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BVG-Streik in Berlin

Alle U-Bahnen stehen still

Martin Suchanek, Infomail 344, 2. Februar 2008

Die U-Bahnen stehen still. Der Busverkehr ist lahm gelegt. Selbst im BVG-Callcenter ruht die Arbeit. Mit dem auf Freitag vorgezogenen Warnstreik hat ver.di die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) und den Senat empfindlich getroffen.

Ursprünglich hatte die Gewerkschaft geplant, ihren Forderungen durch eine Arbeitsniederlegung am Samstag Nachdruck zu verleihen. Aber das Angebot des SPD-LINKE-Senats kommt einer Provokation gleich: 200 Euro Einmalzahlung bis Juni 2008, Entgelterhöhung um 4 Prozent ab Juli 2008 und um weitere 2 Prozent ab Januar 2010.

Diese „Erhöhung“ käme einer weiteren Senkung des Reallohns gleich. Zudem gilt dieses Angebot nur für einen Teil der Belegschaft, für die Neubeschäftigen. Das Gros der 12.000 Beschäftigten der BVG würde überhaupt leer ausgehen – und dass, nachdem sie schon in den letzten Jahren Einkommensverluste von bis zu 11 Prozent aufgrund von Arbeitszeitverkürzung (ohne Lohnausgleich) und Senkung von Zuschlägen hinnehmen mussten.

Angesichts dieser Tatsachen kämen die „total überzogenen“ Forderungen von ver.di – 12 Prozent mehr Geld für die Neubeschäftigten, 8 Prozent für die Altbeschäftigten – nicht einmal einer Wiederherstellung des Lohnniveaus vor 2005 gleich.

Für die kommunalen Arbeitergeber – also den SPD-LINKEN-Senat – ist das allerdings fast schon der Weltuntergang. Besonders übel nimmt der Senat ver.di die „Verschärfung“ des Klimas – den 39 Stunden dauernden Warnstreik.

Dieser, so mokieren sich SPD- und LINKE-Abgeordnete, wurde überdies nicht längerfristig angekündigt, so dass sich die BVG jetzt nicht darauf einstellen könne. Während SPD und LINKE in Hessen und Niedersachsen noch mit dem Ruf nach „sozialer Gerechtigkeit“ hausieren gingen (und dafür gewählt wurden), demonstrieren sie in Berlin, was sie wirklich darunter verstehen.

Streiks ja - aber nicht, wenn es eine „linke“ Regierung gibt, und noch viel weniger, wenn er gar effektiv ist. Höhere Einkommen – ok, aber nicht, wenn der Senat rot-rot besetzt ist. Die SPD macht sich in dieser Situation für die Kunden stark, die ansonsten die Verkehrspolitik der BVG v.a. als permanente Preissteigerungspolitik kennen lernen konnten. Dass der Senat hier nicht schnell klein beigeben wird, hat Finanzsenator Sarazin (SPD) schon verkündet. Er hat sogar eine „Überausstattung“ des öffentlichen Nahverkehrs in Berlin erkannt.

Die verkehrspolitische Sprecherin der LINKEN, Matuschek, stört sich daran nicht. Vielmehr wirft sie ver.di vor, die GDL in punkt Härte übertrumpfen zu wollen, statt die sozialpartnerschaftlichen Gepflogenheit der letzten Jahre, also Verschlechterungen bei Löhnen und Arbeitsbedingungen, von denen der Senat profitiert hat, bruchlos fortzusetzen.

Allerdings hat der Streik der Lokführer gezeigt, dass Management und Eigentümer erfolgreich unter Druck gesetzt werden können. Um das zu schaffen, muss ver.di jedoch mehr tun, als nur einen Warnstreik zu organisieren.

Angesichts des „Angebots“ des Senats ist es unbedingt notwendig, bei der BVG die Urabstimmung über einen Vollstreik einzuleiten, um den Druck zu erhöhen und die eigenen Forderungen durch einen unbefristeten Streik durchzusetzen.

Das muss verbunden werden mit dem Tarifkampf im gesamten Öffentlichen Dienst und über die reine  Lohnforderung hinausgehen, also verbunden werden mit dem Kampf um Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden bei vollem Lohn- und Personalausgleich, mit dem Stopp der Privatisierung des Öffentlichen Nahverkehrs und anderer Unternehmen des Öffentlichen Dienstes. Damit verbunden werden muss auch der Kampf um höhere Einkommen und bessere Arbeitsbedingungen sowie die  Forderung nach einem besseren und kostenlosen Öffentlichen Nahverkehr – bezahlt aus den Profiten der Unternehmen und kontrolliert von Beschäftigten und KundInnen.

Kurzum: es geht darum, den Tarifkampf im Öffentlichen Dienst mit einer gesellschaftlichen Perspektive zu verbinden – einer Perspektive, die sich nicht nur auf die berechtigten Lohn- und Einkommensforderungen der Beschäftigen erstreckt, sondern diese mit dem Kampf der gesamten Arbeiterklasse für ein rationales und kostengünstiges Verkehrssystem verknüpft.

Für eine härtere Auseinandersetzung wird das auch zu einer Überlebensfrage, um zu verhindern, dass die KundInnen, also die große Masse der arbeitenden Bevölkerung, nicht gegen streikende BVGlerInnen und andere Beschäftigte im Öffentlichen Dienst ausgespielt werden.

Umgekehrt ist es auch eine zentrale Aufgabe der DGB-Gewerkschaften, Solidaritätsaktionen bis hin zu Streiks mit den verdi-KollegInnen durchzuführen und mit Forderungen nach kostenlosem öffentlichen Nahverkehr wie auch dem Kampf gegen die geplante BVG-Privatisierung zu koppeln.

Die Organisierung eines solchen Kampfes hat freilich auch Rückwirkungen darauf, wie der Streik im Öffentlichen Dienst vorbereitet und organisiert werden muss. Schon zu oft hat die ver.di-Spitze, haben die Personalräte „Kämpfe“ angedroht, um dann bei faulen Kompromissen zu enden.

Daher müssen die Beschäftigten selbst die Kontrolle über den Kampf übernehmen:

Einleitung der Urabstimmung! Unbefristeter Vollstreik für die Durchsetzung der Forderungen! Keine Geheimverhandlungen! Keine Abschluss oder Aussetzung von Aktionen ohne vorherige Diskussion und Beschlussfassung unter den Gewerkschaftsmitgliedern!

Kontrolle und Führung des Kampfes durch von der Basis gewählte Streikkomitees und Streikleitungen, die dieser rechenschaftspflichtig und von dieser abwählbar sind.

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