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Spanien

Reaktionärer Bombenanschlag stärkt die Rechte

Stellungnahme der Liga für die Fünfte Internationale, 12. März 2004
Infomail 158, 14. März 2004

Mindestens 198 Menschen wurden am 11. März durch mehrere Bombenanschläge auf Madrider Pendlerzüge während der Hauptverkehrszeit getötet.

Die Liga für die Fünfte Internationale verurteilt diesen brutalen und rücksichtslosen Akt gegen ArbeiterInnen auf dem Weg zum Betrieb und auf Kinder auf dem Weg zur Schule.

Der Anschlag traf Menschen, die keine wie immer geartete Verbindung zur unterdrückerischen Politik des Spanischen Staates haben. Welche auch immer die Motive der Attentäter sein mögen - ob sie nun in Bezug zur spanischen Beteiligung am Krieg gegen den Irak oder zur Unterdrückung des Selbstbestimmungsrechts des baskischen Volkes stehen mögen oder nicht – die Terroranschläge stärken nur die Verfechter dieser reaktionären Politik.

Solche Angriffe treiben die spanischen ArbeiterInnen in die Arme von Jose-Marie Aznar und anderer reaktionärer PolitikerInnen - jene Millionen ArbeiterInnen, die gegen den letzten Krieg von Bush demonstrierten und die potentielle Verbündete für die Befreiung der Basken und für den Kampf gegen die Besetzung des Irak sind.

Der 11. März soll zu Spaniens 11. September werden. Aznar versucht bereits, Kapital daraus zu schlagen - wie George W. Bush nach dem 11. September. Unmittelbar nach den Anschlägen beschuldigte Aznar die baskisch-nationalistische Organisation ETA, die schon früher Bombenanschläge in Spanien durchgeführt hatte.

Aznars rechte Regierung hat seit ihrem Amtsantritt eine massive Kampagne gegen alle geführt, die für das Selbstbestimmungsrecht der Basken kämpfen. Mehr als 700 baskische Nationalisten vegetieren zur Zeit in spanischen Knästen, viele von ihnen hunderte Kilometer von ihrem Zuhause und ihren Familien entfernt. Viele sind systematischer Misshandlung und Folter unterworfen. Aznar und die Europäische Union haben außerdem die baskische Partei Batasuna, die mit der ETA verbündet ist, trotz ihrer Massenunterstützung bei den Wahlen für illegal erklärt. Hinzu kommt, dass eine ganze Reihe sozialer Organisationen, die für die Selbstbestimmung eintreten, unter den "Anti-Terror-Gesetzen" verboten wurden.

Der Anführer von Batasuna, Arnoldo Otegi, bestritt öffentlich, dass die Attacken von baskischen Separatisten verübt wurden - eine bislang beispielloser Schritt. Die ETA selbst beschuldige "muslimische Fundamentalisten" dieses Angriffs.

Trotz dieser öffentlichen Verlautbarungen trat das spanische Kabinett kurz nach den Bombenanschlägen zusammen und ließ über den Innenminister Angel Acebes verlauten: "Die ETA wollte ein Massaker in Spanien. Unglücklicherweise hat sie heute ihr Ziel erreicht."

Nur wenige Stunden nach dem Anschlag erzwang Spanien eine Resolution des UN-Sicherheitsrates, die die Attacken verurteilt, die "von der terroristischen Vereinigung ETA verübt wurden" - obwohl damals und bis heute kein einziger Beweis für diese Behauptung vorliegt!

Die spanische Regierung wollte die ETA unter öffentlichen Beschuss stellen und ihr die Schuld für die Angriffe in die Schuhe schieben, um so das baskische Volk insgesamt zu treffen und außerdem bei den Parlamentswahlen noch einige Stimmen mehr einzufahren - ein berechnender, zynischer Schachzug, der überhaupt nichts damit zu tun hat, den Opfern, ihren Freunden und Familien, Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.

Aznar, einer von Bushs und Blairs Hauptverbündeten im "Krieg gegen den Terror" hat seit seinem Amtsantritt die Verfolgung der Basken dramatisch verschärft. Eine große Minderheit der baskischen Bevölkerung will schon lange die Unabhängigkeit ihres Landes. Sehr viel mehr wollen weiter gehende Autonomierechte. Keinem von ihnen wurde das Recht auf Selbstbestimmung jemals zugestanden. Daher ist das ganze baskische Volk durch den Spanischen Staat politisch unterdrückt, der ihm grundlegende demokratische Rechte in derselben Weise vorenthält, wie den KurdInnen das Selbstbestimmungsrecht in der Türkei, Syrien oder dem Irak verwehrt wird.

