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Warum albanische Arbeiter und Jugendliche eine internationalistische Perspektive unterstützen sollen


Die nationale Befreiung kann nur ohne und gegen die NATO erkämpft werden!

Der Völkermord an den Albanern hat in den letzten Tagen einen unvorstellbaren Höhepunkt erreicht. Mindestens eine halbe Million – ein Viertel der Bevölkerung – wurde vertrieben, Tausende massakriert. Kein Albaner und keine Albanerin, die heute nicht mit ihrem Volk leidet. Es verwundert daher kaum, daß die große Mehrheit der albanischen Arbeiter und Jugendlichen heute die NATO-Angriffe gegen Serbien enthusiastisch begrüßen, ja in ihnen den einzigen Rettungsanker erblicken.

Westliche Großmächte: Keine Freunde des albanischen Volkes

Doch das ist ein tragischer Irrtum! Für die westlichen Großmächte ist das kleine albanische Volk nur ein Bauer auf dem Schachbrett der Weltherrschaft. Dies mußten sie in ihrer Geschichte immer wieder am eigenen Leib erfahren. 1878 ignorierten die Großmächte die Anliegen der "Liga von Prizren", die Geburtsstunde der bürgerlichen albanischen Unabhängigkeitsbewegung gegen das Osmanische Reich. 1912/13 wurden ihre Interessen auf der Londoner Konferenz erneut ausverkauft und ein kleines Albanien mit einem deutschen Fürsten an der Spitze errichtet.

Der Kosovo fiel dem chauvinistischen serbischen Königshaus zu. Ähnlich verfuhren die Großmächte nach dem Ersten Weltkrieg, wo die Neuordnung des Balkan zum Nachteil der Albaner ausfiel, und der Kosovo beim monarchistischen Jugoslawien blieb, das als Marionette des britischen und französischen Imperialismus diente. Auch in den letzten Jahren hat der Westen immer und immer wieder erklärt, daß er nicht gewillt ist, den Wunsch der albanischen Bevölkerung nach Unabhängigkeit anzuerkennen.

Deshalb sah das Rambouillet-Abkommen auch bloß einen Autonomiestatus für den Kosovo innerhalb Serbiens vor. Und deshalb sah dieses Abkommen auch die umgehende Entwaffnung der UCK-Kämpfer vor, damit den Albanern keine Möglichkeit verbliebe, eigenständig für die nationale Befreiung zu kämpfen.

Der Grund, warum die NATO jetzt Serbien bombardiert, liegt nicht in einer Solidarität mit dem Kampf des albanischen Volkes begründet. Vielmehr geht es den westliche Großmächten darum, einem nicht willfährigen Regime ihren Willen aufzuzwingen. Es geht darum, Milosevic zur Unterschrift des Rambouillet-Abkommen zu bringen. Wenn es dem Westen auch nur irgendwie um die Menschenrechte im Kosovo gehen würde, warum haben dann USA und EU diese beim Dayton-Abkommen nicht einmal angesprochen? Warum haben sie Rugova immer wieder ermahnt, still zu halten und einen Ausgleich mit Milosevic anzustreben? Warum haben sie bis heute nicht die UCK mit modernen Waffen ausgerüstet, damit sie sich und das Volk gegen die serbischen Panzer schützen kann? Selbst heute schießen sie lieber Cruise Missile und Bomben auf die serbische Armee als die UCK mit Anti-Panzer-Waffen u.ä. aus der Luft zu versorgen.

