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Bolivien

Morales setzt Armee gegen Streik ein

Infomail 255, 19. April 2006

Die ArbeiterInnen einer bolivianischen Fluglinie haben ein böses Erwachen bezüglich des Klassencharakters von Präsident Evo Morales und seiner Regierung erlebt. Trotz all seines populistischen Geschwätzes handelt er wie jeder kapitalistische Präsident. Wie Lula in Brasilien, trotz seiner Herkunft und Wurzeln in den werktätigen Massen und deren Bewegungen bricht er Streiks, entschädigt die Reichen und regiert für die KapitalistInnen.

Ende März beendeten Polizei und Armee einen Streik bei Lloyd Aereo Boliviano (LAB), auf dem Flughafen von La Paz beschäftigten ArbeiterInnen und eine Blockade auf den Flughäfen von Cochabamba, Santa Cruz und Tarija.

Die ArbeiterInnen bei LAB sind im Streik gewesen, um den Firmenvorsitzenden Ernesto Asbun zu entlassen und seinen Aktienanteil von 50% an der Linie zu verstaatlichen. Die Streikenden glaubten, Asbun sei bestechlich und triebe die Firma in den Bankrott, damit er sie für einen Spottpreis erwerben könne.

In Cochabamba durchbrach die Armee die Blockade der Rollbahn unter Einsatz von Tränengas und verhaftete Protestierende. Einer derjenigen in Arrest, Oscar Olivera, ist ein zentraler Anführer sozialer Kämpfe in der Gegend und arbeitete Schulter an Schulter mit Morales in der siegreichen Schlacht für die Beendigung der Wasserwerkprivatisierung.

Der Radiosender Gigavision in La Paz interviewte Olivera live auf dem Flughafen, der Morales und dessen Vizepräsidenten Alvaro Garcia aufforderte, „aufzuhören, sich um Zahlen zu kümmern und anzufangen, sich um die Leute zu scheren“.

Trotz Repressalien kehrten die Streikenden und ihre UnterstützerInnen später am Tag zum Flughafen zurück, um die Blockade fortzusetzen. Am 5. April drohten die ArbeiterInnen in Cochabamba mit einem Generalstreik zur Unterstützung der Besetzung, der erst abgeblasen wurde, nachdem man der Regierung ein Versprechen aus den Rippen leierte.

Morales‘ Zugeständnis besteht darin, Asbun zu gestatten, seinen halben Anteil an LAB an die ArbeiterInnen zu verkaufen. Das ist weniger als ihre Forderung nach Nationalisierung, die von Morales mit der Begründung abgewiesen wurde, die Firma sei zu korrupt. So ist also die Fluglinie laut Regierung zu korrupt für die Verstaatlichung, aber zum Verkauf an die ArbeiterInnen OK!

Warum sollte ArbeiterInnen ihr Erspartes ausgeben, um zu erstehen, was ihre eigene Arbeit erschaffen hat? Warum sollte ein bestechlicher Millionär sie nicht nur ausbeuten, sondern auch Entschädigung bekommen, wenn er seinen Anteil an der Ausbeutung einschränken muss? Der „Präsident der Armen“, der gewöhnlichen Leute, der Leiter der Bewegung für den Sozialismus (MAS) zeigt somit, dass er ein Wächter der Bankkonten der Reichen und kein Sozialist ist.

Das Flughafenpersonal hat in der Vorhut des Kampfes während des vergangenen Jahrzehnts gestanden, einschließlich der Ereignisse letztes Jahr. Als Morales im Februar an die Regierung kam, besuchte er den Flughafen von La Paz, wo ihm die LAB-Belegschaft einen enthusiastischen Empfang verschaffte. Sie drückte seiner Präsidentschaft ihren Stempel auf, indem sie für Lohnerhöhung und Verteidigung ihrer Rentenkasse streikte, nachdem Asbun beschuldigt wurde, die Pensionsfonds zu missbrauchen.

Morales würdigte die Streikforderungen, indem er Senator Angel Zaballo als Firmenvorsitz einsetzte, mit dem Verweis, den Streik zu beendigen und die Fluglinie ins Laufen zu bringen. Aber Mitte März erlangte Asbun die Kontrolle übers Geschäft, nach einem Gang vors Oberste Gericht wieder. Diese Gerichtsentscheidung löste die jüngste Welle von Streiks und Blockaden aus.

LAB wurde vor 10 Jahren  - als Kapitalisierung beschönigt - zusammen mit der Fernmelde- und Gasförderindustrie teilprivatisiert. Eine der Hauptforderungen der Menschen, die Morales an die „Macht“ gebracht haben - d.h. seiner sozialen Basis - lautet, alles wieder anzueignen, was verkauft worden ist, wie die gigantischen Gasvorkommen. Olivera sagte in seiner Liveansprache vom Flughafen Cochabamba: „Was Morales tun muss, ist die Kapitalisierung ein für alle Mal zu verbannen und dem bolivianischen Volk zurückzugeben, was von Rechts wegen seins ist.“

Aber Morales Handlungsweise bei LAB verweist auf, dass er das nicht beabsichtigt.

