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Landtagswahlen

Viel Rosa, viel Braun

Infomail 182, 23. September 2004

Die Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen waren von den bundespolitischen Themen Agenda und Hartz IV bestimmt. Die Montagsdemos gegen die Sozialabbau-Politik von Rot/Grün haben für eine deutliche Polarisierung und Aktivierung der politischen Szenerie gesorgt. Insofern war es nicht verwunderlich, dass die „extremen“ Parteien am rechten und linken „Rand“ bei den Landtagswahlen zulegten.

In Brandenburg verloren die regierenden pro-Hartz-Parteien SPD und CDU jeweils deutlich: SPD 31,9% (minus 7,4%), CDU 19,4% (minus 7,1%). Gewinnerin war die PDS, die mit 28 % um 4,7% zulegte.

In Sachsen erlitt die CDU einen Erdrutsch-Verlust von 15,8 %, was sie ihre bisherige absolute Mehrheit kostete. Bemerkenswert ist das historisch einmalige Tief der sächsischen SPD, die sogar unter die 10%-Marke rutschte (9,8). Angesichts der Schwäche der SPD und des Desasters der CDU verwundert es deshalb umso mehr, wenn die PDS zwar mit 23,6% zweitstärkste Kraft wurde, aber lediglich 1,4 % hinzugewann.

So bemerkenswert wie bedenklich - allerdings nicht überraschend - schafften auch die rechtsextremen Parteien DVU und NPD jeweils den Sprung in den Landtag. Beide Parteien hatten sich geeinigt, dass jede nur in einem Land antritt, so dass sich die rechten Wählerstimmen praktisch auf jeweils eine Partei bündelten.

Während die DVU, schon seit 1999 im Landtag, in Brandenburg trotz einer wahren Flut von Plakaten nur um 0,8% zulegte, sind die 9,2% der NPD in Sachsen bei einer Zunahme von 7,8% alarmierend. Woraus resultiert aber das augenfällig sehr unterschiedliche Abschneiden?

Die DVU ist ein reiner konservativ-rassistischer, neo-nazistischer Wahl- und Propagandaverein und zudem im Grunde das „Privatprojekt“ des rechtsextremen Verlegers Frey. Über Organisations- oder gar Mobilisierungsstrukturen verfügt sie kaum, genauso wenig wie über einen wirklichen Kaderstamm. Für den „Kampf um die Strasse“ ist sie ziemlich ungeeignet.

Gefahr NPD

Ganz anders dagegen die NPD. Sie hat gerade in Sachsen über Jahre solide Strukturen aufgebaut und Kader entwickelt, die in der Lage sind, „etwas zu bewegen“. Seit Jahren pflegt und sie enge Kontakte zur rechten Skinhead- und Naziszene. Sie hatte politisch wie logistisch die Finger im Spiel, wenn es Nazi-Aktionen gegen Linke, AusländerInnen usw. gab.

In den letzten Jahren und Monaten engagierte sie sich immer stärker im kommunalen Bereich und nutzte dort ihre inzwischen zahlreichen Abgeordneten. Wenn Kommentare davon sprechen, dass die NPD in der „Mitte der Gesellschaft angekommen ist“, so ist das in dem Sinne durchaus richtig, dass sie inzwischen leider von vielen als „normale“ Partei angesehen wird, die nicht nur aus Nazischlägern und Skins besteht, sondern auch den Arzt oder Handwerksmeister „von nebenan“ zum Mitglied hat.

Für MarxistInnen ist es alles andere als verwunderlich, dass der "anständige Mittelstand" in Krisenperioden und angesichts einer offenkundigen politischen Perspektivlosigkeit der reformistischen Arbeiterbewegung zu einem Rekrutierungsreservoir für Nazis werden kann.

Die organisatorische Basis der NPD, aber auch ihr aktives Hineindrängen in die Montags-Proteste gegen Hartz IV (soweit ihr das ermöglicht wurde) machten sie zusammen mit ihrer sozialen Demagogie für viele sozial Frustrierte attraktiv. Umfragen belegen deutlich, dass die Ablehnung von Hartz IV und Agenda, aber auch des demokratisch-parlamentarischen Systems wesentliche Motive waren, NPD zu wählen - vor allem unter männlichen Jugendlichen und Erstwählern sowie bei Arbeitslosen, wo sie bis zu 20% erreichte.

Die aktionsorientierte und stärker auf „antikapitalistische“ Demagogie setzende Kaderpartei NPD hat nicht zufällig deutlich besser abgeschnitten als die „Wahlmaschine“ DVU.

Beide Parteien weisen verschiedene Elemente einer faschistischen Partei (Ideologie, Tradition, Orientierung auf Terror usw.) auf, sind jedoch zugleich bemüht, sich demokratischen Spielregeln anpassen bzw. diese ausnutzen.

Der neuerliche Aufschwung der NPD ist deshalb so gefährlich, weil er ein Schritt ist, der NPD eine organisierte Massenbasis zu verschaffen.

Die NPD ist aktuell ein entscheidender Faktor bei der Herausbildung einer stärkeren, bundesweit vereinheitlichten faschistischen Massenpartei und Bewegung. Diese könnte dann in einer Situation der vertieften Krise und verschärften Klassenkampfes erneut zur letzten Option der deutschen Bourgeoisie werden. Momentan setzt das deutsche Kapital allerdings auf eine andere Karte als den national-bornierten Anti-EU-Rassismus der NPD. Doch bei einem Scheitern ihres EU-Projektes kann sich das schnell ändern …

Es ist nur verlogen, wenn die bürgerlichen DemokratInnen von SPD bis FDP einerseits für eine Politik des Sozialabbaus und der Verelendung eintreten und andererseits vor den rechtsextremen Folgen ihrer eigenen Politik warnen.