Der Grund? Die herrschenden Klassen in Washington, London, Bonn und Paris befürchten, daß dadurch der albanische Widerstand zu stark werden könnte. Der Hintergrund der zynischen Großmachtpolitik kam klar in einer Analyse der der US-Regierung nahestehenden Tageszeitung zum Ausdruck:

"Wenn der Kosovo die Unabhängigkeit mittels Gewalt gewinnen würde, dann – fürchtet die NATO – könnte die Bevölkerung einen Aufstand für einen gemeinsamen pan-albanischen Staat machen. Und wenn die Kämpfe weitergehen ohne Gewinner, dann hat der Konflikt – wie Clinton sagte &ndashkeine natürlichen Grenzen'. (...) Um es ganz offen zu sagen, die NATO will so viele Serben töten und so viel von ihrer Kriegsmaschinerie zerstören, um eine Niederlage der schwächeren Rebellenstreitkräfte zu verhindern, aber nicht so viele, daß die Rebellen in der Lage wären zu siegen." (International Herald Tribune, 24.3.1999)

Daher ist es tragisch und fatal, daß die UCK-Führung ihre ganze Hoffnungen nun auf die NATO setzt und sogar das Rambouillet-Abkommen unterzeichnet hat. Damit wird der nationale Befreiungs-kampf an die Großmächte ausverkauft und deren Interessen untergeordnet. Wenn die UCK und die Dorfmilizen entwaffnet werden, dann sind die Albaner völlig vom guten (oder weniger guten) Willen des Westens abhängig.

Mit den serbischen Arbeitern und Arbeiterinnen gegen Milosevic!

Viele Albaner denken: "Jetzt bekommen die Serben das, was sie schon längst verdient haben. Wenn wir schon nicht die Serben schlagen konnten, dann wenigstens die NATO." So subjektiv nachvollziehbar solche Gedanken angesichts des Völker-mordes im Kosovo erscheinen mögen, so grundfalsch sind sie. Erstens sind es nicht "die Serben", die die Albaner unterdrücken – es ist das serbische Milosevic-Regime. Zweitens werden auch die serbischen Arbeiter und Bauern vom Regime unterdrückt – siehe die Verfolgung der unabhängigen Gewerkschaften, Medien usw. Drittens stehen nicht alle Serben hinter dem offiziellen Chauvinismus und den anti-albanischen Pogromen im Kosovo (siehe die Erklärung der Gewerkschaft NEZAVISNOST in dieser Zeitung).

Der Ausweg besteht daher nicht in einem nationalistischen Haß gegen alle Serben. Vielmehr müssen Aktivisten des nationalen Befreiungskampfes an den bestehenden Widersprüchen zwischen den neureichen Kapitalisten und korrupten Bürokraten, deren Interessen das Regime in Belgrad vertritt, und jenen der breiten Masse der serbischen Bevölkerung ansetzen. Sich von der scheinbaren chauvinistischen Einheit von Regime und Volk blenden zu lassen, wäre völlig falsch.

Erstens beweist die Erklärung von NEZAVISNOST, daß diese Stimmung nicht einheitlich ist. Zweitens dürfen wir unsere Politik nicht von dem heute, in diesem Moment des Höhepunktes des Krieges existierenden Bewußtsein ableiten. Vielmehr müssen wir Strategie und Taktik von mittel- und längerfristigen Erwägungen ableiten. Und hier steht an erster Stelle die Tatsache, daß Milosevic sein Volk höchstens noch mit nationalistischen Phrasen ernähren kann. Doch ansonsten steht das Regime vor dem wirtschaftlichen und politischen Kollaps. Ja, die Tatsache, daß Milosevic einen so mörderischen Krieg im Kosovo vom Zaun brechen mußte, unterstreicht nur die innere Zerbrechlichkeit dieser Diktatur.

Deswegen müssen albanische Arbeiter und Jugendliche heute ihren serbischen Kollegen und Kolleginnen die Hand reichen. Deswegen müssen sie heute das NATO-Bombardement verurteilen, da es die breite serbische Bevölkerung trifft, während es die Verantwortlichen in Belgrad, also Milosevic und Co. relativ wenig berührt.

