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Myanmar/Burma:

Nein zu Repression! Für internationale Solidarität!

Infomail 329, 13. Oktober 2007

Hunderttausende demonstrierten Ende September/Anfang Oktober gegen die Militärdiktatur in Myanmar/Burma. Die Junta ist dabei, die Protestbewegung systematisch niederzuschlagen – durch Massenverhaftungen, Misshandlung, Folter und Ermordung von Oppositionellen.

Hintergrund

Ende August begannen zunächst kleinere Protestmärsche, die sich gegen die massive Anhebung der Benzin- und Gaspreise richteten. Sie wurden von Polizei und Armee aufgelöst. Viele DemonstrantInnen wurden verhaftet und misshandelt. Eine Demonstration in der Kleinstadt Pakokku wurde von der Polizei angegriffen und mehrere mitmarschierende Mönche verletzt. Daraufhin verließen andere Mönche ihre Pagode und demonstrierten am nächsten Tag ebenfalls. So breitete sich die Protestbewegung aus und drängte das Regime, das zunächst unschlüssig war, wie gegen die von den in der Bevölkerung angesehenen Mönchen geführten Aktionen vorzugehen sei, vorübergehend in die Defensive.

Doch die Zurückhaltung des Regimes war nur kurzlebig. Als die Proteste eskalierten, antwortete es zunächst mit Drohungen, dann mit Gewalt. Tränengas, Schlagstöcke, Gummigeschosse wurden eingesetzt, Ausgangssperren verhängt. Als dies nicht so recht fruchtete, griff der Polizeiapparat zu härteren Mitteln: schwere Misshandlungen und scharfe Munition. Es gab Tote. Doch die Proteste liefen weiter und nahmen einen allgemeinen politischen Charakter an. Demokratische Rechte und mehr Freiheit wurden gefordert. „Weg mit der Armee, wir wollen Demokratie“ lautete einer der Schlachtrufe auf den Märschen.

Mönche nahmen Staatssicherheitsbeamte in Pakokku in Gewahrsam und forderten eine Entschuldigung von der Staatsführung. Immer mehr Mönche und Nonnen strömten auf die Straßen. Die Pagoden waren Versammlungsorte für Kundgebungen. Der Auftritt der Mönche hatte eine radikalisierende Wirkung für die Bewegung. Die große Masse stammt aus sehr armen Schichten der Bevölkerung (während die oberste Schicht eine mit dem Militärregime eng verwobene Kaste darstellt, die Teil der herrschenden Klasse ist). Die Klöster gewähren ihnen Bildung und ein soziales Auskommen.

Ihre Beweggründe für den Widerstand speisen sich weniger aus religiösen Anschauungen, sie drücken vielmehr die Wünsche von Schülern und Studierenden und der städtischen Armut nach einem menschenwürdigen Leben und Freiheit aus.

Die Studierenden, besonders die Organisation der „88er Generation“, deren FührerInnen mit ihrer bekanntesten Figur Min Ko Naing sich der Demokratiebewegung von 1988 verbunden fühlen, haben die Bewegung Anfang 2007 begonnen.

Ob die Mönche weiter so radikal sein werden, bleibt abzuwarten. Aber von Seiten der oberen Schichten des buddistischen Klerus und von demokratischen PolitikerInnen wurden sie bereits unter Berufung auf „das nationale Wohl“ unter Druck gesetzt, mäßigend auf die Bewegung einzuwirken.

Ihr Pazifismus wirkt als Bremskraft in der Bewegung und verschleiert die Notwendigkeit, das Regime zu stürzen, die Armee zu zersetzen und die Bevölkerung zu bewaffnen. Teile der religiösen Führung riefen zu nationalem Frieden und Einheit und zu Verhandlungen mit den verhassten Machthabern auf. Damit zeigen sie ihre Furcht vor einer zu starken Radikalisierung der Bewegung und vor der Zerschlagung des kapitalistischen Staates.

Der allgemeine Verlauf dieser Protestbewegung ähnelt anderen Bewegungen jüngeren und älteren Datums. Wirtschaftliche Forderungen sind mit Forderungen nach einem demokratischen politischen Wandel verknüpft, denn das Regime verweigert selbst die bescheidensten Reformen, um das Los der Armut zu lindern, während seine VertreterInnen im Überfluss schwelgen. Die Dringlichkeit des Wandels ist ungebrochen. Trotz der Kugeln, Misshandlungen und Verhaftungen kamen nach wie vor Tausende zu den Aktionen in den größeren Städten.

