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Nahost

Ein Angriff auf den Iran vor dem Ende der Bush-Administration?

Roman Birke, Infomail 369, 24. Juni 2008

Nachdem die mittlerweile ausgeschiedene US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton mit der Auslöschung des Iran gedroht hatte, sollte dieser Israel mit Atomwaffen angreifen, hat sich auch Barack Obama einer radikaleren Rhetorik gegenüber Teheran bedient. Bei seiner Rede vor dem einflussreichen American Israel Public Affairs Committee (AIPAC) hat er mehrmals seine Entschlossenheit betont, alle notwendigen Mittel bereitzustellen, um Israels Sicherheit zu gewährleisten. So sprach er davon, dass „Israels Sicherheit unantastbar“ und „unverhandelbar“ ist. Diese Rede zeigt ganz klar, dass es falsch wäre auch nur die geringsten Illusionen in Obamas Rolle zu haben und er in Wirklichkeit ein Repräsentant des US-Imperialismus ist. Die gesamte halbkoloniale Welt, die Antikriegsbewegung und die internationale Arbeiterklasse müssen diese Aussagen als große Gefahr anerkennen und Widerstand dagegen organisieren.

Wenngleich Obama die Bush-Administration nach wie vor beschuldigt, einige Fehler vor allem mit der Intervention im Irak gemacht zu haben, so erklärt er sich jedoch in seiner Rede mit der strategischen Perspektive der US-Bourgeoisie an mehreren Stellen einverstanden. Sowohl was die Frage des Nahost-Konflikts, die Stellung Syriens oder die Entwicklungen im Libanon betrifft, unterstützt Obama die Strategie der herrschenden Klasse. Es wäre natürlich eine sehr plumpe Herangehensweise würde man meinen, dass zwischen dem demokratischen und republikanischen Lager, die jeweils unterschiedliche Teile der US-Bourgeoisie repräsentieren, kein Unterschied bestehen würde. Doch in allen strategischen Fragen, wie der Notwendigkeit die Hamas zu isolieren und nicht mit ihr zu verhandeln, die Resolution 1701 zur Stationierung von UN-Truppen im Libanon entschlossener durchzusetzen oder die Legitimität von militärischen Drohungen Israels gegenüber Syrien zu rechtfertigen, hat Obama signalisiert, dass dies Fixpunkte seiner politischen Anschauung sind. Bei diesen Unterschieden zwischen den bürgerlichen Lagern geht also keineswegs um die Frage welche Ziele es zu erfüllen gilt, sondern lediglich wie diese zu erreichen sind.

Der imperialistische Hegemonialanspruch der USA im Nahen Osten spiegelte sich dabei vor allem in seinen Aussagen zum Iran wider, die wohl keinen Zweifel mehr über den wahren Charakter Obamas offen lassen sollten. Ganz offen hat er betont, dass es keine größere Bedrohung für die Region gibt als den Iran und gleichzeitig zugesichert, dass er bereit ist, diese Bedrohung abzuwehren: „Es gibt keine größere Bedrohung für Israel – oder den Frieden und die Stabilität der Region – als den Iran.“. Gleich danach sagte er: „Die Gefahr, die vom Iran ausgeht ist massiv, ist real und mein Ziel wird es sein diese Bedrohung zu eliminieren.“

Diese Radikalisierung in Obamas Rede vollzieht sich in einem Umfeld wachsender Kriegsdrohungen gegen den Iran, die die Gefahr eines Militärschlags noch vor der US-Präsidentschaftswahl im November wieder wahrscheinlicher erscheinen lassen.

Sanktionen und militärische Drohungen

Dass der Iran eine bedeutsame strategische Rolle für die USA und ihre Interessen im Nahen Osten einnimmt, ist keine Neuigkeit. Nach wie vor verfügt der Iran über die größten Erdgasreserven in der Region und insgesamt über die zweitgrößten Erdgasreserven weltweit. Auch die ca. 150 Milliarden Barrel an Erdölvorräten, von denen viele sich in noch nicht erschlossenen Quellen befinden, sind vor allem in Zeiten stärkerer Abhängigkeit von Erdöl ein wichtiger Faktor. Ebenso ist die strategische Lage – vor allem was die Kontrolle über die Straße von Hormus, über die 30 Prozent aller Öllieferungen abgewickelt werden, betrifft – von zentraler Bedeutung für die US-Bourgeoisie. Mit einem für ihre politischen und wirtschaftlichen Interessen hohen Unsicherheitsfaktor wie dem Iran, der im Endeffekt relativ schnell die Straße von Hormus blockieren und somit die Erdölversorgung unterbrechen könnte, ist eine weitgehend vollkommene Kontrolle der Region wohl nicht möglich.

