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Frankreich

Millionen streiken und demonstrieren gegen Sarkozy und Kapitalismus

Marc Lassalle, Paris, Infomail 406, 31. Januar 2009

Am 29. Januar demonstrierten 2,5 Millionen ArbeiterInnen in rund 200 Städten, um gegen die Folgen der ökonomischen Krise und gegen die „Reformen“ des Präsidenten Nicolas Sarkozy zu protestieren. Aufgerufen wurde von allen Gewerkschaften in ungewohnter Einheit. Der Generalstreik wurde ein klarer Erfolg, er hat die Arbeiterklasse, ihre Wut, und ihre Forderungen in den Mittelpunkt des politischen Lebens gerückt.

In Paris marschierten 300.000 ArbeiterInnen vom historischen Place de la Bastille ab. Große Demos fanden auch in Marseille, Toulouse und Bordeaux statt. Die Kontingente waren sehr unterschiedlich. Während starke Kräfte aus dem Öffentlichen Dienst (LehrerInnen, Gesundheitsbereich, Post, Transport, öffentliche Dienstleistungen) kamen, schlossen sich viele ArbeiterInnen aus dem privaten Sektor der Demo an, einige von ihnen das erste Mal in ihrem Leben. Auch „unübliche“ Sektoren wie Hubschrauberpiloten, Pariser Börsenangestellte, Ski-Lift-FührerInnen traten in den Streik und stellten die Breite der Unzufriedenheit unter Beweis. In Umfragen unterstützen mehr als zwei Drittel der Bevölkerung den Streik.

Die Wut gegen Sarkozy und seine Regierung, aber auch allgemein gegen den Kapitalismus war spürbar. Ein paar Monate vorher hatte Sarkozy erklärt: “Wenn heute ein Streik ist, merkt das keiner.” Heute haben ihm Millionen bewiesen, dass er falsch liegt.

Was sind die Gründe für diese Mobilisierung?

Der erste Grund ist die Tatsache, dass Millionen von ArbeiterInnen extrem über die Auswirkungen der ökonomischen Krise beunruhigt sind. Während Frankreich im letzten Quartal 2008 mit (finanz-)technischen Mitteln vermieden hat, offiziell in eine Rezession zu schlittern, stiegen die Arbeitslosenzahlen in den letzten Monaten um 100.000. Die Produktion wurde für ein paar Wochen gestoppt, in mehreren Automobilwerken länger als einen Monat. Andere Fabriken wurden einfach heruntergefahren und die ArbeiterInnen entlassen. Das ist aber nur die Spitze des Eisbergs. Überall haben Firmen Zeitarbeitsverträge gekündigt.

Der zweite Grund liegt in den politischen Maßnahmen der Regierung. Seit seiner Wahl vor zwei Jahren hat Sarkozy die Arbeiterklasse angegriffen und seine „Reformen“ eingeführt, vor allem die Zerstörung der Öffentlichen Dienste und der Rechte der ArbeiterInnen. Er tat dies, während er versprach, dass die ArbeiterInnen “mehr arbeiten, um mehr zu verdienen”, dass er der “Präsident der Kaufkraft” sein wird. Er hat Vollbeschäftigung versprochen. Heute stellen sich all diese Versprechungen als das heraus, was sie wirklich sind: Lügen.

Während über Jahre das offizielle Argument war, dass kein Geld da ist für soziale Projekte, hat die Regierung sofort 360 Milliarden Euro zur Hand gehabt, um die Banken zu retten, und viele Milliarden mehr, um den Großkonzernen zu helfen. Das wirkte wie eine Provokation.

Auch die Privatisierung der Post wird fortgesetzt. Mehr als 10.000 Jobs sollen in den Schulen gestrichen werden. Eine weitere Reorganisation des Gesundheitssystems ist in Arbeit, mit Schließungen von Krankenhäusern und Arbeitsplatzverlusten.

All dies kommt in einer Situation, die schon schwierig genug ist für Millionen von ArbeiterInnen. Niedrige Löhne und unsichere Jobs machen das Leben unerträglich schwierig für viele. In einem der reichsten Länder der Welt werden Grundbedürfnisse wie Lebensmittel, Gesundheit, eine menschenwürdige Wohnung oft zu teuer - bei einem Mindestlohn von 1200 Euro.

Heute haben die ArbeiterInnen gezeigt, dass sie diesem Weg nicht folgen wollen.

Heute denken viele, “die Furcht ändert die andere Seite”. Und tatsächlich, seit mehreren Monaten wurde die Furcht vor einer sozialen Explosion zur größten Sorge der Regierung. Im Dezember, nach mehreren Wochen einer sich ausweitenden Bewegung an den Schulen, hat sie eine „Reform“ aus Angst vor einem “griechischen” Szenario zurückgestellt. Die letzten Reden von Sarkozy außerhalb von Paris wurden entweder von Sprechchören gestört oder fanden hinter einer massiven Polizeiintervention statt.

Wenn sich die größten Gewerkschaftsverbände nächste Woche treffen, um die nächsten Aktionen zu diskutieren, muss man allerdings skeptisch sein, denn in allen größeren Krisen der Vergangenheit konnte die französische Bourgeoisie immer auf die Hilfe der Gewerkschaftsbürokraten zählen, um ihr System zu retten.

Die NPA

Nächste Woche wird jedoch durch den Gründungskongress der Nouveau Parti Anticapitaliste (Neue Antikapitalistische Partei, NPA) geprägt sein, einem Projekt, das von der LCR (Ligue communiste revolutionnaire, Sektion des Vereinigten Sekretariats der Vierten Internationale) angestoßen wurde. Die NPA hat mehr als 10.000 AktivistInnen angezogen, die in mehr als 300 lokalen Komitees organisiert sind. Es ist klar, dass die NPA ein Schlüsselfaktor sein könnte, um das Kräfteverhältnis zwischen den Klassen zu ändern. Dazu muss sie sich aber um ein Übergangsprogramm organisieren und auf dieser Basis massiv in den Klassenkampf der nächsten Monate eingreifen. Die Selbstorganisierung der Bewegung und ein Sofortprogramm gegen die Krise sollten die zwei Säulen der Intervention sein.

Die 60.000, die in Bordeaux hinter dem Transparent „Ihr seid die Krise, wir die Lösung“ marschierten, haben total recht.

Massendemonstrationen und Generalstreiks wie heute sind ein Schritt vorwärts zur Lösung, zur sozialistischen Revolution in Frankreich - vorausgesetzt, die französische Arbeiterklasse bewaffnet sich selbst mit einer neuen politischen Führung entsprechend den Aufgaben des Kampfes, mit dem Ziel, die Macht der Kapitalisten zu überwinden, ihre Staatsmaschine zu zerschlagen und ihre eigene Räteherrschaft zu schaffen.

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