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Sozialforen wohin?

Eine andere Welt ist möglich - durch die sozialistische Revolution!

Infomail 218, 18. Juli 2005

"Eine andere Welt ist möglich" lautet das wohl bekannteste Motto der internationalen Sozialforen und der Antiglobalisierungsbewegung. Doch wie diese andere Welt aussehen soll, wie und von wem sie errungen werden kann - darüber gehen die Meinungen weit auseinander. Nach den letzten Mobilisierungserfolgen - dem NEIN zum Entwurf der EU-Verfassung und der Demonstration Hunderttausender gegen den G8-Gipfel im schottischen Gleneagles - stellt sich diese Frage umso schärfer.

Reformismus

Viele selbsternannte SprecherInnen unserer Bewegung setzen sich die Verbesserung, die Reform des Kapitalismus als Ziel - durch internationale Kapitalkontrollen wie durch die Regulierung der Marktwirtschaft durch die bestehenden Nationalstaaten oder eine "reformierte" EU.

Diese Kräfte - Gewerkschaften wie die französische CGT, Teile der DGB-Gewerkschaften oder die europäische Linkspartei - wollen die Sozialforen zu einem Ort der Diskussion und Akklamation reformistischer Konzepte zurechtstutzen.

Auch das offizielle Motto des deutschen Sozialforums "Für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Natur” bringt diese politische Absicht zum Ausdruck. Auf europäischer Ebene zeigt sich der bewusste Versuch, die sozialen Bewegungen für einen solchen Kurs zu vereinnahmen. So haben führende Kräfte der französischen NON-Kampagne die Erklärung "Ein neues Zeitalter hat begonnen" initiiert. Sie beinhaltet eine knappe Zusammenfassung der politischen Ziele und der Stoßrichtung eines sich formierenden, europäischen "neuen" Reformismus: dem "neoliberalen" Europa wird ein "soziales, demokratisches, friedliches, feministisches, ökologisches, solidarisches Europa" entgegengestellt.

Ganz bewusst findet sich darin kein Wort über den imperialistischen Charakter des gegenwärtigen Europa. Nicht der Kapitalismus, nicht eine bestimmte Produktionsweise und Gesellschaftsordnung, sondern nur eine "falsche", neoliberale Politik wird als das eigentliche Problem hingestellt.

Als Subjekt der Mobilisierung und Veränderung wird nicht die Arbeiterklasse verstanden, sondern "die Bürger", "das Volk", also eine Allianz verschiedener Klassen.

Wie aber soll eine solche Allianz von Ausgebeuteten und Teilen der Unterdrücker, der "aufgeklärten" oder "vernünftigen", d.h. sozialpartnerschaftlichen Unternehmer funktionieren? Wohl nur, indem die Lohnabhängigen ihre Klasseninteressen, jenen der "wohlmeinenden" Kapitalisten unterordnen!

Genau das ist die Bedeutung der vielen verschwommenen Phrasen wie jener: "Gemeinsam wollen wir eine breite bürgerliche Bewegung auf europäischer Ebene ins Leben rufen, um in Solidarität mit allen Völkern der Erde eine politische und soziale Dynamik von der örtlichen bis zur europäischen Ebene für eine anderes Europa zu entfalten".

Das "andere Europa" soll ein Europa mit anderer, "gerechter" Verteilung des Reichtums sein. Das Monopol der Kapitalistenklasse an den Produktionsmitteln und der imperialistische Charakter des bestehenden Europa werden in keiner Weise angetastet.

Besonders deutlich wird das in der internationalen Politik. Statt sich auf eine gemeinsame Mobilisierung gegen Aufrüstung, Besetzung des Iraks, Afghanistans usw. zu verständigen, wird davon schwadroniert, die "Logik des Krieges und der Militarisierung der Europäischen Union abzulehnen, ein Europa zu schaffen, das zugunsten einer anderen Welt handelt."

Das sind nichts als reaktionäre pazifistische Floskeln, die erstens zu nichts verpflichten (anders als z.B. eine Aktion gegen die Besetzung des Irak) und zweitens unterstellen, dass eine kapitalistische EU anders als imperialistisch sein und handeln könnte.

Wer wirklich ein Europa schaffen will, das zugunsten einer anderen Welt handelt, muss für ein sozialistisches Europa kämpfen, muss sich offen für die Notwendigkeit einer europäischen Revolution, der Machtergreifung der Arbeiterklasse und der Schaffung Vereinigter Sozialistischer Staaten von Europa aussprechen.

Doch für die neuen europäischen ReformistInnen geht es nicht um den Klassenkampf gegen den laufenden Generalangriff, sondern um eine Kampagne für einen "alternativen Verfassungsentwurf".

Diese Strategie soll, ausgehend von Paris, auch dem Europäischen Sozialforum verpasst werden.

Eine solche Strategie wäre für unsere Bewegung, für die Arbeiterkämpfe, für den Widerstand gegen Sozialraub, Entlassungen, Krieg und Rassismus fatal.

Sie entspricht den politischen Zielen und Bedürfnisse des "linken" Flügels der Arbeiterbürokratie und eines Teils der Mittelschichten. Nachdem einem Teil der Gewerkschaftsapparate die "alte SP" verloren ging, Teile der Sozialdemokratie mit den offen neoliberalen Angriffen ihrer Parteien unzufrieden sind, bemühen sich diese Strömungen und Formationen wie RC, KPF, Linkspartei (PDS/WASG) erneut darum, nach links gehende ArbeiterInnen mit alten sozialdemokratischen Rezepten zu integrieren. Dabei geht es ihnen nicht nur darum, die Ziele der Bewegung in das Korsett eines rein reformistischen Programms zu zwängen, sondern auch eine weitere Klassenmobilisierung zu hintertreiben.

