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Offener Brief der Gruppe Arbeitermacht

an die "Wahlalternative für Arbeit und soziale Gerechtigkeit"

Infomail 172, 18. Juni 2004

Die Gruppe ARBEITERMACHT begrüßt und unterstützt den Aufbau einer politischen Alternative zur SPD.

Hunderttausende haben sich in den letzten Monaten von der SPD abgewandt und sind gegen Schröders Agenda auf die Strasse gegangen. Noch nie in ihrer Geschichte war die SPD in einer so tiefen Krise. Ihre Rolle als Regierungspartei hat Millionen vor Augen geführt, dass sie nichts anderes ist als eine besondere Interessenvertretung des deutschen Kapitals.

Die schärfere Weltmarktkonkurrenz und die tiefe Verwertungskrise des Kapitalismus, die Ambitionen des deutschen Kapitals, mittels der EU den USA die globale Führungsrolle streitig zu machen, haben die SPD gezwungen, ihre Maske der "Sozialpartnerschaft" und der Partei der "kleinen Leute" fallen zu lassen.

Hinter Schröders Dilemma steckt allerdings mehr: das Scheitern des Reformismus, das Scheitern einer Politik, die sich immer nur innerhalb des bestehenden politischen und ökonomischen Systems zu bewegen trachtete. Es ist daher kein Wunder, dass parallel zur SPD auch die PDS immer mehr nach rechts gerückt ist.

Der Reformismus hat - historisch und global - den Kapitalismus weder verbessert, geschweige denn überwunden. Er zeigte sich sogar unfähig, bestehende Errungenschaften zu verteidigen. Das ist die logische Folge der Anerkennung der Strukturen und Spielregeln des Kapitalismus und der jahrzehntelangen Unterordnung der Arbeiterbewegung und ihrer Kämpfe unter das kapitalistische System.

Hunderttausende suchen nach einer Alternative zur SPD. Sie brauchen eine Alternative zum Reformismus insgesamt!

Die Massendemos gegen die Agenda, die Initiativen, Bündnisse und Komitees gegen den Frontalangriff waren ein wichtiger Schritt vorwärts. Aber sie konnten den Angriff nicht stoppen, ja nicht einmal entscheidend bremsen. Warum? Einerseits, weil die Führungen der Gewerkschaften es bewusst verhindert haben, die Proteste auszuweiten - zu Massenstreiks und zum Generalstreik. Die Massenbeteiligung an den Demos vom 1. November 2003 oder vom 3. April 2004 trotz der Ignoranz bzw. des teilweisen Boykotts seitens der Gewerkschaftsspitze (!) haben aber gezeigt, dass die Basis kampfbereit ist. Noch deutlicher drücken das die zahllosen Forderungen nach Streiks oder dem Generalstreik sowie betriebliche Aktionen aus.

Angesichts des Versagens der Gewerkschaftsbürokratie offenbarte sich andererseits aber auch das Fehlen einer entschlossenen und organisierten Alternative dazu. Trotz einiger Ansätze gelang es bisher nicht, die verschiedenen Initiativen gegen die Agenda zu einer handlungsfähigen und über ein klares Kampfziel verfügende Struktur zu formieren.

Die Agenda ist nicht der letzte, sondern nur der erste Frontalangriff! Insofern muss die Wahlalternative v.a. daran gemessen werden, inwieweit sie dazu taugt, eine Führung der Klasse im Kampf zu sein!

Die Wahlalternative - Alternative wozu?

Vor diesem Hintergrund entstanden die Projekte "Wahlalternative" und "Initiative Arbeit und soziale Gerechtigkeit".

So richtig und wichtig der Bruch mit der SPD (und der PDS) ist, um eine neue Alternative für die Arbeiterklasse aufzubauen, so sehr ist es unserer Meinung nach auch notwendig, in der Wahlalternative Klarheit über die Ursachen des Scheiterns der Reformpolitik von SPD und PDS zu schaffen. Ansonsten droht die Gefahr, dass deren Fehler einfach reproduziert werden.

Die Gründungserklärungen der Wahlalternative geben hier - leider - nur allzu oft Anlass zu dieser Befürchtung.

An keiner Stelle ihrer Erklärungen wird klar, wie man den Generalangriff des Kapitals stoppen will. Jeder Ansatz von Konzept für den Kampf, für die Mobilisierung fehlt! Das ist kein Zufall, folgt man der Logik der Argumentation in den Dokumente. Die Alternative will ein "politischer" Arm der Bewegung gegen Neoliberalismus, Sozialabbau usw. sein. Die zu schaffende Partei soll vor allem auf den Wahlerfolg und das Parlament fixiert sein. Außerparlamentarischer Widerstand sei zwar nötig, soll aber wesentlich dazu dienen, politisch Druck zu erzeugen.

Wie die Massen selbst über Organisation, Aktion und Politik dieser Partei entscheiden können, ist keinen Gedanken wert. Die Arbeiterklasse und alle anderen unterdrückten und kämpfenden Schichten sollen letztlich Manövriermasse einer unkontrollierten Spitze bleiben, damit "die oben" Politik machen können. Das ist genau das, was SPD und PDS seit jeher gemacht haben - Stellvertreterpolitik! Eine Politik, die Bewusstsein und Kampfkraft der Klasse permanent untergräbt!