Schon am Wahltag jedoch zeigte sich, wie man die Nazis bekämpft: mit Gegenmobilisierungen, um ihre medialen und sonstigen Auftritte zu verhindern. Die DemonstrantInnen vor dem sächsischen Landtag waren insofern deutlich demokratischer und antifaschistischer als die JournalistInnen der „demokratischen“ Medien, die wie Fliegen die posierenden Rechten umschwirrten und sich nicht entblöden, Rassisten wie dem NPD-Kader Apfel noch ein öffentliches TV-Podium zu bieten.

Die PDS

Warum gelang es der PDS nicht - v.a. in Sachsen -, noch deutlicher von der Anti-Hartz-Stimmung und den Mobilisierungen zu profitieren? Warum gewann sie insgesamt weniger hinzu als die Rechten?

Hier können nicht alle Gründe benannt werden, doch einige Fakten liegen klar auf der Hand. Gerade in einem Moment, wo viele ihre Illusionen in den Schwindel der bürgerlichen Demokratie verlieren, beschwört die PDS umso mehr den Parlamentarismus. Gerade in einem Moment, wenn die Massen gegen den Sozialraub auf die Strasse gegen, ist die PDS zögerlich. Teils rief sie nicht selbst auf, teils zu spät - und das als Partei, die als einzige im Osten eine Massenpartei ist und eine entsprechende Struktur hat. Trotz der Beteiligung ihrer Basis an den Montagsdemos lässt sie gerade das vermissen, was sie als "sozialistische" Partei tun müsste: klar zu sagen, wofür man kämpft und - vor allem - wie man das Ziel erreichen will.

Anders die PDS. Sie wirbt einerseits damit, dass Hartz IV weg muss. Zugleich meinen ihre PolitikerInnen in den Landesregierungen in Berlin oder Schwerin, dass „einige Elemente von Agenda und Hartz“ ja nicht so schlecht seien und betreiben zudem in der Praxis seit Jahren nichts anderes als Sozialabbaupolitik.

Wenn es stimmt, dass Agenda und Hartz nur allein durch Demos nicht verhindert werden können und dafür Massenstreiks notwendig sind, dann müsste die PDS die Spitzen der Gewerkschaften auffordern, solche Streiks vorzubereiten und durchzuführen und darüber hinaus als PDS selbst dafür wirken. Tut sie das? Nein! Kein Wunder, dass mangels entschlossener und „radikaler“ Antworten der PDS die rechten Rattenfänger das Potential der sozial Frustrierten teilweise für sich gewinnen.

Von den öffentlichen KommentatorInnen meist vergessen, aber trotzdem wichtig als Erklärung für den Erfolg der Rechten im Osten war der verlorene Streik für die 35-Stunden-Woche vor wenigen Monaten. Die ängstliche, ja offen streikbrecherische Politik der IG Metall-Führung damals war der Hauptgrund für die Pleite. Auch die Montagsdemos werden von den DGB-Spitzen nicht unterstützt - obwohl ihre eigene Basis dabei ist. Was Wunder, dass sich die WählerInnen nach solchen „Erfolgen“ von der reformistischen Arbeiterbewegung und ihren Organisationen (SPD, Gewerkschaften) abwenden oder in viel geringerem Maße zuwenden als angesichts der Krise der Sozialdemokratie möglich wäre (PDS). Gerade die Jugend und die Erwerbslosen beginnen in dieser Situation nach anderen, scheinbar „radikaleren“ Alternativen wie der NPD zu suchen.

Welche Regierung?

Was bedeutet der Wahlausgang nun für die Regierungsbildung in beiden Ländern? Die PDS wurde in beiden Bundesländern gewählt, weil sie vorgibt, gegen Hartz IV und den Sozialraub zu stehen. Diese Versprechen müssen jetzt auf die Probe gestellt werden.

Dazu ist es notwendig, Forderungen an die PDS zu stellen: Keine Zugeständnisse bei Hartz IV und den Agenda-Gesetzen! Schluss mit dieser Politik in Berlin und Schwerin! Statt dessen: Unterstützung der und Mobilisierung für die Montagsdemos!

Gegenüber der SPD muss nach den Wahlniederlagen ein Stopp ihres bisherigen Kurses gefordert werden!

Wir verbinden diese Aufforderung nicht mit der Illusion, dass die PDS oder gar die SPD eine „bessere“, d.h. gegen die Offensive des Kapitals oder gar gegen den Kapitalismus insgesamt gerichtete Politik machen. Wir fordern die PDS und auch die SPD lediglich deshalb dazu auf, weil es immer noch starke Illusionen von ArbeiterInnen und Arbeitslosen (v.a. in die PDS) gibt, die auf historischen und organisatorischen Verbindungen zur Arbeiterbewegung fußen.

Vor allem die PDS muss aufgefordert werden, auch und gerade nach der Wahl gegen die Agenda zu mobilisieren und ihre Möglichkeiten als Partei - ob in der Regierung oder in der Opposition - zu nutzen! Die gefährlichen und den praktischen Kampf lähmenden Illusionen in die PDS und tw. die SPD können aber am besten dadurch gebrochen werden, wenn diese Parteien selbst auf die Probe gestellt werden. Dadurch kann den reformistischen ArbeiterInnen am ehesten vor Augen geführt werden, dass diese Parteien keine Alternative, ja nicht einmal ein "kleineres Übel" darstellen, sondern dass wir vielmehr eine neue Arbeiterpartei des antikapitalistischen Klassenkampfes aufbauen müssen.

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