Dieser Strategie können wir nur durch den Kampf für eine revolutionäre Alternative entgegentreten! Massenarbeitslosigkeit, Neoliberalismus, Krieg, EU-Formierung sind notwendige Erscheinungen des bestehenden kapitalistischen Systems, das in einer sich verschärfenden Krise steckt.

Die Umsetzung eines "vernünftigen" Reformprogramms, das Erringen eines "neuen" Klassenkompromisses wie in den 60er und 70er Jahren ist nicht nur reaktionär, weil er immer durch Befriedung und die noch intensivere Ausbeutung der Arbeiterklasse und der "Dritten Welt" erkauft wäre. Es ist auch utopisch, weil die Kapitalistenklassen in Deutschland und anderswo einen solchen Kompromiss in der Konkurrenz mit den USA nicht brauchen können. Sie werden vielmehr den Angriff auf die Lohnabhängigen verschärfen.

In einer solchen Periode sind Erfolge im Abwehrkampf durchaus möglich und wichtig, weil sie das Selbstvertrauen der ArbeiterInnen, von Jugendlichen, der Unterdrückten stärken. Solche Erfolge setzen aber in der Regel voraus, dass der Widerstand als Teil eines breiteren, gesellschaftlichen und politischen Abwehrkampfes verstanden wird, der/die über einzelne Betriebe oder Sektoren hinausgeht. Es geht darum, die Aktionen zu verallgemeinern, das Bewusstsein zu politisieren und in eine antikapitalistische Richtung voranzutreiben.

Zum anderen wird jeder Erfolg dazu führen, dass die herrschende Klasse ihre Ziele mit umso brutaleren, repressiveren Mitteln durchzusetzen versucht. Kurzum, der Klassenkampf verschärft sich. Die reformistischen Beruhigungspillen und Appelle an die herrschende Klasse, doch "vernünftige" Politik zu betreiben, ihre Appelle an die "guten" (produzierenden) Kapitale gegen die "Spekulanten" sind nicht nur analytisch falsch, sie schläfern auch das Bewusstsein und die Kampfkraft der Arbeiterklasse und aller Unterdrückten ein.

Es gibt eine Alternative!

Daher müssen wir den Kampf radikalisieren - zu einem Kampf für eine andere Gesellschaft, die nicht auf Ausbeutung und Profitmacherei beruht.

Eine solche Gesellschaft kann nicht in "Reformmodellen" ersonnen, sondern muss durch revolutionäre Methoden erkämpft werden - durch die sozialistische Revolution der Arbeiterklasse. Ein solche Revolution kann nicht auf ein Land beschränkt sein - sie muss von Beginn an international sein, d.h. die Weltrevolution zum Ziel haben.

Das Ziel eines solchen Umsturzes muss die bewusste Umgestaltung der Gesellschaft hin zur Aufhebung aller Klassen- und Unterdrückungsverhältnisse sein. Das ist nur durch eine Gesellschaftsordnung möglich, in der die Arbeiterklasse durch Räte herrscht, die den bürokratischen Staatsapparat der Kapitalisten stürzen und ersetzen. Sie muss die Wirtschaft gemäß einem demokratisch entwickelten Plan der ProduzentInnen und KonsumentInnen umgestalten.

Das ist keine Utopie. Schon heute sind es die Lohnabhängigen, die die Wirtschaft in Gang halten - allerdings im Interesse der Eigentümer und Aktienbesitzer. Warum soll die große Mehrheit der Menschen, warum sollen die Beschäftigten in den Betrieben und Büros, an den Schulen und Unis nicht besser in der Lage sein, die Wirtschaft zu lenken, wenn sie in ihrem eigenen Interesse und in dem aller Menschen arbeiten?

Naiv, utopisch und zynisch ist vielmehr die Annahme, dass im Rahmen von Kapitalismus und Imperialismus Hunger, Armut, Krieg, Unterdrückung, Vertreibung, Massenmord bis hin zum Pogrom "überwunden" werden könnten. Durch keine Reform - schon gar nicht mit Blairs "Schuldenerlass" oder der Tobin-Steuer - kann die Marktwirtschaft mit einer bewussten Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens in Einklang gebracht werden.

Eine solche Gesellschaft ist nur als kommunistische, als klassenlose möglich. Wer eine solche andere, vernünftig eingerichtete Gesellschaft will, muss aber auch die Mittel wollen, sie zu erreichen. D.h. eine Organisation, eine politische Partei, die in der Lage ist, den Kampf auf diesem Weg zu führen - eine Partei, die den Kampf gegen den aktuellen Generalangriff mit dem Kampf um die politische Machtergreifung, um die soziale Revolution verbindet; eine Partei, die von Beginn an internationalistisch ist und sich zum Ziel setzt, eine neue Arbeiterinternationale aufzubauen.

Eine solche Partei kann nicht einfach proklamiert werden. Heute tritt die Linkspartei als "Vertreterin" der sozialen Bewegungen an. Die Frage ist jedoch, wie wir als AktivistInnen des Sozialforums erreichen können, dass eine solche Partei wirklich unsere Interessen vertritt und unsere Kämpfe gegen Sozialraub, Rassismus und Krieg vorantreibt?

Das ist nur möglich, indem wir eigene Forderungen diskutieren, indem eine Öffnung der Linkspartei für die sozialen Bewegungen und alle Linken erkämpft wird. Nur als Partei der Aktion im Betrieb und auf der Straße, die demokratisch von unten kontrolliert wird, wird eine neue Arbeiterpartei entstehen können.

So kann das Sozialforum zu einem Schritt vorwärts für den Widerstand gegen den Kapitalismus und zu einer Alternative zum althergebrachten Reformismus werden.

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