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Tarifrunde Öffentlicher Dienst Bund und Kommunen

Schlichtung statt Kampf

Helga Müller, Infomail 469, 15. Februar 2010

Ver.di ruft mit den öffentlichen Arbeit”gebern” zur Schlichtung auf - anstatt den unbefristeten Vollstreik zur Durchsetzung der 5 % vorzubereiten!

Gerade als die ersten Warnstreiks mit ca. 120.000 Beteiligten für die etwa zwei Millionen Beschäftigten bei Bund und Kommunen angelaufen sind und die öffentlichen Arbeit”geber” endlich - wie sich ver.di ausdrückt - die Katze aus dem Sack gelassen haben, geht ver.di ohne Not in Schlichtungsverhandlungen!

Die Gewerkschaftsführung hat diesen Kurs just zu dem Zeitpunkt eingeschlagen, als Bund und Kommunen erklärten, dass sie nicht auf die Forderung von ver.di eingehen wollen, ja noch nicht einmal auf den Kompromissvorschlag der Bundestarifkommission von 3,5 statt 5 % im Gesamtvolumen. Nebenbei sei angemerkt, dass dieser Kompromissvorschlag den Mitgliedern nicht zur Entscheidung und Diskussion vorlag.

Welt der Bürokratie

Mittlerweile muss man sich schon die Frage stellen, in welcher Welt denn die Herren und Damen GewerkschaftsführerInnen eigentlich leben? Eigentlich müsste jetzt auch der Blödeste in der Bundestarifkommission erkannt haben, dass auch die öffentlichen Arbeit”geber” - ob der Kommunen oder des Bundes - die Beschäftigten und die Bevölkerung für die Krise zahlen lassen wollen.

Die öffentlichen Arbeit”geber” jammern erneut über den schlechten Zustand der Haushalte von Bund und Kommunen, den sie selber durch ihre Steuergeschenke an die Reichen, Unternehmer und Banken verschuldet haben. Der Appell von ver.di an die kommunalen Arbeit”geber”, doch den “Schulterschluss” mit ver.di gegen die Bundesregierung einzugehen, blieb wie erwartet unfruchtbar. Stattdessen fordert der Verhandlungsführer der Arbeit”geber”-Seite De Maizière von den Beschäftigten in der Schlichtung weitere Zugeständnisse: “Die Schlichtung wird sehr schwierig und nur zum Erfolg führen, wenn die Arbeitnehmer ihre Forderung drastisch nach unten verändern” (nach junge welt, 13.02.10)

Welche Überraschung! Wer hätte das gedacht!

Statt die volle Kampfkraft der Mitglieder und Beschäftigten in die Waagschale zu werfen, die Organisierung der Urabstimmung über einen unbefristeten Vollstreik zu beginnen und in dieser Bewegung alle Lohnabhängigen und die arbeitslose Bevölkerung mit in den Kampf zu führen, die spätestens nach den Landtagswahlen in NRW mit Schließungen von Schulen, Schwimmbädern, Bibliotheken, Jugendeinrichtrungen etc. oder Gebührenerhöhungen von Kitas etc. die Zeche zahlen müssen, macht ver.di noch den Vorschlag, dass die Tarifparteien - also zusammen mit den öffentlichen Arbeit”gebern” - gemeinsam die Schlichtung anrufen!

Begründet wird das Ganze in den diversen Flugblättern von ver.di damit, dass man “alle Möglichkeiten ausschöpfen [wolle], doch noch durch Verhandlungen zu einem zufriedenstellenden Ergebnis zu kommen.”

Einstimmen auf faule Kompromisse

Die Beschäftigten werden mittlerweile mit allen Mitteln darauf eingestellt, doch auf das Verhandlungsgeschick der Bundestarifkommission in der Schlichtungskommission zu vertrauen. Denn zum einen käme diesmal die entscheidende Stimme in der paritätisch besetzten Schlichtungskommission von dem „unabhängigen“ Vorsitzenden Herbert Schmalstieg, ehemaliger Oberbürgermeister von Hannover, seines Zeichens SPD-Mitglied, der diesmal von ver.di benannt wurde. Das biete die Möglichkeit, dass sich ver.di durchsetzen könne, gestärkt durch die Warnstreiks der letzten Wochen. Kein Wort davon, dass dieser Herbert Schmalstieg selbstverständlich im Zweifelsfall im Sinne der öffentlichen Arbeit”geber” entscheiden wird. Als ehemaliger Oberbürgermeister hat er natürlich für die Finanznöte der Kommunen mehr Verständnis als für die Belange der Beschäftigten!