All diese Gründe sind es, warum der Iran schon immer eine wichtige Rolle für die USA gespielt hat. 1953 haben die USA zusammen mit Großbritannien das nationalistische Regime von Mohammad Mosaddeq gestürtzt und es mit der Diktatur des Shah Reza Pahlavi ersetzt. Nach dem Pahlavi von der iranischen Revolution gestürzt worden ist, entschlossen sich die USA den Iran zu destabilisieren, nachdem sie durch eine Besatzung der US-Botschaft gedemütigt wurden und auch Geiselbefreiungsaktionen fehlgeschlagen sind. Diese Destabilisierung erfolgte durch die Ermunterung von Saddam Hussein den Iran anzugreifen.

Mit der Ideologie des „Krieges gegen den Terror“ wurde der Iran ganz offiziell zur sogenannten „Achse des Bösen“ gezählt und somit eine weitere Front in diesem Krieg. Vor allem das neokonservative Lager forderte schon lange eine härtere Gangart gegenüber dem Iran. So antwortete der imperialistische Ideologe und Direktor des Jewish Policy Center, Jonathan Schanzer, auf die Frage, warum die Kriegsdrohungen den Iran so kalt lassen, dass dahinter Jahrzehnte von zu sanfter Behandlung des iranischen Regimes stehen. „Amerikas dauernde schwache Antworten über fast drei Jahrzehnte haben einen gestärkten Iran geschaffen. Fast bei jedem Fall, in dem Iran Amerika provoziert hat, hat Washington schwach geantwortet.“ Als Konsequenz fordert er eine aggressivere Politik der USA, um eben die strategischen Interessen der USA durchzusetzen.

Nach Bush’s Rede zur Lage der Nation äußerte sich die härtere Gangart gegen den Iran vor allem in der verstärkten Beobachtung des iranischen Atomprogramms durch die Internationale Atomenergiebehöre (IAEO). Zusätzlich wurden vor allem ab Ende 2006 schärfere Maßnahmen getroffen, die auf eine ökonomische Isolation des Iran abzielten. Im Dezember 2006 sanktionierte der UN-Sicherheitsrat jeglichen Handel mit Gütern, die zur Uran-Anreicherung oder zur Entwicklung von Schwerwasserprojekten verwendet werden könnte. Diese Sanktionen wurden im März 2007 durch die Resolution 1747 verschärft, indem sie auf fast jegliches Kriegsmaterial (Panzer, Schiffe, Raketen, etc.) ausgedehnt wurden und auch allen Mitgliedsländern der UNO aufruft, keine Vereinbarungen über Finanzhilfen oder auch Wirtschaftsabkommen abzuschließen. Mit dieser Resolution wurden die wirtschaftlichen Sanktionen also auch auf zivile Bereiche der Produktion ausgedehnt. Die Betonung der Resolution, dass keine humanitären Güter sanktioniert werden sollen, wird damit zur Farce. Denn notwendigerweise bedeutet die wirtschaftliche Isolierung, durch den Druck keine Wirtschaftsabkommen zu schließen, auch eine massive Schwächung der Wirtschaft und somit eine strukturelle Schmälerung der Lebensgrundlage der Bevölkerung.

Zwei Monate nach der Annahme dieser Resolution verschärfte sich die Situation wieder, nachdem zwei US-Flugzeugträger zusammen mit anderen Kriegsschiffen die größte Trainingsmission nach Beginn des Irak-Kriegs vor der Küste des Iran im persischen Golf absolviert haben. Das militärische Säbelrasseln erreichte damit eine neue Qualität. Richtigerweise haben wir damals vor einem möglichen militärischen Schlag gegen den Iran gewarnt und für Massenaktionen der Arbeiterklasse und der Antikriegsbewegung im Falle eines Angriffes aufgerufen. Wie ein Vertreter des imperialistischen Think-Tank „Washington Institute on Near East Policy“ bestätigt hat, gab es im Sommer 2007 konkrete Kriegspläne, die jedoch vom Pentagon abgelehnt wurden, da man der Ansicht war, ein solcher Angriff würde der USA größere Schwierigkeiten – u.a. im Irak – bringen.

