem Gedanken eines gemeinsamen Kandidaten, Wikramabahu Karunarathne von der Linksfront, zustimmten, wurde unser vorgeschlagenes Programm abgelehnt. Die Idee, wonach der Kandidat ein klar umrissenes Programm vertreten sollte, wurde gänzlich verworfen zu Gunsten der Losung „Keine Stimme für Kriegsverbrecher“. In Übereinstimmung mit diesem minimalistischen und politisch hohlen Slogan wurde die Verhinderung des Sieges eines der beiden Hauptkandidaten im ersten Wahlgang zum Kampagnenziel erklärt.

Für uns bedeutete diese Kampagne eine Verzettelung in Nichtigkeiten. Der Wert von bürgerlichen Wahlen liegt in erster Linie in der gesteigerten politischen Wahrnehmung in der Öffentlichkeit und besonders in der Arbeiterklasse. Sie bieten RevolutionärInnen eine Gelegenheit zur Erklärung und Argumentation für das Programm der Revolution in einer Breite, die sonst kaum möglich wäre. Wer diese Gelegenheit verschenkt, nur um möglichst viele Stimmen zu erhaschen, tappt in die Falle des Elektoralismus, was Lenin den parlamentarischen Kretinismus nannte.

Deshalb unterstützte die SPSL die Kampagne des „gemeinsamen Kandidaten“ Wikramabahu Karunarathne nicht. Auf vielen Versammlungen argumentierten wir, dass die Arbeiterklasse keine Kampagne um Minimalslogans braucht, sondern die Erarbeitung eines revolutionäres Programms und eine Arbeiterpartei, die es ausführt. Trotz des erklärten Ziels, einen Erstrundensieg zu verhindern, brachte die Kampagne auf niedrigem Niveau dem Linksfront-Kandidaten weniger Stimmen ein als 2005 (7.055 gegenüber 9.200).

Weder Siritunga Jayasuriya von der Vereinigten Sozialistischen Partei (USP) noch Widje Dias von der Sozialistischen Gleichheitspartei (SEP) waren für uns unterstützenswerte Kandidaten. Sie repräsentierten die beiden Extreme Opportunismus und Sektierertum. Die USP setzte ihre Politik der Anpassung an die Unternehmerpartei UNP fort und hatte eine gemeinsame Plattform mit dem UNP-Spitzenmann Ranil Wickremesinghe. Die Quittung dafür war ein Absturz der Stimmen von 35.000 (2005) auf 8.000 (2010). Die Kampagne endete sinnigerweise mit dem Gratulationshandschlag von Jayasuriya an Mahinda Radjapaksa nach Verkündung seines Wahlsiegs.

Die SEP ihrerseits bewies erneut, dass sie zwar ihre Kritik an den derzeitigen Arbeiterführern durchhält, aber völlig unfähig zu Taktiken ist, um ArbeiterInnen für neue Führungen zu gewinnen. Ihr Sektierertum und ihre Weigerung, das Recht der TamilInnen auf Selbstbestimmung anzuerkennen, würden das revolutionäre Programm auf ein steriles Dogma reduzieren. Zwar hat die SEP den Trost eines Stimmenzuwachses von 3.500 auf 4.195, aber - wie Trotzki sagte - ein revolutionäres Programm ist für die Aktion von Millionen gedacht und nicht für die Betrachtung von Wenigen.

Es gab keinen Kandidaten, der trotz eines ungeeigneten Programms als echter Vertreter von Kämpfen der Arbeiterklasse oder sozial unterdrückter Schichten gelten konnte und den wir deshalb hätten kritisch unterstützen können. Zwar schien es kurzfristig so, dass der Abgeordnete der TNA, Siwadjilingam, ein Kandidat für den tamilischen Kampf sein könnte, aber als die TNA-Führung sich entschloss, ihre Unterstützung Fonseka zu geben, wurde klar, dass Siwadjilingam sich nicht als ein solcher Vertreter etablieren konnte.

Ob Fonsekas angedrohte Herausforderung sich nun als real erweisen wird oder nicht, Rajapaksas Sieg steht anscheinend fest. In der unmittelbaren Zukunft wird er versuchen - so lange JVP und UNP noch in Turbulenzen stecken - durch Auflösung des Parlaments und Ansetzung von vorgezogenen allgemeinen Wahlen seinen Vorteil zu nutzen. Sein Ziel ist es, wie mit den frühen Präsidentschaftswahlen seine Position für die kommenden stürmischen Zeiten zu stärken.

Soziale Lage

Sri Lankas wirtschaftliche Lage verheißt, dass die nächste Regierung ein Sparpaket bei den Staatsausgaben schnüren wird. Auf Grund seiner geographischen Lage wird das Land die  Begehrlichkeiten der Großmächte, insbesondere der USA, Chinas und Indiens auf sich ziehen. Rajapakse wird versuchen, die eine gegen die andere auszuspielen, um einen Vorteil und Hilfe zu bekommen.

Für die ArbeiterInnen und Unterdrückten in Sri Lanka erfordert die wirksame Verteidigung ihres Lebensstandards, ihrer Arbeitsplätze und Rechte einen entschlossenen Kampf - Demonstrationen, Besetzungen, Streiks und Streikposten mit allen militanten Kampftaktiken bis zum Generalstreik und Aufstand. Solche Kämpfe benötigen eine politische Führung, die politisch unabhängig von allen Ausbeutern und Staaten ist. Daher brauchen wir eine neue Arbeiterpartei in Sri Lanka, eine Partei, die die Lehren aus der Degeneration der LSSP und der 4. Internationale gezogen hat.

Die SPSL wird weiterhin den GenossInnen und FührerInnen der Linken in Sri Lanka die Zusammenarbeit beim Aufbau einer solchen neuen Partei vorschlagen, ohne die Differenzen zu unterschlagen, aber mit dem Ziel, diese Differenzen im Rahmen einer neuen Arbeitermassenpartei zu klären. Alle sollten dabei frei ihre Positionen argumentieren können und Mehrheitsentscheidungen akzeptieren. Für uns sind Parlamentswahlen die erste Gelegenheit, mit dieser Arbeit zu beginnen. Wir fordern RevolutionärInnen und die AktivistInnen der Arbeiterklasse im ganzen Land auf, zusammen zu arbeiten, um Kandidaten zu suchen, die für den Sturz des Kapitalismus, den Aufbau eines Arbeiterstaates und die Bildung der 5. Internationale stehen.

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