Selbst ein Bericht der Vereinten Nationen, der am 11. März veröffentlicht wurde, hält fest, dass die Folter von ETA-Mitgliedern in spanischen Polizeistationen üblich ist. Amnesty International hat viele Fälle von Menschenrechtsverletzungen durch die Polizei dokumentiert und hat sich für verschärfte Kontrollen durch "Anti-Terror-Einheiten " ausgesprochen. Diese Misshandlungen werden jetzt sicher massiv zunehmen.

Seit der Zerstörung Twin Towers in New York werden alle individual-terrorischen Angriffe von Gruppen, die nach Selbstbestimmung streben, im Lichte des "permanenten Krieges gegen den Terror" betrachtet und ideologisch ausgeschlachtet. Daraus bezieht der Spanische Staat - selbst der systematischen Folter, des Mordes, der Unterdrückung elementarer demokratischer Rechte schuldig - die "Legitimation" für seinen Krieg gegen bürgerliche Freiheiten.

Wer auch immer die reaktionären Bombenanschläge am 11. März in Madrid durchgeführt hat, hat seinen tiefen Hass auf die Lohnabhängigen gezeigt. Er betrachtet die Arbeiterklasse in Spanien als Teil der Unterdrückungssystems, nicht als Kraft der Befreiung. Das würde zweifellos zum Aktionsmuster von Al Q'aida passen, die sich keinen Deut um Opfer unter den Unterdrückten weder im "Westen" noch in der arabischen Ländern schert. Sollte sich doch herausstellen, dass eine baskische Organisation für die Anschläge verantwortlich war, würde das zweifellos eine dramatische politische Degeneration darstellen.

Aber in jedem Fall sind die wirklichen Verursacher solch reaktionärer Aktionen die Imperialisten selbst, die seit Jahrzehnten das palästinensische oder das baskische Volk brutal unterdrücken.

Die Anschläge könnten im übrigen genauso gut von zynischen faschistischen Kommandozellen ausgegangen sein, die noch heute in Spanien ihr Unwesen treiben und mit Sektoren der imperialistischen Staatsmaschinerie verbunden sind. Natürlich ist das spekulativ - aber nicht weniger spekulativ als die vom Spanischen Staat benannten "Verdächtigen". Wer auch immer aus welchem Grund die Anschläge verübt hat, hat dem Kampf für den Abzug der imperialistischen Truppen aus dem Nahen Osten und für das baskische Selbstbestimmungsrecht geschadet. Objektiv dient er den Interessen Aznars, Bushs und Blairs.

Dennoch - oder gerade deswegen - müssen die Arbeiterklasse und die anti-kapitalistische Bewegung, die Gewerkschaften und die Sozialforen in Spanien und weltweit jedem Versuch der Herrschenden entgegentreten, diese Tragödie von Madrid zur Verschärfung anti-demokratischer und repressiver Maßnahmen zu missbrauchen. Schon werden neue, noch drakonischere Anti-Terrormaßnahmen vorgeschlagen. Die Basken, muslimische ImmigrantInnen und jede Art von Widerstand gegen die Politik von Regierung und Kapital werden zum Ziel medialer Hetzkampagnen und geraten verschärft ins Visier von Polizei und Geheimdiensten. So erwägt man in Deutschland, die Bundeswehr künftig bei Bedarf auch im Inneren einzusetzen.

Die "Sicherheitskräfte" und "Verteidigungskräfte" verteidigen natürlich nicht die Masse der Bevölkerung. Im Gegenteil: der "Krieg gegen den Terrorismus" geht damit einher, ständig Angst und Unsicherheit bei der Bevölkerung zu verbreiten. Die Besatzungstruppen im Irak verteidigen weder Freiheit noch Demokratie für die Massen, sondern die Freiheit multi-nationaler Konzerne, die Ölreserven des Landes zu plündern, die lukrativen Verträge von US-Unternehmen wie Halliburton und Bechtel.

Ein paar Milliardäre profitieren, während Millionen im Irak, Palästina, den USA oder Spanien leiden. Der einzige "Krieg gegen den Terrorismus", den wir unterstützen, ist jener gegen die wirklich großen Terroristen - Bush und Sharon, Blair und Aznar, Schröder und Chirac. Sie haben tausende und abertausende unschuldige Zivilisten auf dem Gewissen, nicht nur hunderte. Nur wenn wir diese Kriegsverbrecher stürzen und den IrakerInnen, PalästinenserInnen, KurdInnen und BaskInnen helfen, sich zu befreien und über ihre eigene Zukunft zu bestimmen, können wir eine neue Welt, eine Welt frei von Unsicherheit, Ausbeutung und Unterdrückung schaffen.

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