Das zweite Einfallstor besteht darin, dass, ob die Empfehlung, die bis zum 25. Februar durch die Schlichtungskommission vorliegen soll, “unseren (= Verhandlungsführung, Anm. der Red.) Erwartungen entspricht” oder nur die Bundestarifkommission entscheiden wird. Die Erwartungen werden nicht näher definiert. Ein fauler Kompromiss ist damit schon wieder in Vorbereitung.

Das alles zeigt, dass die Verhandlungsführung nach wie vor darauf setzt, die kommunalen Arbeit”geber” von der volkswirtschaftlichen Vernunft, doch die Binnennachfrage durch Stärkung der Kaufkraft anzukurbeln, zu überzeugen und sie damit gegen den Bund in Stellung zu bringen. Sie verschweigt, dass sie damit den Ausverkauf der Interessen der Belegschaft nach einer realen Lohnerhöhung, nach besseren Arbeitsbedingungen und Erhalt der Stellen in Kauf nimmt. Was noch schlimmer ist: Sie trägt mit dieser Vorgehensweise dazu bei, dass sich das gesamtgesellschaftliche Kräfteverhältnis - wer setzt sich durch, wer zahlt die Lasten der Krise - zuungunsten der gesamten Arbeiterklasse verändert.

Wenn man so vorgeht, muss man natürlich auch keine politischen Forderungen aufstellen, um aufzuzeigen, woher das Geld denn kommen soll bzw. warum die Finanznot der Kommunen und des Bundes so hoch ist, um damit den Beschäftigten und der gesamten Arbeiterschaft aufzuzeigen, dass es sich um einen Kampf gegen die Abwälzung der Krisenlasten auf die Lohnabhänigen, Arbeitslosen, RenterInnen und Jugendlichen handelt!

Doch es gibt die Möglichkeit für die Mitglieder und die Belegschaften, dieses Spiel zu durchkreuzen. Am 25. Februar liegt das Schlichtungsergebnis vor, am 27. Februar soll es nochmals zu Verhandlungen kommen.

Die Belegschaften müssen das Schlichtungsergebnis, sobald es bekannt ist, diskutieren und entsprechende Protestresolutionen an die Tarifkommission mit der Forderung nach sofortiger Einleitung der Urabstimmung über einen unbefristeten Vollstreik zur vollen Durchsetzung der 5 % Forderung richten.

Doch dafür ist es notwendig, dass sich die Belegschaften eigene Strukturen, eigene Organe für den Kampf und für die Kontrolle über den Kampf aufbauen.

Die Belegschaften müssen sich einsetzen für folgende Bedingungen und Forderungen, um erfolgreich kämpfen zu können:

Aufbau von lokalen Streik- und Aktionskomitees, die bundesweit koordiniert werden, damit der Kampf unter Kontrolle der Beschäftigten geführt werden kann. Diese Streik- und Aktionskomitees sind den Belegschaften gegenüber rechenschaftspflichtig und diese entscheiden über die Fortführung der Streiks.

Keine Geheimverhandlungen und faulen Deals hinter dem Rücken der Belegschaften, sei es in den Tarifverhandlungen mit den Arbeit”gebern” oder in der Schlichtungskommission!

Aufbau von Solidaritätskomitees in den Stadtteilen, um die arbeitende und arbeitslose Bevölkerung mit in den Kampf zu ziehen.

In diesem Kampf müssen auch politische Forderungen aufgestellt werden: Einführung einer Millionärssteuer! Rücknahme der Steuervergünstigungen der letzten 15 Jahre, z.B. der Senkung der Körperschaftssteuer und des Spitzensteuersatzes!

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