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Strategie- und Aktionskonferenz

Nichts Ganzes und nichts Halbes

Infomail 234, 24. November 2005

Die Frankfurter Strategie- und Aktionskonferenz vom 19./20. November ging auf einen Beschluss des Erfurter Sozialforums zurück. Dort hieß es:

“Im Unterschied zum Sozialforum soll der APO-Kongress (die Strategie- und Aktionskonferenz) auf gemeinsame Proteste und Aktionen orientieren. Dazu wird das Regierungsprogramm bzw. die Koalitionsvereinbarung konkrete Anlässe bieten.

Schon im Anschluss an oder als Bestandteil des Kongresses sollen ‚typische Köpfe’ der Bewegung gemeinsam mit einer medienwirksamen Aktion in die Öffentlichkeit treten - Querlegen auf einer Kreuzung z.B. - und signalisieren, dass mit uns zu rechnen ist.

Im Dezember könnten mit einigen regionalen Demonstrationen Bündnisarbeit und Mobilisierung forciert werden.

Im Frühjahr 2006 soll - mit Focus auf das Gesetzgebungsverfahren für ‘einen dicken Hammer’ - eine große gemeinsame bundesweite Protestaktion organisiert werden.”

Diese Zielsetzung war in der Vorbereitung des Kongresses weitgehend verändert und vom der „offenen Vorbereitungsgruppe“ geradezu in ihr Gegenteil verkehrt worden.

Am Samstag mussten rund 350 TeilnehmerInnen der Konferenz eine/n RednerIn nach dem/der anderen über sich ergehen lassen. Diskussion über die Beiträge? Fehlanzeige? Diskussion über die vorgeschlagene Tagesordnung? Mitnichten.

Stattdessen wurde das Publikum von der „Moderation“ um Sabine Leidig (attac) und anderer in „political correctness“ geschulmeistert. Auf gelben Kärtchen wurden „Regeln“ „vereinbart“ (also von der Moderation vorgesetzt), die allesamt darauf hinausliefen, dass anwesende Gewerkschaftsbürokraten und VertreterInnen der Linkspartei nicht politisch angegriffen werden.

Das Publikum ließ sich solche und andere Zumutungen jedoch weitgehend gefallen – teils weil relativ viele mittlere und untere reformistische FunktionsträgerInnen anwesend waren, teils weil die politische Linke schwach und uneinig war, teils weil manche fürchteten, eine solche Konfrontation der Masse der TeilnehmerInnen nicht vermitteln zu können.

Dabei waren einige Reden durchaus interessant und hätten eine intensivere Debatte verdient. Ihr Inhalt ging in dem Format jedoch ebenso unter wie die peinlichen Darlegungen anderer RednerInnen.

In der anschließenden Aussprache kamen gerade 20 Leute zu Wort – 90 Minuten, nach 4 Stunden Vortrag. „Natürlich“ konnten dann „nicht alle“ zu Wort kommen – namentlich VertreterInnen der Gewerkschaftslinken, des RSB, der Gruppe Arbeitermacht, des Rhein-Main-Bündnisses, des Bündnisses Montagsdemonstrationen und der MLPD „nicht berücksichtigt“ werden. Ein Schlemm, wer böses dabei denkt, dass Judith Dellheim (PDS) und andere „Moderatoren“ für die Auswahl zuständig waren.

Wille zu mehr

Dass viele TeilnehmerInnen der Konferenz durchaus mehr wollten, zeigte sich in den Arbeitsgruppen am Samstag, vor allem in der Arbeitsgruppe zur sozialen Frage, die auch über ein Demonstration gegen die Angriffe der Regierung im Frühjahr und seine politische Grundlage, darunter einen Vorschlag der Gewerkschaftslinken für eine Plattform diskutierte.

Etwas die Hälfte der TeilnehmerInnen besuchte diese Arbeitsgruppe. Dahinter steckte, wie auch von vielen betont, das Bedürfnis zur gemeinsamen Aktion zu kommen.

Die Moderation und „vorbereitete“ Diskussionsordnung tat auch hier ihr bestes, die Sache zu zerreden. Statt den „Frankfurter Appell“ vom Januar 2003 oder den Vorschlag der Gewerkschaftslinken zum Ausgangspunkt zu nehmen, wurde eine lange Debatte über das „Querdenken“ von Kampf gegen Arbeitslosigkeit, für Mindesteinkommen, Mindestlohn, für Arbeitszeitverkürzung usw. inszeniert.

Wir sagen hier bewusst inszeniert, weil der Frankfurter Appell wie auch der Vorschlag der Gewerkschaftslinken zentrale Forderungen beinhaltet, die gerade diese Fragen zusammenbringen.

Das sollte jedoch verhindert werden, dann sonst hätte am nächsten Tag dem Kongress ein konkreter Vorschlag gemacht und die zentralen Forderungen einer Demonstration gegen die Große Koalition diskutiert werden können.

