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IG Metall würgt Streik ab

Infomail 282, 22. Oktober 2006

Der Tod kommt oft in Raten. Tagelang war es der Gewerkschaftsbürokratie nicht gelungen, den Streik und die Kampfkraft der Beschäftigten ab zu würgen. Am Freitagabend war es dann schließlich gelungen, nachdem es den Streikenden nicht gelungen war, sich eine alternative Führung des Kampfes zu schaffen.

Vorgeschichte

Die Gewerkschaftsbürokratie hat eine wohlverdiente Schlappe erlitten. Nur 35 Prozent stimmten für die „Einigung“ von IG Metall, Arbeitergeberverband und Bosch-Siemens.

Die Beschäftigten wollten den Kampf gegen den faulen Kompromiss weiterführen.

Dabei hieß es noch in einer ersten Erklärung an die Funktionäre der Gewerkschaft am 18. Oktober:

“Die Verhandlungen dauerten bis spät in die Nacht an, so dass die Ergebnisse erst im Laufe des Vormittags zusammengefasst und bekannt gegeben werden können. Genaue Einzelheiten der Vereinbarung sind daher noch nicht bekannt, es steht jedoch fest, dass die Produktion im Spandauer Waschmaschinenwerk mit 400 Beschäftigten bis zum 31.07.2010 weiter bestehen bleibt. Als Gegenleistung akzeptiert die Belegschaft Einbußen bei Arbeitszeit und Einkommen; das erzielte Einsparvolumen liegt zwischen den Ausgangspositionen der beiden Parteien.”

Noch bevor die Belegschaft das Ergebnis kannte, hatte sie also schon „akzeptiert.“ Noch bevor die Belegschaft in einer Urabstimmung entscheiden konnte, hatte die IG Metall die nächsten Aktionen abgesagt.

“Die für den morgigen Donnerstag vorgesehene Abschlussdemonstration des Marsches der Berliner KollegInnen von Berlin nach München am Firmensitz in München-Perlach entfällt mit der Einigung und ist bereits abgesagt.”

Bemerkenswert, wie schnell die Bürokratie manchmal sein kann!

In der Erklärung bezeichnet die IG Metall das Ergebnis als „akzeptablen Abschluss“ und bedankt sich im Namen der Belegschaft für die Solidarität während des Arbeitskampfes.

Erste Bewertung

Nicht akzeptabel war der Abschluss hingegen für die Mehrheit der Streikenden in Berlin. Das ist aus mehreren Gründen verständlich!

Erstens: Was passiert mit den 220 ArbeiterInnen, die nicht weiter beschäftigt werden? Die finden sich dann wohl mit mehr oder weniger hoher Abfindung in einer Auffanggesellschaft auf dem Weg zur Arbeitsagentur und zu Hartz IV wieder. D.h., einem Drittel der Belegschaft droht in den nächsten Jahren der Absturz in die Armut.

Zweitens: Die KollegInnen müssen eine Verlängerung der Arbeitszeit und Lohneinbußen hinnehmen, die Personalkosten sollen um 20 Prozent gekürzt werden. Ein profitables Unternehmen kriegt zusätzliche Kohle in den Arsch geblasen - per Tarifvertrag. Ein solches Ergebnis war schon vor Wochen zu befürchten, als IG-Metall-Bezirksleiter Hövel eine Einigung gemäß dem „Pforzheimer Abkommen“ zur Standortsicherung gefordert hatte. Jetzt ist es da. Ein solcher Abschluss mag zwar die Beschäftigung von KollegInnen kurzfristig sichern - es verschärft jedoch die Konkurrenz zwischen den Standorten und die Entsolidarisierung.

