Arbeitermacht
Liga für die fünfte Internationale

Nord & Südamerika Europa Asien & Australien


google.de arbeitermacht.de

Tübingen

Nazi-Aufmarsch gestoppt

Korrespondenten-Bericht, Infomail 318, 30. Juli 2007

Der Aufmarsch der Jungen Nationalen (JN) am 21.7. in Tübingen war nicht verboten worden, aber es gab gerichtliche Auflagen. Die JN durfte nur ein paar hundert Meter vor dem Hauptbahnhof marschieren und keine Transparente und Fahnen tragen.

Trotz massiver Mobilisierung gegen den JN-Aufmarsch kamen ca. 150 Nazis am Hauptbahnhof an und wurden von ca. 20.000 GegendemonstrantInnen empfangen.

Der Bahnhof war schon Stunden vorher von der Polizei abgesperrt worden, allerdings fuhren noch Züge. Wenn man plausibel machen konnte, dass man einen Zug erreichen musste, konnte man auch in den Bahnhof. So schaffte es eine Gruppe Gegendemonstranten, die Nazis im Bahnhof „zu begrüßen“. Die Bullen waren aber sofort mit Knüppeln zur Hand und vertrieben die Gruppe wieder.

Vom Lautsprecherwagen wurde die Polizei wiederholt aufgerufen, die Nazis nicht aus dem Bahnhof zu lassen. Nach längeren Verhandlungen durften die Nazis dann doch draußen marschieren. Sie marschierten mit deutlich sichtbarer NPD-Flagge, was aber die Bullen jedoch trotz der Auflagen nicht zum Handeln veranlasste.

Die Gegendemonstration war zahlenmäßig ein Erfolg. Wir standen mit Tausenden dicht gedrängt und laut bis 16.00 Uhr an den Absperrungen. Vor allem SchülerInnen und StudentInnen hielten die ganze Zeit aus und schrieen ihre Wut gegen  die Nazis lauthals raus.

Die Gewerkschaften und Beschäftigte aus den Tübinger Betrieben waren nur schwach vertreten, kein Wunder wenn im DGB-Flugblatt auf die internationale Wirtschaft hingewiesen wird statt auf die internationale Solidarität der Arbeiterklasse.

Die Kundgebung der Gewerkschaften - 200m vom Bahnhof entfernt - ging dann auch an den meisten DemonstrantInnen ungehört vorbei und endete schon um 13.00 Uhr. Die weniger politisierten GewerkschafterInnen gingen dann nach Hause oder zu den zahlreichen Happenings in der Stadt.

Zweifellos war der Tag eine Niederlage für die Nazis. Dies gestanden sie selbst ein: "Es ist eine Schande, dass wir von 20.000 linken Demonstranten aufgehalten wurden". Dass sie dennoch unbehelligt blieben, unversehrt weiterreisen und an anderen Orten ihren Aufmarsch abhalten durften, hatten sie einerseits der Staatsmacht zu verdanken, die ihr das "Versammlungsrecht" sicherte und mit 1.400 Polizisten schützte, andererseits dem Volksfront-Bündnis, dessen oberstes Ziel es war, dass alles "friedlich verläuft" und es ein schönes "Bürger"-Fest wird.

Daher darf man sich über den längerfristigen Erfolg der Aktion nicht täuschen. Es war eine sehr unpolitische Aktion. Es gab wenig Transparente und Flugblätter. Es gab keine organisierten Aktionen, um die Nazis selbständig zu stoppen und deren Kundgebung zu verhindern, sondern nur individuelle Spontan-Aktionen (z.B. DemonstrantInnen im Bahnhof und Versuche, die Gleise zu blockieren).

Außer einer kurzen Ansprache vom VVN/Bund der Antifaschisten Tübingen-Mössingen gab es keine Kundgebungs-Beiträge direkt an der Blockade. Nicht mal Informationen über die Anarcho-Szene und das Epple-Haus, das ja im JN- Aufruf ausdrücklich angegriffen wurde, wurden von den Organisatoren weitergegeben.

Es gab keine Aufforderung zur Wortmeldung einzelner Organisationen. So war z.B. die Geschwister-Scholl-Schule als Antirassismus-Schule gut vertreten, wurde aber nicht erwähnt und kam auch nicht zu Wort. Stattdessen wurde mehrfach nach dem Oberbürgermeister und der Bundestagsabgeordneten H. Hänsel gerufen. Sie sollten für den Abzug der Nazis eintreten und ihre Statements abgeben. Beide wussten nichts Intelligenteres, als die Demonstranten zu friedlichem Protest aufzurufen und die rechtliche Situation zu erklären, die ihnen die Hände zum Handeln binde.

Die seltene Gelegenheit einer solchen politischen Aktion in Tübingen wurde nicht genutzt, um noch mehr Menschen zu politisieren und den Nazis eine Abreibung zu verpassen.

So blieb Tübingen liberal und pazifistisch mit einer Handvoll frustrierter Anarchos, die jede Form der Organisation ablehnen. Statt zu einer Bündnispolitik der verschiedenen linken Gruppen und Organisationen für gezielte gemeinsame Einheitsfront-Aktionen, setzte sich die Politik der Stadtverwaltung und der bürgerlichen Kräfte durch.

Für das links-reformistisch-liberale Volksfront-Bündnis war der Tag ein Erfolg. Alles blieb friedlich, die Nazis zogen weiter und man konnte sich dem Stadt-Fest widmen. Mehr als eine neue Initiative für ein Verbot der NPD hatte man als Ziel nicht zu bieten. Hauptsache, "Unser schönes Tübingen" blieb, wenigstens heute, nazifrei. Alles Politische wurde ausgeklammert, der "bunten Vielfalt" untergeordnet.

Außer dem Flugblatt der Gruppe Arbeitermacht gab es kein linkes oder gar Volksfront-kritisches Auftreten gegen die Nazis. Transparente waren Mangelware, Flugblätter gab es so gut wie gar nicht. Die IG Metall verschenkte Mützen und Trillerpfeifen, war ansonsten aber weit weg vom Geschehen.

Seitens der Veranstalter gab es auch keinerlei Überlegungen, geschweige denn einen Plan, wie die Demonstration gegen die Nazis oder die Staatsmacht hätte geschützt werden können, von einem aktiven Verhindern des Nazi-Aufmarsches ganz zu Schweigen.

Leserbrief schreiben   zur Startseite

Wöchentliche E-News
der Gruppe Arbeitermacht

:: Archiv ::