Der „Friedens- und Entwicklungsrat“

Die verhasste Militärjunta kam 1962 an die Macht. 21 Generäle und regionale Militärbefehlshaber übernahmen die Regierung und halten seither das Land im Würgegriff. Burma/Myanmar ist keine Ausnahme in dieser Region. Die meisten der kleineren Länder der Nachkolonialzeit, die sich nach dem Auseinanderbrechen Indiens 1947 gebildet haben, sind verschiedentlich durch Eingriffe in das politische Gefüge von Seiten des Militärs betroffen worden, darunter auch Pakistan und Bangladesch. Aber die Militärregierung in Rangun sticht noch hervor durch den Grad der Repression und die Lebensdauer ihrer Herrschaft.

Bemerkenswert war die jahrlange geringere Aufmerksamkeit gegenüber Myanmar seitens der imperialistischen demokratischen Gralshüter, die bei unterschiedlichen missliebigen Herrschern wie Saddam oder Castro ansonsten ein Riesengetöse veranstaltet haben.

Popstars wie Bono haben zwar auf den Jahre langen Hausarrest der Führerin der NDL-Partei, Aung San Suu Kji, hingewiesen, aber die meisten westlichen Regierungen beließen es bei mahnenden Worten und nichtigen Sanktionen, solange nur die Reichtümer von Myanmar außer Landes in ihre Kanäle flossen.

Die Militärdiktatur versucht, jegliche Opposition mundtot zu machen, doch der Hass gegen die Herrscher sitzt tief in der burmesischen Gesellschaft. Im Kampf gegen das Regime 1988, der v. a. von Studenten geführt wurde, konnte eine kurzfristige Lockerung der Unterdrückung erreicht werden, doch bald schlug die Diktatur zu und erstickte die Proteste im Blut von 3.000 Opfern.

Myanmar ist ein extrem armes Land. Über 70% der Bevölkerung leben von weniger als einem Dollar am Tag praktisch von der Hand in den Mund. Drogen sind verbreitet, um dem Alltagselend zu entfliehen.

In krassem Gegensatz dazu steht das Luxusleben der Generäle und ihrer Günstlinge, die 2005 aus Rangun in die neue Hauptstadt Naipjidoo in abgeschiedener Gebirgslage umgesiedelt sind. Diese Maßnahme hat ein indischer Journalist wie folgt beschrieben: „(Dies ist) die letzte Versicherung gegen einen Regimewechsel, ein Meisterstück der Stadtplanung, gestaltet zur Niederzwingung jedweder möglichen ‚Farbenrevolution’ – nicht durch Panzer oder Wasserwerfer, sondern durch Geometrie und Kartografie.“

Die Pläne der Großmächte

Die burmesische Junta wird unterstützt oder wenigstens geduldet von bedeutenden Regionalmächten, v.a. von China, Russland und neuerdings auch Indien. Chinas und Russlands Veto gegen eine Resolution der Vereinten Nationen wird mit denselben Erwägungen begründet, aus denen heraus bspw. die französische und die deutsche Regierung gegen den Irakkrieg 2002/2003 war: Ökonomische und geo-strategische Interessen. China lehnt ökonomische Sanktionen ab, welche die burmesische Regierung und ihre Handelspartner treffen würde, hat jedoch das Militär zur Vorsicht gemahnt.

Zugleich haben die amerikanischen, europäischen und japanischen Imperialisten nun die Demokratiebewegung entdeckt, um den wachsenden Einfluss Chinas zurückzudrängen. Wie verlogen die ganze Sache ist, zeigt sich daran, dass Flüchtlinge aus Myanmar von den imperialistischen Demokratien in den letzten Jahren ohne Menschenrechtsbedenken zynisch abgeschoben wurden. Es zeigt sich auch daran, dass Konzerne aus allen globalen und regionalen Ökonomien weiter ihren Profitinteressen in Burma nachgehen, darunter: Caterpillar und Chevron aus den USA, ClaxoSmithKline (UK), Total (Frankreich), Siemens (Deutschland), Swift (Belgien, Daewoo und Kyundai (Südkorea), China National Petroleum und China National Offshore Oil Corporation (China) sowie Gas Autority of India und ONGC Videsh Ltd. (Indien).

Trotzdem rufen die NDL und andere bürgerliche Oppositionsfiguren, die ein etwas demokratischeres, aber weiterhin ausbeuterisches System für das Land wollen, zur Intervention durch die UN auf. Aufrufe zur Intervention der imperialistischen Mächte. Sanktionen usw. werden dem Kampf der Bevölkerung um Freiheit jedoch nicht helfen.

