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Proteste gegen die Sicherheitskonferenz

Zehntausendfach gegen die Kriegstreiber

Infomail 245, 8. Februar 2006

Jedes Jahr wird Anfang Februar die schöne Stadt München von einer Horde unangenehmer Leute besucht: Spitzenpolitiker, Verteidigungsminister, Vertreter der Rüstungsindustrie, Nato-Militärs. Eingeladen hatte wieder einmal Horst Teltschik, „Sicherheitsexperte“ und zugleich Vertreter des Rüstungsriesen Boeing. Zu seiner Sicherheitskonferenz waren auch Kanzlerin Merkel und US-Verteidigungsminister Rumsfeld angereist.

Wie in den Jahren zuvor waren Tausende gekommen, um auf den kalten Strassen Münchens gegen das Treffen der Kriegtreiber im warmen Luxushotel Bayerischer Hof zu protestieren.

Die Nato-Sicherheitskonferenz (SiKo) hatte mehrere Ziele:

Die Abstimmung über ein gemeinsames Vorgehen von USA, EU und Nato bei der globalen Sicherung imperialistischer Ausbeutungs- und Machtinteressen unter dem Motto des „Krieges gegen den Terror“. Im Zentrum stand dabei das „Problem“ Iran. Rumsfeld wie auch die Vertreterin Frankreichs betonten dabei, dass sie nicht bereit seien, dabei zuzuschauen, wenn sich der Iran ein atomares Potential zulegt.

Das ist zwar auch völkerrechtlich gesehen sein gutes Recht, hält aber die VertreterInnen der bereits Atomwaffen besitzenden imperialistischen Staaten nicht davon ab, dem Iran mit offener Gewalt und „als letzter Möglichkeit“ mit dem Einsatz von Kernwaffen zu drohen. Auch Merkel blies in dieses Horn.

Diese in München vertretenen Positionen belegen, dass die jüngst von Frankreichs Präsidenten Chirac ausgesprochenen atomaren Drohungen kein Fauxpas waren, sondern den Willen des Imperialismus widerspiegeln, jeder Art von Widerstand gegen seine Herrschaftspläne und jeder Einschränkung seiner globalen Jagd nach Profit mit brutaler Gewalt entgegen zu treten - auch mit dem Einsatz von Massenvernichtungswaffen. Die Sicherheitskonferenz im Hotel Bayerischer Hof bestätigt, wie berechtigt die Befürchtungen hinsichtlich eines drohenden Angriffs auf den Iran durch den Imperialismus sind.

Neben dem Iran ist auch der Kongo im Visier. Dort soll demnächst der erste, weitgehend eigenständige - d.h. unabhängig von den USA erfolgende - Einsatz von EU-Verbänden (darunter auch der Battle groups) erfolgen. Deutschland wird dabei eine wesentliche Rolle spielen.

Konzeptionell brachte die Münchener SiKo noch einen wichtigen neuen Aspekt. Rumsfeld u.a. betonten, dass künftig die Zusammenarbeit der Nato mit außereuropäischen Staaten wie Australien, Neuseeland oder Südkorea forciert werden wird, um den weltweiten „Krieg gegen den Terror“ noch effektiver führen zu können.

Während Ende der 1990er Auslandseinsätze und Angriffskriege der Nato zunächst in Europa, im Nahen und Mittleren Osten und in Afrika geplant und praktisch umgesetzt wurden, geht man jetzt einen Schritt weiter und erklärt die ganze Welt zum Einsatzgebiet. Das widerspiegelt zugleich auch die Besorgnis der imperialistischen Mächte darüber, dass an allen Ecken und Enden der Welt Widerstand gegen seine Herrschaft entstehen kann und die Welt infolge der kapitalistischen Globalisierung in Chaos und Ausweglosigkeit getrieben wird.

Ein weiteres Thema der Münchener SiKo war das Verhältnis zwischen den USA und der EU (resp. Deutschlands und Frankreichs) und die Zukunft der Nato. Vor dem Irak-Krieg war es zu einem erheblichen Konflikt über die Frage der Unterstützung des Irak-Krieges von Bush und Blair gekommen. Der Riss teilte Europa in Parteigänger der USA wie Spanien, Polen oder Italien und Anhänger der Politik Deutschlands und Frankreichs.

