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IGM-Tarifrunde

Das beste Ergebnis?

Infomail 256, 25. April 2006

"Das beste Ergebnis, das ohne Streik möglich war.", werden die Strategen der IG Metall auf Vertrauensleute- und Funktionärsversammlungen verkünden. Sie meinen damit, dass alles getan wurde, um einen Streik zu vermeiden - wonach es Anfangs gar nicht aussah.

Die Unternehmer waren mit dem festen Willen in die Tarifrunde gestartet, ihre Offensive fortzusetzen. Die Kündigung der "Steinkühler-Pause" war ein Schlag gegen die kampferprobtesten MetallerInnen, die Akkordarbeiter von Nordwürttemberg/Nordbaden. Die "Angebote" von 1,2% sollten die IG Metall lächerlich machen.

Jetzt liegt das Ergebnis im Rahmen der üblichen Abschlüsse: 60% der Forderung, inklusive Schönrechnerei durch einen Monat längere Laufzeit und kleiner Schweinereinen, die zum jetzigen Zeitpunkt (22.4.) noch nicht abzusehen sind. Vor allem bei der Steinkühlerpause ist noch Übles zu erwarten. In Stuttgart werden die Apparatschiks das dann ihren Kumpanen in NRW in die Schuhe schieben.

Die Metallkapitalisten wollten einen Tabubruch der IG Metall erzwingen: für Neueingestellte sollte die Arbeitszeit ohne Bezahlung angehoben werden. Es ginge nur um wenige Minuten, wirtschaftlich wäre das ohne Bedeutung. Aber die IGM sollte damit eingestehen, was die Agitatoren des Kapitals ständig verkünden: dass die 35 Stunden-Woche Arbeitsplätze gekostet habe. Erreicht haben sie jetzt nur einen kleinen Tabubruch. Erstmals kann die Einmalzahlung betrieblich verhandelt werden. Damit werden erstmals tarifliche Lohnbestandteile der Geschäftslage bzw. den Bilanzierungstricks der Betriebe und der Verhandlungsstärke der Betriebsräte unterworfen. Bisher konnten betrieblich nur übertarifliche Sonderzahlungen, z.B. "Erfolgsbeteiligungen" verhandelt werden. Also ein weiterer Schritt weg vom Flächentarif.

Alles in allem bewegt sich dieser Abschluss also im Rahmen dessen, was schon vor einem halben Jahr als Kompromiss-Linie zu erwarten war. Die eigentliche Überraschung ist, dass Gewerkschaftsführung und Unternehmerverband so viel Zeit und unzählige Verhandlungsrunden dafür gebraucht haben. Das hatte mit Tarifritual nichts mehr zu tun.

Tatsächlich haben die Kapitalisten eine Wende vollzogen. Sie wollten eine Offensive starten, sie wollten zeigen, dass die IG Metall nicht mal mehr eine "normale" Lohnrunde bewältigt, wenn sie, die Herren, es nicht zulassen. Jetzt, angesichts des drohenden Streiks sind sie davon abgerückt. Beleg dafür, dass ihnen dieser Abschluss mit einjähriger Laufzeit zu hoch ist - politisch und nicht wirtschaftlich. Sie rechnen sich aus, dann besser da zu stehen.

Ein Streik hätte Kräfte freisetzen können. Die Beteiligung an den Warnstreiks war deutlich höher als vor zwei Jahren. Trotz der Niederlagen der letzten Jahre sind Teile der Belegschaften entschlossener geworden, die Kämpfe in einzelnen Betrieben wie Alsthom, AEG und CNH belegen das. Auch die Betriebsratswahlen haben wohl in vielen Metallbetrieben radikale, kämpferische Kräfte gestärkt. Manche Betriebsratsfürsten mussten Federn lassen.

Auch der ver.di-Streik hat gezeigt, dass sich trotz der katastrophalen Politik von ÖTV/ver.di in den letzten vierzehn Jahren kämpferische gewerkschaftliche Strukturen in den Belegschaften bilden konnten. In der Metallindustrie hätten die Belegschaften umso leichter auf ihre höhere Kampferfahrung zurückgreifen können. Auch Frankreich ist den Kapitalisten und Regierungen in ganz Europa eine Warnung. Kein Wunder, dass sich Merkel freut, dass es zu keinem Streik gekommen ist.

Frankreich ist aber auch der Albtraum für alle Sozialdemokraten und Gewerkschaftsbonzen. Wenn die Massen die Rücknahme eines Gesetzes auf der Strasse erzwingen, dann sind die Sozis im Parlament überflüssig und Gewerkschaftsdelegationen zu Kanzlern ebenfalls. Die große Aufgabe, den sozialen Frieden zu sichern, der sich der Apparat verschrieben hat, wäre viel schwerer umsetzbar.

Vordergründig ist das Ergebnis der Metall-Tarifrunde ein Erfolg für die IGM-Führung. Aber dafür, dass so viel Kampfbereitschaft in den Belegschaften war, hat dieser Apparat nichts getan. Dass diese Tarifpolitiker erneut so ihre Rolle spielen konnten, liegt daran, dass die Entschlossenheit der Basis die Entschlossenheit des Kapitals aufgewogen hat. Das Spiel konnte am grünen Tisch entschieden werden.

Doch für die Arbeiterbewegung in Deutschland und Europa wurde in diesem Frühjahr eine große Chance vertan. Verzahnte Streiks von Metall und Öffentlichem Dienst hätten zu einer echten Wende im Kräfteverhältnis gegenüber dem Kapital führen können. Die Verbindung mit der französischen Jugend und Arbeiterklasse hätte zu einer echten Gegenoffensive in Europa führen können.

Der Verrat der Gewerkschaftsführungen liegt nicht bei einem halben Prozent mehr oder weniger. Er liegt darin, dass mit den Abschlüssen bei ver.di und IGM die Bewegung abgebrochen und der Weg zu neuen Niederlagen gepflastert wurde. Das einzige Mittel, um aus dieser Sackgasse herauszukommen, liegt in der Organisierung einer echten Opposition in den Gewerkschaften, einer klassenkämpferischen Basisbewegung.

Es gilt, jene Leute zu sammeln, die Verrat sehen oder spüren; jene, die verstehen, dass es nicht reicht, kämpferischere Leute in die Betriebsräte zu wählen; jene, die selbst handeln - ohne den Apparat und gegebenenfalls auch gegen ihn! Gelegenheit dazu wird es genug geben. Weil die Unternehmer in einem Jahr besser dastehen wollen, werden sie schon morgen damit anfangen - und im Gegensatz zu den Gewerkschaftsführern glauben sie nicht an den sozialen Frieden.

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