Die Albaner und Albanerinnen im Kosovo müssen die NATO-Angriffe auch unabhängig von den aktuellen Stimmungsschwankungen unter den serbischen Massen ablehnen, da sie nur zu einer Verstärkung der imperialistischen Dominanz über die Region, der kapitalistischen Durchdringung und der Fremdherrschaft über die Völker des Balkans – nicht zuletzt auch über die Albaner im Kosovo – führen muß.

Sozialistische Perspektive

Die jüngsten Ereignisse haben gezeigt, daß die Guerilla-Orientierung der UCK in die Sackgasse führt. Anstatt die breite Organisierung und Bewaffnung der Arbeiter, Bauern und Jugendlichen zu fördern, haben sie eine abgehobene Struktur einiger tausend Kämpfer geschaffen, an deren  Spitze regionale Kommandeure und ein Generalstab stehen, die von niemanden gewählt und von niemanden kontrolliert werden. Das Resultat ist, daß sich die Führung von den westlichen Großmächten erpressen und bestechen lassen hat und mit Aussicht auf gutbezahlte Posten in einer Autonomie-Regierung der Entwaffnung und Auflösung zugestimmt haben. Das Resultat ist weiter, daß die Möglichkeit im Frühjahr und Sommer 1998 auf einen breiten bewaffneten Volksaufstand verpaßt wurde und die serbische Armee jetzt einen Völkermord durchführen kann.

Die albanischen Arbeiter, Bauern und Jugendlichen müssen sich von der UCK-Führung und der Guerillastrategie abwenden. Jetzt gilt es eine völlig neue Orientierung einzuschlagen. Deren Prinzipien lauten:

Keine unkontrollierbare Macht für die Kommandanten! Für eine Arbeiter- und Bauernmiliz in den Stadtteilen und Dörfern! Wahl der Offiziere! Gegen jede Entwaffnung der Massen, sie es durch die serbische Armee oder Polizei oder durch NATO-Truppen!

Keine abgehobenen und unkontrollierbaren Führungen dürfen über das Schicksal der Albanerinnen und Albaner bestimmen, sondern nur diese selbst! Für Versammlungen und die Bildung von Komitees in den Lagern, den Flüchtlingsgruppen, den Milizen, aber auch – soweit dies derzeit möglich ist – in den Betrieben, Stadtteilen, Schulen und Dörfern, die sich regelmäßig treffen, die wichtigen Entscheidungen treffen und ihre Vertreter und Vertreterinnen jederzeit abwählen können! Solche Organe müssen zentralisiert werden und können die Basis für die Entwicklung räteähnlicher Kampforganisationen bilden.

Internationale Solidarität – aber nicht von den NATO-Generälen, sondern der internationalen Arbeitebewegung! Für Verbindungen der unabhängigen Gewerkschaften im Kosovo mit der serbischen NEZAVISNOST und anderen Gewerkschaften in den Nachbarländern und in Europa.

Ein wirklich freier Kosovo kann nur einer sein, in dem nicht eine kleine Minderheit albanischer und ausländischer Kapitalisten und deren politische Statthalter die Macht ausüben. Nur wenn das Volk – die Arbeiter und Bauern – die Wirtschaft kontrollieren und die politischen Entscheidungen fällen, kann der Wohlstand allen zu Gute kommen. Nur wenn ein solches Arbeiter- und Bauern-Kosovo Teil einer breiteren, sozialistischen Föderation der Balkanvölker ist, kann ein kleines Land wie der Kosovo die massiven Kriegsschäden reparieren, seine ökonomische Rückständigkeit und Abhängigkeit überwinden und dauerhaft in Frieden und Wohlstand leben.

Für eine solche konsequent internationalistische Perspektive stehen wir – die Gruppe Arbeitermacht – und dafür wollen wir mit allen, ob albanischer und  serbischer Herkunft – kämpfen! Nur wenn wir eine internationale Partei in der BRD, am Balkan und weltweit aufbauen, ist nationale Befreiung und soziale Revolution möglich. Schließt Euch uns an!