In den Dokumenten der Wahlalternative wird zwar viel über Alternativen gesprochen, doch über die Alternative Kapitalismus oder Revolution soll gefälligst geschwiegen werden - obwohl in den Texten selbst das kapitalistische Wirtschaftssystem als Hauptursache der Probleme angesehen wird!

Hinter der Ablehnung einer Debatte über "Reform oder Revolution" verbirgt sich die Ablehnung jeder ernsthaften Diskussion darüber, welche Ziele und Methoden, welche Organisationsform, welches Programm im täglichen Kampf Erfolg versprechen.

Dahinter steckt die Weigerung, über die Politik der Gewerkschaftsführung und ihre tiefe Verquickung mit der SPD zu reden.

Dahinter steht auch eine falsche Einschätzung der aktuellen Lage. Die Angriffe des Kapitals zielen - nicht nur in Deutschland oder Europa - auf eine grundlegende Verschiebung des Kräfteverhältnisses zwischen den Klassen, auf eine Vernichtung der wichtigsten Errungenschaften der Arbeiterbewegung und Unterdrückten und eine dramatische Schwächung, wenn nicht Zerschlagung ihre Organisationen - mögen sie auch noch so ungenügend sein.

D.h. die herrschende Klasse wirft die Frage der politischen Macht auf ihre Art auf. Ihr kann letztlich nur durch Kampfmethoden begegnet werden, welche die Frage der Macht, die Frage, welche Klasse herrscht - und damit auch die Frage von Reform und Revolution - aufwerfen. Über diese strategischen Fragen muss in jeder Bewegung, die eine politische Alternative für die Masse der ArbeiterInnen, der Jugend, der Unterdrückten aufbauen will, offen debattiert werden.

Wie weiter?

Wenn die Wahlalternative mehr bringen soll als ein paar Parlamentssitze und Parteiposten, wenn sie eine wirkliche politische Alternative zu SPD und PDS werden soll, muss sie mehr sein als eine Neuauflage alter Konzepte des Reformismus und eine Wiederholung alter Fehler linker "Parteiprojekte". Deshalb:

Weg mit allen Denkverboten! Breite und offene Diskussion aller Organisationen und AktivistInnen, die am Aufbau einer neuen Partei aktiv beteiligt sind! Klärung und demokratische Abstimmung über die wesentlichen politischen Fragen: Reform oder Revolution, Kampfziele und Methoden, Widerstand gegen die aktuelle Agenda und die nächste.

Die Diskussion muss in die Belegschaften und die Gewerkschaften getragen werden! Die Gewerkschaftsführung muss aufgefordert werden, diese Debatte zu organisieren und den Aufbau einer neuen Arbeiterpartei zu unterstützen!

Kampf gegen die formell unausgewiesene Vorherrschaft der SPD im DGB! Weg mit Fraktionsverboten und der Diskriminierung von AktivistInnen und Linken!

Gegen die Politik des deutschen Imperialismus! Unterstützung von Mobilisierungen gegen militärische Auslandseinsätze jeder Art! Gegen die Festung Europa!

Durchführung von Aktionskonferenzen in Betrieben, Gewerkschaften, Wohngebieten zur Festlegung der nächsten Schritte im Kampf gegen die Angriffe und zum Aufbau einer neuen Arbeiterpartei!

Die Wahlalternative muss zu einer Partei werden, die eine aktive Führungsrolle spielt: im Kampf gegen die Agenda, für den Aufbau einer betrieblich/gewerkschaftlichen Basisopposition gegen die mit der SPD verquickte Gewerkschaftsbürokratie, für antiimperialistische Mobilisierungen!

Die Arbeiterklasse braucht nicht irgendeine "Linkspartei". Sie braucht eine Partei, die sich auf ihre Kampforgane (Streikkomitees, Vertrauensleute usw.) stützt und von der Basis direkt kontrolliert wird. Nötig ist eine Arbeiterpartei, die sich bewusst und direkt auf die Arbeiterklasse stützt.

Sie braucht eine Partei, die von Beginn international ausgerichtet ist und aktiv in Bewegungen wie die Sozialforumsbewegung, die Antikriegsbewegung usw. eingreift und versucht, sie zu wirklichen Koordinierungen des Kampfes gegen Kapitalismus und Imperialismus zu machen.

Die ARBEITERMACHT hat nicht nur "gute Ratschläge" parat. Ihre Mitglieder sind dort aktiv, wo es Protest und Widerstand gegen den alltäglichen Kapitalismus gibt. Unsere Praxis fußt dabei auf einer systematischen Programmatik, die den alltäglichen Kampf mit dem Ziel und der Vorbereitung der Revolution verbindet. Dieses "Übergangsprogramm" schlagen wir auch als politische Grundlage einer neuen Arbeiterpartei vor.

Wir sagen ganz offen: Wir brauchen nicht irgendeine Partei - wir brauchen eine Arbeiterpartei, die für die sozialistische Revolution kämpft!

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