Hinter diesem militär-strategischen Konflikt steht eine schärfere Rivalität der beiden imperialistischen Blöcke USA und EU. Das Streben nach stärkerer militärischer Unabhängigkeit der EU von den USA bzw. der Nato und der damit verbundene Drang nach einem größeren militärischen Potential der EU warf und wirft die Frage nach der weiteren Perspektive der Nato auf.

Die diesjährige Tagung brachte in dieser Frage nichts wesentlich Neues. Merkel betonte, dass Deutschland „entsprechend seinen finanziellen Möglichkeiten“ Bushs Krieg gegen den Terror unterstützen wird. Rumsfeld zeigte sich „sehr erfreut“ darüber, dass Merkel die Nato zugleich als wesentliches Instrument der „Sicherheit“ des Westens, sprich der Interessen des Imperialismus, sehe.

Eine offene Konfrontation zwischen Washington hier und Berlin und Paris dort blieb erwartungsgemäß aus. Trotz der zur Schau getragenen Harmonie arbeitet die EU weiter intensiv daran, die eigenen militärischen Potentiale auszubauen. Der Aufbau der Schnellen Eingreifverbände und der Battle groups, die weitgehend unabhängig von den USA und der Nato agieren können und sollen, wird weiter forciert. Der waffentechnische Rückstand Europas gegenüber den USA wird weiter abgebaut und die Aufrüstung der EU vorangetrieben - nicht zuletzt durch die Einrichtung der europäischen Rüstungsagentur.

Die „Alternativenkonferenz“

Am 4. und 5. Februar fand eine Konferenz der Anti-Kriegs- und Friedensbewegung unter dem Motto „Alternativen gegen die Kriegpolitik von Nato und EU“ statt.

Noch vor einigen Jahren war dieses Treffen ein Ort lebendiger Debatten zwischen den verschiedenen politischen Strömungen, Organisationen und AktivistInnen. Die brutale Repression der Bullen und die Einkesselung des DGB-Hauses, wo die Tagung damals wie heute stattfand, sorgten 2004 für eine brisante und kämpferische Atmosphäre.

Davon war 2006 nichts zu spüren. Nicht nur die Teilnehmerzahl von etwa 50 Leuten war geradezu erbärmlich. Die Linke glänzte mit Ausnahme von arbeitermacht mit Abwesenheit, die Gewerkschaft hielt es auch nicht für nötig, an einer Tagung in ihrem eigenen Haus vertreten zu sein, VertreterInnen von Basisinitiativen konnte man an einer Hand abzählen. Dafür war eine andere Spezies recht gut vertreten: ein Bundeswehroffizier und ein Nato-Vize-Admiral a.D.

Ersterer - Major Pfaff - ist durch seine Verweigerung der Auslandseinsätze der Bundeswehr bekannt geworden. So anerkennenswert seine Haltung in dieser Frage auch ist; was er sonst äußerte - ein klares Ja zur Nato und zur Bundeswehr - wirft die Frage auf, was dieser uniformierte Friedenskämpfer auf einem Podium zu Alternativen zu Nato und Bundeswehr zu suchen hatte …

Der politische Inhalt des gesamten Treffens hatte mit „Alternativen“ wenig zu tun. Fragen wie „Wie kann der Kampf gegen imperialistischen Krieg effektiver geführt werden?“, „Warum hat die Bewegung gegen den Irak-Krieg so wenig erreicht?“, „Wie können die Arbeiterklasse und die Jugend stärker in die Anti-Kriegs-Bewegung einbezogen werden?“ wurden auf dieser Konferenz schlichtweg nicht gestellt bzw. als „störend“ betrachtet.

Stattdessen überschlug sich gleich ein ganzes Dutzend Friedensforscher, Wissenschaftler, Ex-Botschafter und EU-Linksfraktions-Mitglieder in Mutmaßungen und Illusionen über die Segnungen des Völkerrechts und der UNO. Ergänzt wurde das Ganze noch durch originelle Vorschläge wie jenen, ein „Gesetz gegen den Krieg“ einzubringen. Darauf konnte sogar der Herr Major Pfaff entgegnen, dass ja in Nato-Doktrin und Grundgesetz Angriffskriege verboten sind. Dumme Sache, dass die Bourgeoisie sich einfach nicht an ihre eigenen Ideale hält! Immerhin halten sich unsere alternativen Friedenfreunde daran und glauben, dass sich auch das Kapital gelegentlich nach Aufforderung durch die Friedensbewegung daran halten könnte ...

