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Studentenproteste:

Gemeinsam gegen Gebühren und Selektion

Bericht von der "Süd-Kundgebung" in Mannheim am 3.02.2005
Infomail 200, 11. Februar 2005

Mobilisiert durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, gingen am 3.2 bundesweit mehr als 20.000 StudentInnen auf die Straße. In Berlin, Hamburg, Essen, Leipzig und Mannheim versammelten sie sich, um gegen die Einführung von allgemeinen Studiengebühren zu demonstrieren. Besonders Studierende aus Mannheim, Karlsruhe und Frankfurt waren versammelt, auch "Abgesandte" aus Bayern waren angereist.

Mit ca. 5.000 TeilnehmerInnen zog die Demo vom Hauptbahnhof an der Uni vorbei zum Marktplatz in der Innenstadt, der erst während der Demo freigegeben wurde - aufgrund der Masse gab es keinen adäquaten "Ersatz" für die Polizei. Organisiert wurde die Demo vom Asta in Mannheim, welcher auch musikalisch für Stimmung sorgte. Vom LKW herunter gab es dann am Anfang und am Ende Redebeiträge und Musik, leider wirkte es manchmal zu sehr nach "Party/Demo".

Auch verschiedene politische Gruppen traten auf. Gleich am Bahnhof  entdeckten wir eine Gruppe der FAU, natürlich war die Wahlalternative vertreten, einige Attac-Fähnchen flatterten im Wind, die GEW war mit einer Fahne gesichtet worden und auch zwei MLPDler waren unterwegs. Außerdem waren auch grüne/juso Hochschulgruppen anwesend. In Baden Württemberg können diese Parteien zumindest noch die Illusion der sozialen Alternative darstellen, schließlich regiert allein der aktuelle CDU-Ministerpräsident Teufel schon seit 14 Jahren.

Die meisten Plakate und Schilder waren daher auch direkt an den Wissenschaftsminister Frankenberg (CDU) gerichtet. Als Höhepunkt wurde ein 2 Meter großer Hintern gebastelt, in den dann falsche 500€ Scheine gestopft wurden. Der Protest fokussierte sich auf die Länderebene - manche Plakate zeigten "Humboldt vs. Frankenberg". In Baden-Württemberg gibt es an einigen Hochschulen schon Langzeitgebühren (vergleichbar mit Hessen), viele StudentInnen forderten ihr Recht auf freie Bildung ein und sahen daher die CDU als Hauptgegnerin an.

Viele StudentInnen glauben, im "Rechtsstaat" ein Recht auf freie Bildung zu besitzen. Diese bürgerliche Illusion ging Hand in Hand mit den Angriffen auf die CDU. Auch recht "wirre" Bewusstseinszustände traten zu Tage: auf einer Deutschlandfahne waren die Köpfe von Marx, Brandt, Humboldt, Kant u.a. zusammen zu sehen. Wenn Marx schon für bürgerliche Illusionen Pate stehen muss, zeigt dies ein sehr isoliertes politisches Bewusstsein. Während wir eine Flugschrift mit der Losung "Widerstand heißt Klassenkampf" verteilten, waren auch die streikenden ArbeiterInnen von der Brauerei Eichbaum vor Ort, um die gemeinsamen Gegner von StudentInnen & ArbeiterInnen zu benennen.

Leider durfte der Vertreter der Gewerkschaft NGG (Nahrung, Gaststätten, Genussmittel) erst später ans Rednerpult und musste dem bildungspolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Reus den Vortritt lassen. Dieser erging sich in banalen Schimpftiraden auf CDU/CSU, auch Vertreter der Wirtschaft (namentlich der ehemalige Vorsitzende des BDI Henkel) bekamen ihr populistisches Fett weg. Diese hätten alle vom staatlichen Bildungssystem profitiert und daher kein Recht, heute Gebühren zu fordern. Reus überging gekonnt die Verantwortung seiner SPD: kein Wort zur Neuregelung in Nordrhein-Westfalen, keine Bemerkung zu den namhaften Unterstützern von Studiengebühren innerhalb der Regierung.

In den Redebeiträgen der gewählten StudentInnenvertreter fand sich dann auch viel bürgerlicher Idealismus. Vom Grundrecht auf Bildung angefangen bis zu verklausulierten attac-Forderungen a la "Bildung ist keine Ware". Sie appellieren an einen Rechtsstaat ohne dessen Bedingungen, dessen kapitalistische Ordnung zu verstehen. Ihr Recht auf Bildung wird isoliert formuliert - bei den studentischen VertreterInnen gab es keinen sozialen Zusammenhang, nur das Wörtchen "neoliberal" tauchte hier und da auf.

Es ist so traurig wie bezeichnend, dass ein Student von Rebell (MLPD-Jugend) den einzig brauchbaren Redebeitrag lieferte. Er verwies auf die Rolle der SPD, stellte gesellschaftliche Bezüge dar - Stichwort Agenda 2010 und Hartz IV.  Sein Beitrag war nicht "milieubezogen", sondern bezog die StudentInnen in die politischen & sozialen Kämpfe ein. Am Ende schloss er mit Brecht: "Wenn die Wahrheit kein Gehör findet, dann muss die Wahrheit angreifen" - ein Satz, der die aktuelle Situation sehr gut widerspiegelt.

Auf das "attac-Geschwafel" eines pensionierten ver.di-Funktionärs braucht man nicht weiter einzugehen ("böser Neoliberalismus", wie schön es früher war und wir brauchen einen "gerechten Staat"). Allerdings rief er die StudentInnen auf, am 19.3. in Brüssel zu demonstrieren.

Auch der Vertreter der IG Metall erzählte von einigen reformistischen Hoffnungen in den Staat, bevor er doch sehr massiv den Eichbaum-Konflikt thematisierte und die Solidarität der Studenten, sowie gemeinsames Handeln von Streikenden & Studierenden einforderte. Im Eichbaum-Streik hat der Unternehmer inzwischen Fremdarbeiter in der Firma und Sicherheitsdienste auf dem Gelände, um die Streikenden weiter auszusperren; dabei hat die Brauerei noch nicht mal Verluste.

Leider machte auch die Polizei auf sich aufmerksam. Am Rande der Schlusskundgebung am Marktplatz wurde ein Demonstrant festgehalten, da dieser sich angeblich gewalttätig Zugang zum Platz verschafft hatte, die Polizei warf ihm Widerstand gegen die Staatsgewalt vor. Dieser Demonstrant war quasi ein einem Bullen "hängen geblieben", der Versuch seine Klamotten neu zu justieren wurde als gewalttätig eingestuft - nur die sofortige Präsenz von Antifa und Nahestehenden verhinderte eine Verhaftung, er kam direkt wieder frei. Auch, als am Hauptbahnhof berittene Polizei patrouillierte, wurden die Beamten einigen Gesänge gerecht, welche die StudentInnen anstimmten: "Ihr seid nur ein Karnevalsverein" und "Ohne Bildung werd ich Polizist".

Positiv lässt sich mitnehmen, dass viele Studierende die eigene soziale Situation hinterfragen. Sie sehen, dass mit Gebühren viele nicht mehr zur Uni könnten, während die Kinder reicher Eltern die Gebühren achselzuckend hinnehmen. Wenn die StudentInnen aus "einfachen" Verhältnissen auf ihre sozial-ökonomische Situation hingewiesen werden,  kann dass viele von ihnen politisieren.

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