Nach dem sich also die militärischen Drohungen und direkten Aggressionen zwischen Dezember 2006 und August 2007 kontinuierlich verschärft haben, konnte man danach eine klare Konzentration auf die Verhängung von Sanktionen beobachten. Nachdem der Vorschlag von Cheney, die wichtigsten Stützpunkte der iranischen „Revolutionären Garden“ (IRGC) zu bombardieren, abgelehnt wurde, wurden sie stattdessen im September als terroristische Organisation gebrandmarkt, was der US-Regierung die Verhängung von schärferen Sanktionen gegen die IRGC ermöglichte (z.B. Einfrierung von Konten, etc.). Dieser Kurs setzte sich bis zum März 2008 fort, als mit der Resolution 1803 weitgehende Sanktionen gegen iranische Einzelpersonen und Unternehmen verhängt wurden (auch hier ging es vor allem um die Einfrierung von Vermögen von 12 iranischen Unternehmen und 13 Einzelpersonen), die mit dem iranischen Atomprogramm in Verbindung standen.

Es wäre eine naive Haltung, würde man glauben Sanktionen wären im Gegensatz zu militärischen Interventionen eine friedliche Lösung des Konflikts. In Wirklichkeit dienen sie dazu, die Macht der imperialistischen Staaten gegenüber dem Iran zu stärken und den Iran zu Zugeständnissen zu zwingen. Es sei an dieser Stelle erinnert, dass die Sanktionen der USA gegen den Irak in einem Zeitraum von 10 Jahren über eine Million Todesopfer gefordert haben. Doch auch wenn es keine zivilen Opfer geben würde, lehnen wir jegliche Form der Sicherung imperialistischer Vormachstellung ab, da sie im Endeffekt die Stellung der internationalen Interessen des Kapitals stärkt und unmittelbar einen Rückschlag für die Völker der halbkolonialen Welt und die internationale ArbeiterInnenklasse bedeuten.

Forderungen nach einem Angriff auf den Iran

Nach dieser Periode, in der die Bush-Administration vor allem auf die Verhängung von Sanktionen konzentriert hat, wurden Mitte Mai wieder vermehrt Berichte veröffentlicht, die einen Militärschlag als realistisch eingestuft haben. Laut zwei US-Senatoren gibt es konkrete Pläne, einen Luftschlag gegen die Stützpunkte der IRGC durchzuführen, bzw. wurde die Durchführung schon existierende Pläne wieder verstärkt vorangetrieben.

Auch Israel griff zu härterer Rhetorik. Vor allem der israelische Transportminister Shaul Mofaz steigerte mit seinen Aussagen, dass Israel „angreifen werden“, sollte der „Iran sein Programm zur Entwicklung von Atomwaffen fortsetzen“, die Volatilität der internationalen Finanzmärkte. Kurz nach dieser Aussage machte der Ölpreis den höchsten Sprung seit Jahren und kletterte an einem Tag um fast 11$ aufwärts.

Die Ölmärkte beruhigten sich erst, als der israelische Premier Ehud Olmert sich von dieser Aussage distanzierte. Gleichzeitig ist jedoch auch eine Radikalisierung in Olmerts Aussagen bemerkbar, der unter anderem betont hatte, dass eine „dringende Notwendigkeit zur Aktion“ bestehen würde und dass das „Fenster der Gelegenheit“ um den Iran vor einer Aufrüstung mit Atomwaffen zu stoppen nicht mehr lange bestehen würde. Diese Aussage war eindeutig gegen den Bereicht der US-Geheimdienste gerichtet, der davon spricht, dass seit 2003 keine Versuche mehr gemacht wurden, Nuklearwaffen herzustellen. Gleichzeitig forderte er die Freigabe der Lieferungen von F-22 Kampfflugzeugen, die vor allem auch für Luftanschläge gegen unterirdische Ziele (also unter anderem iranische unterirdische Atomanreicherungsanlagen wie in Natanz) geeignet wären. Die USA reagierte prinzipiell positiv und argumentierte, dass dies ein wichtiger Schritt sein könnte, um die Drohungen gegenüber dem Iran zu verstärken.

Auch Bush selbst, hat während eines Treffens mit der deutschen Kanzlerin Merkel noch einmal bekräftigt, dass nach wie vor „alle Optionen auf dem Tisch“ liegen würde. Die EU – die sich natürlich als imperialistischer Block auch auf dem Boden des Nahen Ostens etablieren möchte – hat ihrerseits damit gedroht iranische Konten einzufrieren.

