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Zur AEG-Schließung in Nürnberg

Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil

Infomail 238, 20. Dezember 2005

Hunderte AEG-Beschäftigte in Nürnberg werden arbeitslos, wenn Electrolux das Werk 2007 endgültig schließt.

Die Wut ist groß. Entsetzt vermerkte die Financial Times Deutschland, dass während einer Betriebsversammlung „Gegenstände“ auf Manager geworfen wurden.

Am 14.12.2005, haben die Beschäftigten begonnen, die Arbeit niederzulegen und die Produktion weitestgehend lahmzulegen.

Die Wut ist groß. Aber die Beschäftigten müssen aufpassen. Die Electrolux und die ehemaligen AEG-Manager haben Übung, Proteste abzufangen. Darin haben sie lange Tradition.

Als Lenin „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Imperialismus“ schrieb, hat er wohl kaum voraussehen können, welches Ende dieser als Musterbeispiel für ein Monopol angeführte Konzern nehmen würde. Von den einst über 120.000 Beschäftigten blieben nur wenige, Produktionsstätten wie Olympia Büromaschinenwerke in Wilhelmshaven oder die Rechenmaschinenwerke in Braunschweig wurden stillgelegt.

In Kassel haben wir mit dem AEG-Konzern besonders üble Erfahrungen gesammelt.

Einmal die Schließung des „Mister Hit-Werkes“ (Schallplattenspieler) in den siebziger Jahren. Die Produktion des „Mister Hit“ lief nur wenige Monate, dann wurden die Maschinen nach Berlin gebracht und die Arbeiterinnen entlassen. Die Schließung des Kühlschrankwerkes 2002 hat zuletzt 400 Arbeiterinnen die Existenzgrundlage gekostet. Dabei war die Belegschaft seit 1980 schon von fast 2000 scheibchenweise abgebaut worden. In beiden Fällen haben die AEG-Kapitalisten, später die Electrolux-Eigner, lange Zeit vom Land Hessen und von der Stadt Kassel Subventionen und Vergünstigungen aus Steuermitteln abgegriffen.

Wie verhielt sich damals die IG-Metall?

Anfangs wurden die Proteste unterstützt, dann ging es nur noch um Abfindungen, Vorruhestandsregelungen usw. Eine Radikalisierung der Proteste wurde verhindert.

Die über 2200 Arbeitsplätze sind nie wieder ersetzt worden. Das hat mit dazu beigetragen, dass die offizielle Arbeitslosenquote in Kassel auf über 20 Prozent gestiegen ist.

Auch in Nürnberg wurden wieder verbal-radikale Reden gehalten, Drohungen mit „Boykott“  von Electrolux-Produkten ausgesprochen und auch die reaktionäre, nationalistische Karte gespielt („Polen und Tschechen nehmen uns die Arbeitsplätze weg“).

Von der IG-Metall-Spitze wird wieder auf Abfindungen hin orientiert, der Kampf um die Arbeitsplätze im Grunde aber schon jetzt aufgegeben. Vor Weihnachten sollten keine Streikaktionen stattfinden, sondern erst im neuen Jahr.

IGM-Vize Huber hat am 18.12.05 in der „Welt am Sonntag“ eine Art Offenbarungseid abgegeben. So sagt er in einem Interview: “Wir hatten immer in unserer Geschichte Schließungen von Werken. Das als Zeichen von Schwäche zu verstehen, halte ich für falsch. Was wir haben, ist aber eine neue Qualität von Auseinandersetzungen. Hier sollen Werke geschlossen werden, die schwarze Zahlen schreiben.“

In Bezug auf die Entlassungen bei Conti in Hannover stellt Huber fest, der Vorstandschef Manfred Wennemer verfolge „geradezu fanatisch das Ziel, den Aktienkurs zu steigern, obwohl die Belegschaft Zugeständnisse gemacht hat. Das ist ein Ausweis, dass wir es mit einer Radikalisierung des Kapitalismus zu tun haben. Das gilt auch für den Chef von AEG-Electrolux, Hans Straberg. Der Vorstand des schwedischen AEG-Mutterkonzerns will von über 20 Standorten in Westeuropa insgesamt 13 dichtmachen.“