Diese Raubvögel würden in Myanmar nur einfallen, um dessen Rohstoffe und natürlichen Vorräte in ihre Klauen zu bekommen wie im Irak, in Afghanistan und angedrohter Weise im Iran. Die UN-Sanktionen gegen den Irak in den 90er Jahren nützten dem irakischen Volk nicht nur nichts, sie brachten vielmehr 1,5 Millionen Menschen, darunter 500.000 Kindern unter 5 Jahren den Tod. Die Sanktionen würden auch der Junta gestatten, sich als Verteidigerin der Nation gegen den Westen darzustellen und damit den nationalen Chauvinismus aufstacheln, der den Kampf für demokratische Freiheiten zurückwerfen würde.

Die politische Schwäche der gegenwärtigen Führung der demokratischen Bewegung zeigt sich im begrenzten Horizont ihrer Forderungen. Vorsicht wurde von Aung San Suu Kji angemahnt, als sie sagte, dass sich Leute nicht den Protesten zum Sturz des Regimes anschließen sollten, weil dies die Bewegung unpopulär machen würde. Das ist eine Perspektive der Selbstbeschränkung, da sie größere Bevölkerungskreise von einer Beteiligung, vor allem aber von einer effektiven Führung und Kontrolle der Proteste fern halten will - trotz gegenteiliger Beteuerungen der NDL. Wenn die Proteste sich nämlich nicht entschlossen genug mit dem Kampf gegen die Diktatur verbinden, werden die DemonstrantInnen über kurz oder lang isoliert. Der Hass auf das Regime trieb das Ausmaß und die rasche Eskalation der Proteste voran. Hinter jedem Demonstrationsteilnehmer auf der Straße stehen viele zu Hause, die der Bewegung Beistand leisten, aber sich gegenwärtig nicht in die Öffentlichkeit trauen.

Aung San Suu Kji genießt Ansehen, weil sie Misshandlungen und Haft durch das Regime erleiden musste. Doch ihre Strategie ist auf der buddhistisch-ghandistischen Methode des gewaltlosen Widerstands aufgebaut, der sich im Druck für freie Wahlen und dem Hilfsappell an die ‚internationale Gemeinschaft’ äußert. In Wirklichkeit wäre sie ein willkommenes Werkzeug für die burmesischen Kapitalisten und den westlichen Imperialismus. Ihre Strategie zielt daher auf eine Machtteilung, auf Anteil an den Reichtümern des Landes, ohne die grundlegenden kapitalistischen und imperialistischen Ausbeutungsverhältnisse anzutasten.

Welche Strategie?

Die schnelle Ausbreitung der Bewegung - ausgehend von Beschwerden über Benzinpreiserhöhungen und Kosten für Grundnahrungsmittel - veranschaulicht den brüchigen Charakter des „Friedens“ in Burma. Die dringlichste Not des verarmten burmesischen Volks kann vom Regime nicht gestillt werden.

Die politische Opposition dagegen wird deshalb nicht nur von einem Verlangen nach Demokratie gespeist, sondern auch nach einer grundlegenden Hebung des Lebensstandards. Die Gefahr besteht darin, dass die Forderungen nach Demokratie in zynischer Weise von Sektoren der burmesischen Kapitalisten und den Imperialisten ausgenutzt werden, um die Bewegung einzudämmen. Der Westen kann mit einem demokratischen Regimewechsel umgehen, um eine freundliche kapitalistische Führung einzusetzen; er kann aber nicht mit einer Revolution auskommen.

Wenn das Armeeoberkommando sich spaltet - es gibt Gerüchte, das sei schon im Gange - oder wenn die Disziplin innerhalb der Mannschaftsdienstränge in Anbetracht der traumatischen Erfahrungen des Zusammenknüppelns und Tötens friedlicher DemonstrantInnen zusammenbricht, werden zweifellos Figuren innerhalb des Regimes den Kampf zu demobilisieren versuchen, indem sie Wahlen anbieten, wie sie es bereits nach den Protestbewegungen von 1988 taten. In der Folge wurde die Junta bei den Wahlen ausgelöscht. Ihre Partei errang nur 10 Sitze. Im Vergleich dazu gewann die Liga für Demokratie 392 Sitze.

Das Regime weigerte sich aber, die Wahlresultate anzuerkennen und machte weiter wie bisher. Um nicht in die gleiche Falle zu tappen, müssen die Proteste zur Forderung erheben: „Kein Kompromiss mit dem Militärregime!“

Als zentrale Leitlinie der Mobilisierungen muss der Kampf für seinen Sturz angestrebt werden. Die Zeitung INDEPENDENT in Britannien bezeichnete die Demonstrationen als „Safranrevolution“ in Anspielung auf Demokratiebewegungen im Libanon (Zedern), in der Ukraine (orange) und Georgien (Rosen). All diese Protestbewegungen wurden in gewisser Weise von imperialistischen Mächten unterstützt, indem sie den echten Wunsch dieser Völker nach einer demokratischeren Gesellschaft manipulieren, um prowestliche und pro-imperialistische Regimes in den Sattel zu heben.