Zwei Strategien der US-Bourgeoisie

Möchte man die Diskussion in den Kreisen der wichtigen ideologischen Repräsentanten der herrschenden Klasse bilanzieren, so kann man sagen, dass die Bourgeoisie der USA grob in zwei Lager gespalten ist. Während das eine Lager die Notwendigkeit eines Militärschlags betont, stützt sich das andere vor allem auf die Möglichkeiten der „aggressiven und prinzipienfesten Diplomatie“ unter der Führung der USA, wie Obama dies in seiner AIPAC Rede ausgedrückt hat.

In letzter Instanz drücken natürlich beide das prinzipielle Interesse nach stärker Kontrolle der Region im Nahen Osten und letzten Endes die Unterwerfung der halbkolonialen Welt aus. Unterschiedliche Einschätzungen bestehen nur darin, welche Strategie am effektivsten ist, um dieses Ziel zu erreichen. Gleichzeitig drückt das diplomatische Lager auch eine defensive Haltung der US-Bourgeoisie im Lichte der aktuellen wirtschaftlichen und politischen Krise aus.

Es sind vor allem die neokonservativen Think-Tanks, die in ihren Magazinen und Zeitschriften auf einen Militärschlag drängen. Insbesondere Norman Podhoretz, der für das imperialistische Commentary-Magazin schreibt, und Berater des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Rudi Giuliany war, fordert in mehreren Artikeln einen Angriff. „Das Fazit ist: Sollte es nicht verhindert werden können, dass der Iran eine Nuklearmacht wird, ist es die Aufgabe der Vereinigten Staaten dies durch die Mittel von Bombenanschlägen zu machen und dies rasch durchzuführen.“

Auch die Familie Cheney versucht vermehrt die öffentliche Meinung für einen Angriff auf den Iran zu mobilisieren. Nicht nur der Vizepremier Dick Cheney, dessen Strategen den Vorschlag eingebracht haben, dass man Israel den Iran angreifen lassen sollte, um dann nach einem möglichen Rückschlag durch Teheran eine breitere Legitimationsgrundlage zu haben, um auch in den Krieg zu ziehen. Auch seine Tochter Elizabeth, hat z.B. bei der AIPAC-Konferenz betont, dass „sie (der Iran) mit militärischen Aktionen konfrontiert werden müssen“ und für diese Aussage kräftigen Applaus geerntet.

Auch McCain, der bei einer Wahlveranstaltung einen kurzes Lied mit dem Refrain „Bomb, bomb, bomb, bomb, bomb Iran“ angestimmt hat, ist gegenüber militärischen Lösungen durchaus offen, auch wenn er gerade in seinen Reden vor allem den diplomatischen Weg betont. Zurzeit stützt er sich auf eine Strategie, bei der nicht nur die UNO, sondern auch der private Markt aggressivere Sanktionen gegen den Iran beschließen sollen. In seiner Rede vor dem AIPAC sagte er: „Wir sollten die Sanktionen gegen den Iran privatisieren, indem wir eine weltweite Kampagne um das Abziehen von Investitionen führen. Je mehr Menschen, Unternehmen, Pensions-Fonds und finanzielle Institutionen auf der ganzen Welt sich von Unternehmen finanziell zurückziehen, die Geschäfte mit dem Iran machen, je unpopulärer wird auch die ohnehin schon unpopuläre radikale Elite, die das Land kontrolliert.“ McCain hat auch hinzugefügt, dass er, im Gegensatz zu Obama, nicht mit dem Regime im Iran verhandeln wird, sondern stattdessen den Druck auf sie erhöhen wird: „Statt sich ohne Bedingungen mit dem Iranischen Präsidenten oder den höchsten Führern in der Hoffung zusammenzusetzen um ihnen Vernunft einzureden, müssen wir realen Druck schaffen, der friedlich aber bestimmt den Kurs ändern wird, auf dem sie sich gerade befinden.“ Es ist klar, dass diese Strategie sich nicht voll auf einen Kriegseinsatz zu stützen auch auf taktischen Überlegungen aufbaut. In Zeiten der großen Ablehnung gegen Krieg würde dies seinem Ziel entgegenstehen, der nächste Präsident der Vereinigten Staaten zu werden.