Das - recht betagte - Auditorium sah bezeichnenderweise wenig Anlass, diesem äußerst drögen Theater der Illusionen irgendeine Art von Kritik entgegen zu setzen. Da die - deutsche wie die Münchner - Linke durch Abwesenheit glänzte, statt den bürgerlich-demokratischen Friedens-Schwadronierern mit einem Feuerwerk von Kritik zu begegnen, fiel es ausschließlich den Vertretern von arbeitermacht und einem EU-Abgeordneten der griechischen KKE zu, einige antiimperialistische Signalraketen abzufeuern.

Alles in allem: hier hatten sich die VertreterInnen des „alten Europa“ versammelt - eine alternative Kraft für eine andere Welt ohne imperialistischen Krieg, ohne Ausbeutung, ohne Rüstung und Militär - für eine sozialistische Welt - sieht anders aus. Vor solchen Gegnern muss Nato und Bundeswehr nicht Bange sein.

Die Proteste

Am Freitagabend waren ca. 1.500 Menschen, darunter viele Jugendliche, aber leider nur wenige als GewerkschafterInnen Erkennbare, zur Kundgebung auf den Marienplatz gekommen. Wo sonst die Bayern-Kicker nach Meisterschaften bejubelt werden, gab es Parolen, Buhrufe und Statements gegen die Nato-Sicherheitskonferenz, gegen die imperialistische Besatzung des Irak, des Balkans und Afghanistans.

Vor allem wurde auch klar gegen den „Anti-Terror-Krieg“ Position bezogen und jede Art von Aggression gegen den Iran abgelehnt. Auch klare antikapitalistische Töne waren nicht selten. Die Stimmung war gut und kämpferisch - welch erfreulicher Kontrast zum politischen Larifari der „Alternativenkonferenz“!

Am späten Freitagabend gab es noch eine Demo, den „antikapitalistischen Spaziergang“, von ca. 500 überwiegend jungen Leuten durch die nobleren Teile Münchens, wo Botschaften oder auch ein Zentrum der Schlagenden rechten Studenten angesiedelt sind. Dort gab es jeweils gute Zwischenkundgebungen. Leider war es nicht möglich, den im Nobelrestaurant „Käfer“ speisenden SicherheitlerInnern um Angela Merkel in die Suppe zu spucken ...

Die große Demo am Sonnabend zog etwa 10.000 Leute an. Stimmung und politische Orientierung waren trotz kalten Wetters wie am Vortag gut.

Wie in den letzten Jahren kam es am Freitag und v.a. am Samstag zu massiven Provokationen der Bullen. Es gab Dutzend Festnahmen und mehrere Attacken gegen die Demo. Ein Vorwand dafür war z.B. das Verbot von Schildern mit der Aufschrift „Massenmörder Rumsfeld“. Das - so meinte die Bullerei - wäre eine Beleidigung von Staatsgästen. Richtig! Staatsgäste müssen freundlich empfangen werden, auch wenn sie Massenmörder sind!

Zwei Dinge sind festzuhalten: 1. Wetter und Polizeiprovokationen konnten nicht verhindern, dass es in München auch 2006 massive Proteste gegen die Kriegspolitik von Nato und EU gab; 2. es gab leider keinen größeren antiimperialistischen Block und auch keinen eigenen Block der Gewerkschaften.

Drittens: Der Kontrast zwischen der Militanz und Entschlossenheit der Straße und der politischen Sackgasse, in welche die „alte“ Friedensbewegung führt, wurde in München besonders deutlich. Angesichts der notwendigen Solidarität mit dem Widerstand gegen die Besatzung im Irak und in Palästina sowie des drohenden Militärschlags gegen den Iran war das Wochenende Hoffung und Warnsignal zugleich. Hoffnung, weil die 10.000 DemonstratInnen für ein großes Mobilisierungspotential stehen. Warnsignal, weil die Bewegung - genauer die Führung der Bewegung - weg muss vom Hoffen auf ein Bündnis mit „demokratischen“ NATO-Offizieren, hin zu einer Bewegung, die mit den Illusionen in ein „besseres“ kapitalistisches Europa bricht, so dass aus der Anti-Kriegsbewegung eine wirklich kämpferische Bewegung gegen Imperialismus und Kapitalismus wird.

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