Drittens gibt es überhaupt keine konkreten Angaben dazu, was „Beschäftigungssicherung“ bedeutet. Was soll in den nächsten Jahren produziert werden, welche Investitionen werden getätigt? Eindeutig ist nur, dass die Fertigung lt. Presseerklärung des BSH-Konzerns um „mehr als 50 Prozent reduziert” werden soll. Das heißt, dass von 570 Arbeitsplätzen nur 270 in der Fertigung in Berlin-Gartenfeld erhalten bleiben werden. V.a. aber zeigen die Erfahrungen mit „Beschäftigungsgarantien,“ dass sie nichts wert sind. Bei der ehemaligen Siemens-Handy-Produktion in Kamp-Lintfort gab es auch eine „Beschäftigungsgarantie.“ Nach einem Jahr werden 1.000 Leute entlassen, das Werk wird dichtgemacht. „Garantien“ gab es auch bei BSH immer wieder. Trotzdem sind jetzt gerade noch 600 (demnächst nur noch 400) Menschen in der Produktion beschäftigt.

Spätestens 2010 ist die Produktion dicht. Aber vielleicht findet sich ja schon früher eine „wirtschaftliche Notlage“, die den Weltkonzern zur Schließung „zwingt.“ Der Abschluss läuft in jedem Fall auf eine verlangsamte Werkschließung hinaus.

Da ist mehr drin!

Die ArbeiterInnen haben erkannt, dass der Konzern durch die Aktionen der Belegschaft und den BenQ-Skandal unter Druck geraten ist. Ein Kollege drückte es auf der Betriebsversammlung so aus: „Wir hatten die Hand um ihren Hals, wir wollten zudrücken und die IG Metall haut uns auf die Finger.“

Für die Bosse hätte sich ein Abkommen zur zeitweiligen Produktionserhaltung gut gemacht - zumal sie im wesentlich zu den schon früher vom Management vorgeschlagenen Bedingungen gelaufen wäre. Für die Beschäftigten wäre alles nur noch beschissener - das Management hätte sich als „sozial“ dargestellt, Bürgermeister Wowereit und der Berliner Senat als Job-Schaffer präsentieren - und im Öffentlichen Dienst zugleich weiter Personal abbauen können.

Wie wir dargelegt haben, vertieft der Abschluss die Spaltung unter der Belegschaft und er führt zu einer weiteren Aushöhlung des Flächentarifvertrags und zu verschärfter Konkurrenz.

Jetzt kann es durchaus sein, dass sich Streikende nach einem Kampf gezwungen sehen, einem solchen Erpressungswerk nachzugeben, weil sie verloren haben. Doch bei BSH war es gerade umgekehrt. Der Konzern geriet in die Defensive. Die Chance zum Nachsetzen war da - und wurde von der IG Metall blockiert.

Es ist kein Wunder, dass offene Diskussionen über die ganze Frage auf den Streikversammlungen abgeblockt werden sollten. Doch gerade eine solche offene Diskussion über das Angebot des Konzerns haben die Streikenden erzwungen. Die Bürokratie geriet in die Defensive. Bezirksleiter Hövel wurde beschimpft und mit Feuerzeugen beworfen; die IG Metall und alle, die das Abkommen unterzeichneten, wurden als Verräter gebrandmarkt.

Der Druck wurde auf der Versammlung vor Beginn der Urabstimmung am 19. Oktober schließlich so groß, dass der Betriebsratsvorsitzende Demirci, der das Abkommen mitunterzeichnet hatte, „umkippte“. In einer persönlichen Stellungnahme erklärte er, dass für ihn die Einheit und der Wille der KollegInnen das Wichtigste wäre, dass der Abschluss „nachgebessert“ werden und daher der Kampf weitergeführt werden müsse.

Die anwesenden Gewerkschaftssekretäre wurden noch blasser, als sie ohnedies schon waren. Pflichtgemäß verteidigte IGM-Funktionär Luis Sergio den Deal mit den Bossen. Das Vorgehen der IG Metall war darauf ausgerichtet, eine Verschärfung des Kampfes zu verhindern.

Wie und warum die Bürokratie den Kampf abwürgte

Doch die Bürokraten können hart arbeiten, wenn es darum geht, zu verhindern, dass eine Aktion „aus dem Ruder läuft.“

Die Methode war eine Mischung aus Drohungen der Geschäftsleitung von BSH („Wer wild streikt, kriegt gar nichts.“) und deren Streuung durch die IG Metall, deren Aufgabe gerade darin bestehen würde, die Solidarität gegen diese Erpressung zu organisieren.