Jenes Lager der herrschenden Eliten in den USA, das sich für eine diplomatische Lösung aussprechen, tun dies vor allem, da sie die Möglichkeit mit einem solchen Weg die strategischen Interessen der USA zu erreichen als höher einschätzen. Das „New Republican Magazine“, das einen eher liberaleren Flügel der US-Bourgeoisie repräsentiert, hat z.B. den Vergleich zwischen der Intervention an der Schweinebucht durch die USA 1961 und den anschließenden diplomatischen Verhandlungen gezogen, um darauf aufmerksam zu machen, dass die diplomatische Variante in diesem historischen Beispiel besser die Interessen der USA durchsetzen konnte. Sie ziehen aus diesem Vergleich die Schlussfolgerung, dass erfolgreiche Verhandlungen ein Zeichen der Stärke sind und keineswegs eine Schwäche zum Ausdruck bringen.

Insgesamt darf sich die ArbeiterInnenklasse jedoch nicht vor solch friedlich klingenden Phrasen täuschen lassen. Denn in Wirklichkeit drücken sie genauso den Versuch aus, die imperialistischen Interessen durchzusetzen. Jegliche Stärkung des Imperialismus und somit auch der herrschenden Klasse der USA ist nicht nur eine Gefahr für die halbkoloniale Welt, sondern bedeutet auch unmittelbar eine Stärkung gegenüber der ArbeiterInnenklasse in den USA. Insbesondere im Lichte der ökonomischen Krise und den Versuchen der Bourgeoisie die ArbeiterInnenklasse für ihre Verluste zur Kasse zu bieten ist es eine Schlüsselaufgabe die Macht der herrschenden Klasse zu bekämpfen anstatt sich mit ihr in dieser Frage zu verbünden. Konsequent in dieser Frage zu sein, bedeutet auch, dass die ArbeiterInnenklasse und die Antikriegsbewegung den Widerstand gegen imperialistische Interventionen im Nahen Osten bedingungslos unterstützten muss. Gleichzeitig darf diese Unterstützung keiner politischen Anpassung an nationalistische, klein-bürgerliche Kräfte gleichkommen, sondern muss vielmehr eine Unterstützung sein, um für die militärische Niederlage der imperialistischen Kräfte zu kämpfen, wenn man gleichzeitig auch unter allen Umständen für eine unabhängige Organisierung der proletarischen Kräfte kämpfen muss.

Wie wahrscheinlich ist ein Krieg gegen den Iran?

Diese Frage enthält natürlich viele spekulative Elemente und kann in Wirklichkeit keine genaue Antwort geben oder ein genaues Datum nennen, wann ein Angriff erfolgen wird. Langfristig – und dies wurde schon an mehreren Stellen betont – wird die USA, wenn sie ihre hegemoniale Stellung im Nahen Osten behalten möchte, auch aggressivere Politik machen müssen, um mehr Gebiete unter ihren direkten Einfluss zu stellen oder Regime einzusetzen, die den westlichen imperialistischen Interessen nützliche Vasallen-Dienste erweisen.

Auch wenn sich die Drohungen gegenüber dem Iran verstärkt haben und diverse Analysten von der Möglichkeit sprechen, dass ein Militärschlag noch vor dem Ende der Amtsperiode von George Bush wahrscheinlich ist, gibt es einige Faktoren, die gegen einen solchen Militärschlag in den nächsten Wochen sprechen.

Das gewichtigste Argumente ist wohl, dass selbst ein einmaliger Militärschlag z.B. auf eine Atomanreicherungsanlage wie jene in Natanz, auf Weiterverarbeitungsanlagen wie in Isfahan oder auf Stützpunkte der IRGC sehr schnell kollaterale Reaktionen nach sich ziehen wird. Ein solcher Militärschlag wird in großen Teilen der arabischen Welt, die ständiger imperialistischer Aggression, Ausbeutung und Unterdrückung ausgesetzt sind, einen Flächenbrand von antiimperialistischen Kämpfen auslösen, die – wie z.B. die erfolgreiche Zurückdrängung des israelischen Aggressionskrieges gegen den Libanon im Jahr 2006 oder die Übernahme von Beirut durch die Hisbollah, nach Drohungen ihr geheimes Telefonnetz abzudrehen, demonstriert hat – stark genug sein könnte, um den imperialistischen Mächten starke Niederlagen zuzufügen. Nicht zuletzt hat auch der Iran selbst klar gemacht, dass er bereit ist, militärisch zurückzuschlagen, falls ein Angriff erfolgen sollte. Das „Center for Strategic and International Studies“ (CSIS) hat mögliche Kriegsszenarien analysiert und geschätzt, dass der Iran zwischen 25 und 100 Raketen mit einer Sprengkraft von ca. 1.100 Kilo hat, die eine Distanz von bis zu 1.500 Kilometern in 12 Minuten zurücklegen und somit Israel erreichen könnten. In Wirklichkeit ist es also kaum möglich, einen Militärschlag gegen den Iran nur auf ein paar Luftangriffe zu beschränken. Viel wahrscheinlicher ist es, dass eine solche Interventionen Monate des Krieges nach sich ziehen wird, für den heute keine militärische Ressourcen (v.a. Bodentruppen) der USA zur Verfügung stehen.