Das wäre eine Sackgasse für die armen und unterdrückten Massen in Burma, weil jedes prowestliche Regime (einschließlich der NDL) unfähig wäre, die wirtschaftlichen Veränderungen durchzusetzen, die so bitter nötig tun. Der IWF und die Weltbank würden sofort darauf pochen, dass neoliberale Maßnahmen wie die „Öffnung“ für westliche Multis weiter verfolgt werden. Der einzige Weg, radikale Veränderungen, welche die Bedürfnisse der Bevölkerung befriedigen, zu bewerkstelligen, ist nur gangbar, wenn diese in ein Aktionsprogramm aufgenommen werden, das sich mit Arbeitermacht im Bündnis mit städtischer und ländlicher Armut identifiziert.

Heute steht die Bewegung davor, in Repression erstickt zu werden, während das Regime aufgrund der Sackgasse der eigenen Politik und des internationalen Drucks (sei es des westlichen Imperialismus, aber auch Chinas) durchaus eine Machtteilung mit der demokratischen Opposition eingehen kann, um seine eigene Herrschaftsbasis zu verbreitern.

Eigenständigkeit der Arbeiterklasse

Daher ist es notwendig, dass sich die Arbeiterklasse an die Spitze der Bewegung stellt, dass die proletarischen Massen, die Bauern und die Armut zum Bruch mit der demokratischen Opposition geführt werden, dass die Mönche aus den unteren Schichten mit der buddistischen Hierarchie brechen.

In der Stunde der Repression helfen nicht die „Zurückhaltung“ der sog. Demokraten und das fruchtlose und reaktionäre Appellieren an den westlichen Imperialismus – sondern nur die Mittel des Klassenkampfes.

Nur ein Generalstreik, die Bewaffnung der Stadtteile, die Bildung lokaler und landesweiter Selbstverteidigungsmilizen, eine Politik, die auf das Zerbrechen der Kommandostrukturen der Armee zielt, kann die Repression aufhalten und zugleich die Massen als organisierten und bewussten Faktor ins Spiel bringen.

Dieser Kampf gegen die Repression, für demokratische Rechte (darunter so wichtige Fragen, wie das Recht, sich in Gewerkschaften zu vereinigen), für die sofortige Freilassung der politischen Gefangenen, gegen die nationale Unterdrückung müssen mit den großen sozialen Fragen des Landes verbunden werden – von der Rücknahme der Preiserhöhungen zur Errichtung effektiver Kontrolle der Produktion und Verteilung der Lebensmittel durch ArbeiterInnen und Bauern sowie LandarbeiterInnen.

Diese Strategie ist der Kern dessen, was RevolutionärInnen die Revolution in Permanenz nennen: der demokratische Kampf geht über in den für Arbeitermacht: also Räteherrschaft und Sozialismus. Jede Vorstellung, bei einer demokratischen Führung zu verharren, die den Kapitalismus verteidigt, wird in einem Desaster enden.

Das zentrale Problem besteht zweifellos darin, dass die burmesische wie die internationale Arbeiterklasse keine politische Partei, keine politische Kraft hat, die einen eigenständigen Weg zur Revolution weisen kann. Deren  Schaffung ist eine dringende aktuelle Notwendigkeit – wie für jedes zukünftige Aufbegehren der Unterdrückten.

Die Massen verdienen in dieser Stunde die Solidarität der gesamten Arbeiterklasse der Welt. Dass das Militärregime die Imperialisten denunziert, darf nicht blind machen dafür, dass es ihnen um die Ausbeutung der eigenen ArbeiterInnen, Bauern und das Plündern der Bodenschätze des Landes im Rahmen einer imperialistischen Arbeitsteilung geht.

Wir unterstützen daher Proteste vor Botschaften, Kundgebungen gegen die Repression, die Forderung nach sofortiger Freilassung aller Gefangenen. Wir fordern den sofortigen Stopp aller Abschiebungen nach Myanmar/Burma! Die Arbeiterklasse auf der ganzen Welt muss eigenständige Aktionen durchführen, um das Militärregime durch einen Arbeiterboykott unter Druck setzen – so z.B. durch die Verweigerung, Waren nach Burma zu transportieren.

Parteilichkeit, Unterstützung durch die internationale Arbeiterbewegung ist nicht nur ein Gebot von Solidarität und Humanismus – sie ist auch eine politisch-strategische Notwendigkeit, um der Arbeiterklasse und den Unterdrückten in Burma/Myanmar – und hier besonders ihren aktivsten und fortgeschrittensten Teilen - zu zeigen, dass es eine politische Alternative zur „demokratischen Opposition“ und imperialistischer Heuchelei gibt.

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