Kürzlich erzählte er der BBC, er fühle sich als „Gefangener der Neoliberalen“ und warte darauf, dass die Verfassungsgebende Versammlung ihn ermächtige, Gesetze zugunsten der Armen zu verabschieden. Aber er gelangte doch ins Amt, gewann die Wahlen genau wegen der großen revolutionären Erhebung im Juni 2005, die das alte Regime der bolivianischen Elite aus der Regierung vertrieb.

Er spielte eine führende Rolle bei der Demobilisierung derselben Bewegung und Enthauptung einer Revolution die, die ArbeiterInnen und armen BäuerInnen an die Macht hätte bringen können. Nun willfähriger Gefangener im Zwangskorsett des kapitalistischen Staats, seufzt und murrt er darüber, was er liebend gern für die Armen tun würde.

Während eine Konstituierende Versammlung ein mächtiges Werkzeug beim Auslöschen elitärer Privilegien, kapitalistischer und bürokratischer Korruption, undemokratischer Verfassungen bilden kann, dürfen die Massen nicht darauf warten, dass sie einen Reformzeitplan einbringt. Die Frage ist, wer sie einberufen, sie kontrollieren, ihre Gesetze entwerfen, ihre Entscheidungen erzwingen wird. Wenn die Antwort auf alle diese Fragen die Arbeiterklasse, armen BauerInnen und Eingeborenenbevölkerungen Boliviens verkörpern, dann kann die Konstituierende Versammlung eine revolutionäre Rolle spielen.

Aber wenn die Massen zurückfluten, dann wird die Versammlung unter der Schirmherrschaft des Obersten Gerichtshofes, von Polizei und Armee tagen: des bürgerlichen Staats. Nur eine von den Organisationen der Arbeiterklasse und der kämpfenden Armut - den Gewerkschaften des COB, der Fejuve und der Jugendorganisationen - einberufene Verfassungsgebende Versammlung wird die Hauptfragen debattieren und lösen können, wer die enormen Naturreichtümer des Landes besitzen soll, wer das Land und die Fabriken, Vertriebs- und Kommunikationsnetze, wer die nötigen Entscheidungen umsetzt, um die Bedürfnisse der Werktätigen zu befriedigen.

Deshalb müssen die ArbeiterInnen, die Armen in Stadt und Land ihren Kampf um Land, Verstaatlichung, grundlegende Verbesserungen in Gesundheits-, Bildungs- und Wohnungswesen fortsetzen. Sie müssen ihr Ringen um gesellschaftliche und wirtschaftliche Reformen mit Kampfkoordinationen verknüpfen, wie sie letztes Jahr in El - Alto auftauchten mit dem ersten Arbeiter- und Bauerngipfeltreffen. Dieses muss wieder zusammengerufen und in eine Kampforganisation gegen die bestechliche herrschende bolivianische Klasse und die Multis umgewandelt werden.

Aber die ArbeiterInnen und BäuerInnen brauchen auch eine politische Alternative zu Morales und der MAS, die ein Bündnis verschiedener Gesellschaftsklassen, einschließlich von Teilen der Geschäftsleute verkörpert.

Die Notwendigkeit einer solchen revolutionären Partei war bei der Entscheidung des COB offensichtlich, in den revolutionären Tagen in Mai und Juni 2005 ein „politisches Instrument“ zu bilden. Die gewollt vage gehaltene Formel stellte sicher, dass nichts entstand und infolgedessen Morales praktisch zum Kandidaten der Linken und unterdrückten indigenen Mehrheit wurde.

Trotz seiner verräterischen Haltung zum Streiks bei LAB besitzt Morales immer noch die Unterstützung vieler die, die heldenhaften Schlachten gegen neoliberale Privatisierung  und Sparmaßnahmen geschlagen haben, die 2001 anfingen und sich seitdem fortgesetzt haben. Solange dies der Fall ist, werden Revolutionäre weiter von Morales fordern, aus dem Gefängnis auszubrechen, das seiner Ansicht nach die Neoliberalen um ihn herum errichtet haben.

Als ersten Schritt kann er sie aus dem Kabinett werfen, einschneidende Maßnahmen gegen die Nöte der Armen auf Kosten der Reichen treffen, Öl- und Gasquellen nationalisieren, das Land der Großgrundbesitzer verteilen, die Massen bewaffnen. Wenn er etwas davon oder alles unternähme, könnte er auf enthusiastische Unterstützung durch die mobilisierten ArbeiterInnen und BauerInnen für diese Maßnahmen zählen.

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