Auch für die amerikanischen Truppen und deren Verbündeten im Irak hätte dies fatale Auswirkungen. Der Oberbefehlshaber im Irak, General Patraeus, hat, obwohl er der iranischen Regierung die Unterstützung von irakischen WiderstandskämpferInnen vorwirft, betont, dass er eine diplomatische Lösung bevorzugt, wenngleich für ihn die militärische Option nach wie vor auf dem Tisch ist. Anstatt den Iran aus der Luft anzugreifen, sollten die USA „jeden Versuch unternehmen mit dem Einsatz der ganzen Regierung die Druckmittel weiter zu entwickeln, anstatt auf einzelne Drohungen abzuzielen“. Diese Herangehensweise ist aus Sicht des US-Militärs durchaus verständlich. Denn vor allem die südlichen Gebiete des Irak, die stark schiitisch dominiert sind, werden hier eine qualitative Steigerung des Kampfes gegen die US-Besatzung erfahren. Das liberale Magazin „The Nation“, das starke Verbindungen zur demokratischen Partei hat, schreibt richtigerweise ganz offen, was in einem solchen Fall passieren würde: „Der Irak würde, so schlecht wie es jetzt aussieht, eine Todesgrube für die US-Truppen werden.“

Gleichzeitig wurde auch die Legitimationsgrundlage für die Bush-Regierung durch den Bericht der US-Geheimdienste nahezu zerstört. Der Bericht sagt nämlich aus, dass der Iran 2003 aufgehört hat, nukleare Waffen zu entwickeln bzw. die Geheimdienste eigentlich keine genauen Informationen darüber besitzen in welchem Status sich die Entwicklung des Atomprogramms heute befindet. Man muss kein Genie sein, um die Parallelen zum Irak-Krieg zu erkennen. Auch hier wurde argumentiert, Saddam Hussein wäre in Besitz von Massenvernichtungswaffen, die jedoch nie gefunden werden konnten. Nachdem die Antikriegsstimmung während des Irakkrieges weiter angewachsen ist und sich mittlerweile auf einem Höchststand befindet, würde das Argument den Iran wegen der Entwicklung von Nuklearwaffen anzugreifen, deren Existenz von den US-Geheimdiensten selbst jedoch angezweifelt wird, wohl zu massiven Kämpfen führen, die das Potential haben durch Streiks und andere Maßnahmen die ökonomische Krise des US-Kapitalismus weiter zu verschärfen.

Einer der wichtigsten Komponenten, die der Möglichkeit der USA einen neuerlichen Krieg zu riskieren, einen massiven Dämpfer verleiht liegt nicht nur in der Bindung von Truppen im Irak und in Afghanistan, sondern liegt in der derzeitigen ökonomischen Schwäche des US-Imperialismus. Durch die massive Krise der US-Wirtschaft, die in der Überakkumulation von Kapital begründet ist und durch ein Platzen der Immobilien-Blase ihren ersten Ausdruck gefunden hat, wurde durch die Entscheidung der amerikanischen Notenbank Fed, die Leitzinsen zu senken, die Inflation stark angekurbelt. Gleichzeitig werden diese Tendenzen noch durch ein 150 Milliarden Dollar schweres Konjunkturprogramm verstärkt. Die Finanzierung eines neuerlichen Krieges würde Ressourcen erfordern, die zurzeit nicht vorhanden sind und deshalb die Inflation weiter in die Höhe treiben. Ein weiterer Grund, warum die ArbeiterInnenklasse in den USA die Erfahrungen der Antikriegsbewegung 2003 verarbeiten muss, um einen effektiven Kampf gegen einen drohenden neuerlichen Krieg zu führen.