Und weiter: „Wir haben es hier mit einer neuen Qualität eines rücksichtslosen Vorgehens gegen Beschäftigte und ihre Bedürfnisse zu tun. Als Gewerkschaft fehlen uns in der Tat die Instrumente, um die Arbeitsplätze zu halten. Das ist kein Problem, das man mit Tarifverträgen bekämpfen kann. Wir können Strabergs Schließungsbeschluß wahrscheinlich nicht rückgängig machen, aber wir können ihm und Electrolux die Schließung so teuer wie möglich gestalten. (...) Das ändert aber nichts daran, dass bestimmte Teile der Wirtschaftsvertreter außer Rand und Band geraten zu sein scheinen. Das ist kein Thema, das eine Gewerkschaft allein lösen kann. Das muss die Politik und die gesamte Gesellschaft angehen. (...) Das ist die neue Rücksichtslosigkeit, die mir große Sorgen macht.“

Es ist der Originalton des erschrockenen Kapitulanten, der schon aufgibt, bevor er begonnen hat, zu kämpfen.

Die ArbeiterInnen aber haben nach Bekanntgabe der Werksschließung die Arbeit letzte Woche weitgehend eingestellt und sich nicht an die Vorgaben der IGM-Führung gehalten.

Der Protest aber droht vereinzelt, auf das Werk begrenzt zu bleiben. Das kann jedoch durchbrochen werden, wenn die GewerkschafterInnen an der Basis diesen Angriff als Angriff auf alle auffassen und den Protest ausweiten, über den Betrieb hinaus, über die Stadtgrenzen hinaus, bundesweit.

Einen guten Anfang haben die KollegInnen anderer Nürnberger Metallbetriebe und Gewerkschaftsgliederungen gemacht, aber auch solche aus anderen Metallbetrieben, so von Alstom in Mannheim.

Das muss ausgeweitet werden. Gemeinsam mit den Beschäftigten bei Conti in Hannover oder Gate Gourmet in Düsseldorf. D.h. also auch Gewerkschafts-Organisations-Grenzen  überschreitend. Gemeinsam mit Arbeitslosen-Initiativen und den Protesten der Jugend gegen Bildungsabbau, gemeinsam mit den Telekom-, Bahn-, Siemens-, Bankbeschäftigten. Auch bei Daimler-Chrysler, VW oder Ford stehen weitere Massenentlassungen bevor. In Berlin droht die Schließung der Werke von Samsung, CNH und JVC.

Macht den Konzernen und den Sozialabbauparteien Dampf! Trefft sie, wo es weh tut - mit Streiks, Strassenaktionen usw. Symbolischen Aktionen reichen längst nicht mehr. Wir brauchen einen Flächenbrand des Protestes. Lasst euch die Formen des Protestes nicht vorschreiben!

Auch Betriebsbesetzungen können wirksame Mittel sein. Viele Betriebe in Argentinien sind 2001 von ihren Beschäftigten besetzt worden. Diese Erfahrungen sollten auch für die ArbeiterInnen in Deutschland und Europa ausgewertet werden. Sucht den gemeinsamen Kampf mit den KollegInnen in anderen Ländern, die vor den gleichen Problemen stehen!

Wir schlagen für Anfang 2006 eine große, bundesweite  Demonstration vor, verbunden mit einem Kongress, der auf demokratischer Grundlage weitere Kampfmassnahmen gegen die Massenentlassungen beschließt und eine bundesweite Koordination aufbaut.

Gewerkschaftslinke, Gliederungen aller Gewerkschaften und Vertreter von Belegschaften, Jugendverbände, Arbeitsloseninitiativen, Sozialforen usw. sind ebenso aufgefordert, dies zu unterstützen wie die Linkspartei/WASG.

 

Materialien über die AEG-Schließungen in Kassel, zusammengestellt von der arbeitermacht in Kassel, können über die Redaktionsadresse oder kassel@arbeitermacht.de angefordert werden..

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