Nichtsdestotrotz gab es eine recht weit gehende Einigkeit, dass sich der Aufruf am Frankfurter Appell von 2003 orientieren solle und dass eine zentral Demonstration (oder zwei Demos) im März 2006, möglichst vor den Landestagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland Pfalz und Sachsen-Anhalt bzw. den Kommunalwahlen in Hessen stattfinden sollten.

Ergebnis

Für die Ergebnisse einer Arbeitsgruppe trug auf dieser Konferenz die „Moderation“ (in diesem Fall die Gruppe um Rainer Wahls aus Berlin von der sog. „bundesweiten Koordinierung der Sozialproteste“) die Verantwortung. Nachdem sich die Wahl und Klautke mit dem Vertreter der Gewerkschaftslinken für die Berichterstattung nicht einigen konnten, präsentierten sie einfach ihr Ding.

In der Debatte über den Bericht – die selbst erst erzwungen werden musste – versuchte Sabine Leidig zuerst den „Unruhestiftern“ das Wort zu verbieten, sprich das Mikro abzuschalten. Das war selbst für die Frankfurter Versammlung zuviel und Leidig wurde durch Angela Klein als Moderatorin ersetzt.

Vertreter der Gewerkschaftslinken, von arbeitermacht, RSB sowie des Kieler Sozialbündnisses legten noch einmal ihren Vorschlag dar:

Der Kongress möge zu einer Demonstration im März aufrufen und über den Vorschlag der Gewerkschaftslinken beraten und diesen als Diskussionsgrundlage an andere Gruppierungen, Bündnisse, Initiativen herantragen.

Dazu soll Anfang/Mitte Dezember eine Vorbereitungstreffen stattfinden, das Termin und Aufruf festlegt und entscheidet, ob eine, zwei oder drei zentrale Demos stattfinden sollen.

Diesem Vorschlag wurde entgegengestellt, dass zu eine Demonstration im Frühjahr aufgerufen wird und über den inhaltlichen Vorschlag auf der Konferenz nicht weiter diskutiert wird, sondern das Treffen im Dezember ohne Empfehlung und Vorarbeit der Konferenz der Sozialen Bewegungen startet.

Schließlich wurden die Vorschläge von Angela Klein zur Abstimmung gebracht, die es dabei auch nicht verabsäumte, unseren Vorschlag zu entstellen, als ob die Abstimmung über den endgültigen Aufruf und das endgültige Datum auf der Konferenz im „Schnellverfahren“ zu beschließen sei.

Hinter dieser Differenz steckt vor allem eines: die Organisatoren der Konferenz wollen und wollten sich möglichst freie Hand für politische Zugeständnisse im Aufruf an die Gewerkschaftsbürokratie (resp. an die Spitzen von Linkspartei und eventuell auch der SPD-Linken) offen lassen.

Daher lehnten sie es ab, dass die Konferenz ein politisches Signal gibt, indem zB. ein Mindestlohn von 10 Euro/Stunde gefordert wird. Schließlich fordert ver.di gerade Mal 7,50 Euro/Stunde und auch der de facto WASG-Chef Lafontaine hatte schon im Wahlkampf einen Mindestlohn von 1400 Euro im Monat als „unrealistisch“ bekämpft.

Zweifellos ist es richtig und notwendig, die Gewerkschaften und die Linkspartei zur Teilnahme und zum Aufruf für seine solche Demonstration gegen die Regierung aufzufordern. Hätte die Frankfurter Versammlung z.B. die Forderungen nach 10 Euro Mindestlohn oder nach Weg mit den Hartz-Gesetzen oder nach der 30-Stunden-Woche als Vorschlag eingebracht, so hätten sich PDS, WASG, Gewerkschaftsführungen dazu verhalten müssen, könnten sie jetzt in den Partei- und Gewerkschaftsgliederungen unter Druck gesetzt werden.

Mit der Annahme der zweiten Variante – keine Forderungen, kein Vorschlag – kommt man der Bürokratie entgegen. Zweifellos lag diese Annahme nicht nur an der Manipulation durch die Vorbereitungsgruppe. Sie lag auch an einer relativ großen „Beteiligung“ der unteren Ränge der Bürokratie, von attac und von Funktionären der Linkspartei samt DKP- und Friedensratschlag-Sekundanten. „Natürlich“ spielten Linksruck und isl wieder den „linken“ Flügel dieser Bürokratenclique.

Danach war die Konferenz praktisch gelaufen. Wie immer wurde noch eine ganze Latte von „Aktionen der sozialen Bewegungen“ akklamiert, ohne dass über die konkrete Mobilisierung diskutiert, geschweige denn die dazu nötigen Strukturen ins Leben gerufen worden wären.

So endete die Frankfurter Versammlung. Sie vertagte sich halbverrichteter Dinge. Welche Form und welche Forderungen eine Demonstration gegen die Große Koalition annehmen soll, das soll nun auf einem Vorbereitungstreffen Anfang Dezember entschieden werden.

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