Zusätzlich hat der rapide Anstieg des Ölpreises nach den Aussagen von Mofaz demonstriert, wie sich ein Militärschlag gegen den Iran auf die Ölmärkte auswirken könnte. Stellt man sich noch vor, dass der Iran die Straße von Hormus im Falle eines Angriffs blockiert, so bedeutet das nicht nur eine wirtschaftlichen Zusammenbruch der USA, sondern die Entfaltung einer Weltwirtschaftskrise. Die Proteste der Frächter, die einen nahezu europaweiten Kampf gegen die Teuerung von Treibstoff führen zeigen, das sich in einem solchen Fall sehr schnell die Machtfrage stellen kann, indem die Wirtschaft zum Stillstand gebracht wird.

Den Kampf gegen Sanktionen, Krieg und Besatzung jetzt organisieren!

All diese Szenarien führen uns ganz klar vor Augen, welche enormen Spannungen es sind, die in der heutigen gesellschaftlichen Entwicklung liegen. Dies ist der Hintergrund, warum wir die heutige politisch-ökonomische Lage als vorrevolutionäre Periode kennzeichnen. Die Widersprüche des Imperialismus – sein allumfassendes globales Produktionssystem, das gleichzeitig durch seine Form der privaten Aneignung des Profits und die Nationalstaaten immer mehr an seine Grenzen stößt – muss notwendigerweise zu massiven Krisen führen. Im Endeffekt können wir beobachten, dass trotz der permanenten Weiterentwicklung der Produktionsmittel sie keine produktive Rolle in der Erhöung des Lebensstandards der Menschheit erfüllen, sondern diesen vielmehr unterminieren. Das ganze System des Kapitalismus ist somit eine massive Barriere für die Weiterentwicklung der Menschheit und muss daher durch eine sozialistische Revolution gestürzt werden.

Gleichzeitig können diese Möglichkeiten, die sich für die internationale ArbeiterInnenklasse in solchen Situationen zugespitzter Klassenkämpfe auftun, nur dann realisiert werden, wenn die Klasse ein Instrument hat, mit dessen Hilfe diese Kämpfe nicht nur auf einzelne Reformen beschränkt werden, sondern mit dem das ganze kapitalistische Gesellschaftssystem in seiner Totalität in Frage gestellt wird. Dieses Instrument muss eine Weltpartei der sozialistischen Revolution sein, die eine unabhängige Organisierung des Proletariats gewährleistet und es auf der Grundlage eines revolutionären Programms zur Machtergreifung führen kann.

Eine solche Partei existiert heute nicht und sie wird auch nicht aus dem luftleeren Raum heraus entstehen. Vielmehr ist es die Aufgabe von RevolutionärInnen heute, die ArbeiterInnenklasse und die unterdrückten Völker der halbkolonialen Welt durch konkrete Kampagnen in revolutionären Parteien zu organisieren.

Im Lichte bereits bestehender imperialistischer Aggression, die sich immer stärker ausdehnt und immer weitere Gebiete unter ihre direkte Herrschaft stellen möchte, gehört es heute zu den vordringlichsten Aufgaben der ArbeiterInnenklasse diese Aggressionen zurückzuschlagen. Letztlich ist die Frage nach der Wahrscheinlichkeit eines Angriffes auf den Iran deshalb nur sekundär. Denn revolutionäre Organisationen müssen – egal ob der Iran in 5 Wochen, 5 Monaten oder 5 Jahren angegriffen wird – die ArbeiterInnenklasse mit einer revolutionären Ideologie bewaffnen und sie organisieren, um solche Bedrohungen heute, morgen und in der Zukunft zurückschlagen zu können.

Nichtsdestotrotz ist es von zentraler Bedeutung die Propaganda gegen einen drohenden neuerlichen Krieg in der Golf-Region zu erhöhen und konkrete Aktionen gegen diese Drohung zu organisieren. Die ArbeiterInnenbewegung in allen Ländern muss Schritte unternehmen, um internationale Strukturen zu schaffen, die einen massiven Widerstand im Fall eines Angriffs auf den Iran müssen. Die Drohungen müssen – selbst wenn einige Faktoren gegen einen unmittelbaren Einsatz sprechen – trotzdem ernst genommen werden. Selbst wenn kein Angriff erfolgen sollte, muss man Widerstand gegen weitere Verschärfungen der Sanktionen organisieren.