Am Nachmittag nach der Urabstimmung, als die Streikbereitschaft am größten war, verabsäumten es die KollegInnen, das Werk zu besetzen – als sie fast geschlossen während der Rede des IGM-Bezirksleiters unter Verrat-Rufen aus dem Streikzelt gerannt waren. Zugleich gelang es der IG Metall-Bezirksleitung, die wichtigsten Vertreter und Führer der streikenden Belegschaft aus dem Werk zu lotsen. Die Bezirksleitung hatte ihnen offeriert, doch über eine „Nachbesserung“ des Ergebnisses zu verhandeln. Ein übler, wenn auch nicht unüblicher Trick, um die bewusstesten Kräfte aus dem Betrieb zu holen und Unsicherheit in der Belegschaft zu schüren und die Streikfront zu spalten.

Danach wurden Berliner Politgrößen wie Wowereit und Gysi aufgefahren, die zwar mit viel Misstrauen betrachtet wurden, der entscheidenden Streikversammlung aber auch Zeit für die eigentlich wichtigen Diskussionen über die weitere Vorgehensweise kosteten. Tatsächlich wuchs die Unsicherheit der Kollegen stündlich, bis die Stimmung für eine Weiterführung des Streiks mehr und mehr durch Resignation abgelöst war.

Am Freitagabend war keine Entscheidung mehr möglich. Am Samstag tauchten dann kaum noch ArbeiterInnen auf. Nur der Kern der StreikaktivistInnen war noch da und nahm außerhalb des IG Metall-Blocks an der Demo am 21. Oktober teil.

Die Belegschaftsversammlung vom 21. Oktober markierte dann die Niederlage. Nur ein sehr kleiner Teil der Streikenden war überhaupt noch aufgetaucht.

Bewusste Sabotage

Die Bürokratie hat den Kampf schließlich doch abgewürgt. Schon heute ist klar, dass die Gewerkschaftsbürokratie und die Betriebsratsspitzen im Siemens-Konzern den Kampf in der letzten Woche beenden wollten. Es gibt auch mehr und mehr Anzeichen dafür, dass es auch die Betriebsrate und der IG Metall-Vorstand selbst waren, die darauf drängten, die Demonstration vor der Münchner Konzernzentrale abzublasen, um ihren Ausverkauf bei BenQ nicht vor kämpferischen KollegInnen rechtfertigen zu müssen.

Die IG Metall wollte den Kampf gegen die Schließung nach dem Muster der Kämpfe gegen Werkschließungen der letzten Jahre führen.

Dies traf selbst auf solche langen Streiks wie bei CNH in Berlin oder AEG in Nürnberg zu - wo dieses „Ritual“ in einem Streik über mehrere Monate bei großer Anteilnahme der Bevölkerung ausgehalten wurde. Trotzdem: zuerst standen die „eindeutigen Forderungen,“ dass es natürlich um den Erhalt des Standorts und aller Arbeitsplätze ginge. Dann wurde, „um den rechtlichen Bedingungen zu genügen,“ der Streik um einen Sozialtarifvertrag (d.h. um höhere Abfindungen) geführt. Fast täglich kamen Solidaritäts-Delegationen mit warmen Worten. Zuletzt endete alles bei einer de facto Standortschließung mit mittelmäßigen Abfindungen oder einem Abschluss mit Lohneinbußen und massivem Personalabbau.

Dieser Teufelskreis kann nur durchbrochen werden, wenn günstige Gelegenheiten - wie die öffentliche Diskreditierung des Siemens-Managements - ergriffen und der Kampf von Seiten der Streikenden zugespitzt wird.

Die Beschäftigten bei BSH haben etwas geschafft, was in den letzten Jahren nur selten passiert ist - sie haben sich gegen den Apparat gestellt und machten sein Spiel nicht mit.

Auch wenn sie letztlich unterlagen, so hat ihre Unnachgiebigkeit vor allem eins vor Augen geführt: Die verrottete Politik der IG Metall Führung und die Notwendigkeit eines organisierten klassenkämpferischen Opposition gegen diese Berufsverräter.

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