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Tschechische Republik

Neoliberale gewinnen die Präsidentschaftswahlen

SOP, Tschechische Sektion der Liga für die Fünfte Internationale, Infomail 350, 27. Februar 2008

Am 15.2.2008 wurde Vaclav Klaus für seine zweite Amtszeit als Präsident Tschechiens gewählt. Das Ergebnis kam in der zweiten Runde nach vorigen 6 geheimen Wahlgängen in beiden Kammern des tschechischen Parlaments zustande.

Klaus ist seit langem Führer der ODS (Zivile Demokratische Partei), der größten rechten Partei in Tschechien, und einer der Architekten der Wiedereinführung des Kapitalismus in der Tschechischen Republik, des groß angelegten Privatisierungsraubzugs. Er ist weltweit als einer der letzten Politiker ‚berühmt’ geworden, der die Verursachung des Klimawandels durch menschliche Aktivität abstreitet. Mit seinem Euroskeptizismus und der Ablehnung der Euro-Währung findet er wahrscheinlich nur noch Gesinnungsfreunde bei den britischen Tories, und selbst unter diesen gibt es kaum einen größeren Bewunderer von Margret Thatcher als Klaus.

Sein parteiloser Gegenkandidat Jan Svejnar, den die Grünen und Sozialdemokraten Tschechiens unterstützten, steht eindeutig für das neoliberale europäische Projekt. Dieser Dozent für Ökonomie an der Universität Michigan und Vorsitzender des Aufsichtsrats einer der größten tschechischen Banken befürwortet wärmstens den Bau einer US-Militärbasis in der Tschechischen Republik als Teil des nationalen Raketenabwehrsystems, dem Nachfolger von Reagans Krieg der Sterne-Projekt.

Das Verhalten beider reformistischer Parteien CSSD (Sozialdemokratie) und KSCM (Kommunistische Partei Böhmen und Mähren) war eine Schande. Beide stimmten für Svejnar, obwohl die KSCM behauptete, ihre Stimmabgabe wäre keine Unterstützung (!). Die CSSD unterstützte Svejnar von Anfang an. Ihr einziges Ziel war, die Unzufriedenheit mit der regierenden ODS durch Abwahl von Klaus zu schüren. Diese völlige prinzipienlose Haltung schlug fehl, ein weiteres Parlamentsmitglied kehrte nun der CSSD den Rücken.

Die KSCM hatte auch keinen eigenen Kandidaten aufgestellt. In der ersten Abstimmung vor einer Woche stimmten ihre Abgeordneten für Svejnar, erst beim dritten Durchgang enthielten sie sich der Stimme. Vor der zweiten Runde präsentierten sie plötzlich eine ‚eigene’ Kandidatin, die ‚unabhängige’ Abgeordnete des Europaparlaments Jana Bobosikova, die früher der ODS angehörte, mit der Begründung, ein ‚linker Kandidat hätte keine Chance’. Doch Bobosikova zog ihre Kandidatur noch vor der zweiten Runde zurück. Damit war klar, dass die KSCM nur eine bessere Position für ihren Kuhhandel haben wollte, denn nun unterstützte sie Svejnar für ‚mehr Respekt’ von den Rechten.

Die gesamte Präsidentenwahl wurde hitzig geführt. Einige Gesetzesvertreter erhielten Morddrohungen und Briefe mit Kugeln. Mehr oder minder gerechtfertigte Vorwürfe der Bestechung aus allen Ecken wurden zur Norm, nachdem schon der dritte sozialdemokratische Abgeordnete die Partei verlassen und die Seite gewechselt hatte. Ausländische Medien beschrieben die gesamte Wahl als bedeutsam, zumal der tschechische Präsident ‚zwar geringe Machtfülle, aber traditionell großes moralisches Ansehen besäße’. Beides ist Unsinn. Die Machtbefugnisse sind sicher geringer als in Präsidialrepubliken wie Frankreich oder gar die USA, aber der Präsident kann ohne Rechenschaftspflicht Richter ernennen, die Währungspolitik durch ernannte Mitglieder des Aufsichtrats der tschechischen Zentralbank beeinflussen, kann Amnestie gegen verurteilte Straftäter erlassen usw. Von daher ist sein Amt zwar nicht mächtig, kann aber in sozialen Krisen, wenn das Parlament keine Mehrheitsregierung bilden kann, zur Achse für ein Regime werden, die sich über die normalen parlamentarischen Verfahren erhebt (Bonapartismus).

Unsere Organisation hat von Anfang an die Abschaffung des Präsidentenamtes, dieses Überbleibsel aus der Monarchie gefordert. Es ist eine Schande, dass die gesamte tschechische Linke, ganz zu schweigen von der erbärmlichen Rolle der Reformisten im Parlament, diese Frage nicht genutzt hat, um eine Debatte über Demokratie unterm Kapitalismus und wodurch sie ersetzt werden kann, loszutreten. Schlimmer noch: sie unterstützte die ‚weniger arrogante’ Seite beider Übel.

Die meisten Linken haben sich in ihrer Ohnmacht Teilen der liberalen Rechten angeschlossen mit Forderungen nach Direktwahl des Präsidenten und möglicher Stärkung seiner Macht. Es scheint, dass die Mehrheit der Bevölkerung dies begrüßt, zumindest die Direktwahl. Dies ist nicht verwunderlich, zumal sie damit an dem beteiligt werden, was ihnen ansonsten verwehrt wird, nämlich selbst zu entscheiden. Das ist verständlich. Aber es würde die bonapartistischen Befugnisse der Präsidentschaft weiter legitimieren.

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