Um diesen Widerstand aufbauen zu können werden vor allem drei Dinge zentral sein:

Erstens muss die Antikriegsbewegung die Schlussfolgerungen aus den Fehlern der Proteste gegen den Irak-Krieg ziehen. Damals wäre es möglich gewesen, die Pläne des US-Imperialismus zu durchkreuzen und somit einen qualitativen Durchbruch im Kampf gegen die Herrschaft des internationalen Kapitals zu erreichen. Die wichtigste dieser Lehren lässt sich in einer kurzen Formel zusammenfassen: Ohne eine revolutionäre Führung, die während solcher Bewegungen bereit ist, über die Grenzen der kapitalistischen Gesellschaftsordnung hinauszusehen und durch Massendemonstrationen, Generalstreiks und Sabotageaktionen die wirtschaftliche Grundlage für die Führung eines solchen Krieges zu untergraben, wird es nicht möglich sein, Kriege und imperialistische Intervention im allgemeinen zurückzuschlagen. Oder noch kürzer: Ohne ein Programm, mit dem die konkreten gesellschaftlichen Kämpfe mit einem Kampf gegen den Kapitalismus und für die sozialistische Revolution verbunden werden können, wird keine Bewegung langfristige Siege davontragen können. Diese Schlussfolgerung gilt es heute in die ArbeiterInnenklasse zu tragen – sei dies während gewerkschaftlichen Kampfmaßnahmen, sei dies im Kampf um demokratische Forderungen oder sei dies im Kampf gegen imperialistischen Krieg und Besatzung.

Zweitens gilt es einen offenen Kampf gegen die pazifistischen Kräfte innerhalb der Bewegung zu führen, die durch ihre scheinbar neutrale Haltung gegen Aggressionen im Allgemeinen nur die imperialistischen Pläne bedienen. Das bedeutet auch, dass die Antikriegsbewegung den Widerstand von halb-kolonialen Ländern gegen imperialistische Interventionen unterstützen muss. Gleichzeitig darf dies natürlich keiner Unterstützung für die politische Linie dieser Kräfte gleichkommen, die in fast allen Fällen von klein-bürgerlich-nationalistischen Kräften dominiert werden. Auch während einer Unterstützung, die sich auf die militärische Zurückdrängung des Imperialismus beschränkt, muss gegen deren politischen Führungsanspruch gekämpft und eine unabhängige Organisierung der ArbeiterInnenklasse sichergestellt werden.

Drittens muss auch innerhalb der fortschrittlichen Kräfte und Organisationen eine Diskussion um konkrete Forderungen zur Überwindung der kapitalistischen Gesellschaft geführt werden. Wir erleben heute vor allem in Europa einen politischen Entwicklungsprozess großer Teile der ArbeiterInnenklasse. Neue Parteien und Initiativen links der traditionellen sozialdemokratischen Parteien entstehen (auch wenn diese wie in Italien Rifundazione Comunista oder Die Linke in Deutschland oftmals die neoliberale Agenda unterstützen, wenn sie in Regierungen sind), denen volle Aufmerksamkeit geschenkt werden muss, um diesen Prozess zusammen mit der ArbeiterInnenklasse zu beschreiten und innerhalb dieser Organisationen – so weit dies möglich ist – für ein revolutionäres Programm zu kämpfen. In der halbkolonialen Welt brechen Kämpfe aus, die sich zum Teil um demokratische Forderungen gruppieren, zum Teil aber auch um die unmittelbare Erhaltung elementarer Lebensgrundlagen drehen. Der massive Anstieg der Lebensmittelpreise hat gezeigt, dass solche Kämpfe das Potential haben, ganze Regierungen (wie in Haiti) zu stürzen.

All dies gipfelt in der Frage, wie das Konzept der permanenten Revolution heute – 60 Jahre nach Gründung der vierten Internationale und deren Degeneration zu Beginn der 1950er Jahre –in die Praxis umgesetzt werden kann. Fragen wie jene in welchem Verhältnis das Proletariat zu Kämpfen kleinbürgerlicher Kräfte in der halbkolonialen Welt stehen soll, wie eine internationale Perspektive des Klassenkampfes aussehen kann und wie ein Übergangsprogramm für die heutige gesellschaftliche Situation aussehen kann, stehen auf der Tagesordnung. Die Liga für die Fünfte Internationale hat sich an zahlreichen gesellschaftlichen Kämpfen beteiligt, hat die Erfahrungen verarbeitet und verallgemeinert und schlägt mit ihrem Programm Vom Widerstand zur Revolution all jenen eine konkrete Perspektive vor, die heute in den gesellschaftlichen Auseinandersetzungen eine aktive Rolle einnehmen.

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