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Kassel

Besetzungsbewegung am Scheideweg

Peter Lenz, Infomail 457, 26. November 2009

Kurz nach 15 Uhr staut sich in Kassel der Verkehr in den Hauptverkehrsadern der Innenstadt endgültig. Seit fast zwei Stunden ziehen etwa 500-700 StudentInnen durch die Straßen.

Seit dem 19.11.09 halten StudentInnen den Hörsaal 2 an der Kasseler Uni besetzt. Vor der Demonstration gegen die Zustände an der Uni am 24.11. war ungewiss, wie viele diesmal kommen würden - nach 400 in der letzten Woche. Es waren dann sogar etwas mehr, was aber bei dem äußerst schlechten Wetter auch wieder gut war - gut wie die Stimmung auf dieser Demo quer durch Kassel und zurück zur Uni. Nachdem am Abend vorher die Zahl der BesetzerInnen auf wenige zusammengeschmolzen und die Stimmung schlecht war, füllte sich nach der Demo der Hörsaal wieder.

Es bleibt aber festzustellen, dass der Protest doch weitgehend auf die Uni beschränkt bleibt. Von den SchülerInnen kam lediglich ein Grußwort, ebenso von der DGB-Jugend und vom ASTA. Vereinzelt waren Fahnen der GEW und der Linkspartei sowie von Organisationen wie REVOLUTION, SAV und SDAJ zu sehen. Auffällig, dass weder Grüne noch SPD sich blicken ließen, obwohl sie doch in Hessen „Opposition“ sind.

Noch vor einer Woche, am 17.11., waren 6 Busse mit in der GEW organisierten LehrerInnen nach Wiesbaden gefahren. Vor wenigen Monaten waren allein in Kassel fast 2.000 SchülerInnen unterwegs. Es sind für sich genommen gute Aktionen, aber es fehlt die Verbindung untereinander, die Verbindung mit den Arbeitskämpfen der Reinigungskräfte und der ErzieherInnen - als ob eine unsichtbare Hand all diese Aktionen fein säuberlich getrennt hätte.

Schwächen der Bewegung

Indes ist diese StudentInnenbewegung eine recht eigentümliche. Sie möchte nicht „instrumentalisiert“ werden, unpolitisch bleiben, wo sie doch erst durch politische Entscheidungen in Gang gebracht wurde. Obwohl sie in diversen Städten stattfindet, findet keine Vereinheitlichung, keine verbindende Organisierung statt.

Die Gefahr des langsamen Abbröckelns ist trotzt der erfolgreichen Demo am Dienstag weiterhin gegeben, wenn sich nicht die Basis von Streik und Besetzung an der Uni signifikant vergrößert, wenn keine gemeinsame Perspektive (wie z.B., die einer StudentInnen- und SchülerInnengewerkschaft) sie eint, wenn kein gemeinsamer Katalog von Forderungen beschlossen und dafür geworben wird.

Trotzdem ist dies für die bürgerliche Bildungspolitik ein Schlag ins Kontor. Die Unzufriedenheit führt auf allen Ebenen zu Widerstand, die Ergebnisse der Bildungspolitik sind alles andere als zufriedenstellend, zumal die formalisierte und reglementierte Ausbildung nicht einmal die Ware „gebildete Arbeitskraft“ hervorbringt, die in der Produktion gebraucht wird. Allenfalls für Juristen, Betriebs- und Volkswirtschaftler u.ä. mag diese Art der Ausbildungsdressur die „richtigen Produkte“ hervorbringen, die aber eigentlich zu den unproduktiven Bereichen zählen.

Der Frust sowohl unter den Studierenden als auch bei den DozentInnen wächst angesichts der Bedingungen. Die materielle Ausstattung der Hochschulen u.a. Bildungsstätten wird sich angesichts der Haushaltslage, sei sie durch die Krise bedingt oder durch Steuergeschenke der schwarz-gelben Regierung, weiter verschlechtern - und das bei steigender Zahl der Studierenden. Das führt immer wieder immer neue Schichten in Proteste, die ständig neu aufflammen, ohne dass sich der Widerstand bisher verfestigen konnte.

Genau das aber ist die Aufgabe der nächsten Periode: die vereinzelten Sektoren des Widerstandes zu einem gemeinsamen Kampf gegen die Abwälzung der Krisenkosten auf die ArbeiterInnen und die Jugend zu vereinen.

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