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Bürgerschaftswahlen in Hamburg

SPD im Keller - Regenbogen/PDS im Regen

Infomail 157, 4. März 2004

Das Ergebnis der Hamburger Bürgerschaftswahlen vom 29.2. bescherte der CDU einen Traumsieg und der SPD eine deftige Niederlage. Nachdem wie erwartet die rechte Seifenblase des geschassten Senators Schill, die Partei Deutsche Mitte, zerplatzt ist und auch die FDP aus der Bürgerschaft rausflog, sitzen nun nur noch 3 Parteien im Hamburger Rathaus. Die CDU verfügt über 63 Sitze (47,2%) und sieht sich einer Opposition aus SPD und Grün- alternativer Liste gegenüber, die es zusammen nur auf 58 Mandate (30,5/12,3%) bringt - sie kann mit satter Mehrheit allein regieren. Nebenher stärkt die CDU damit ihren Delegiertenanteil für die Bundesversammlung, die den Bundespräsidenten wählt.

Die CDU verdankt ihren Triumph der bundesweiten Enttäuschung der Massen über die massenfeindliche Politik der SPD-geführten Regierung, die besonders die SPD-Wählerschaft trifft. Sie hat die Konsequenzen gezogen und ist ihrer Stammpartei scharenweise (- 6%) von der Fahne gegangen. Einzig bei ihrer Traditionsklientel, den Gewerkschaftsmitgliedern, konnte die Sozialdemokratie ihren Vorsprung vor der CDU bewahren.

Dabei wäre das bislang schlechteste Ergebnis für die Hamburger SPD nach dem 2.Weltkrieg noch unter die 30% gerutscht, hätten sie nicht durch Sozial-Initiativen für mehr Kindertagesstätten noch etwas punkten können. Die ganze Hilflosigkeit und bodenlose Borniertheit der SPD kommt in dem Kommentar ihres Spitzenkandidaten Mirow zum Wahlausgang zum Ausdruck: "Der Hauptgrund für die Niederlage ist in der Reformpolitik der SPD im Bund zu suchen. Diese ist jedoch notwendig.”

Die SPD pfeift zugunsten der Agenda des Kapitals auf die Gewinnung von Wählern und Mitgliedern. Für die Zeit nach der Schröder-Regierung bereitet sie sich auch bundespolitisch auf die Oppositionsrolle vor, wo sie dann den Spieß umzudrehen hofft und auf Schwächen des Konkurrenten warten will, statt sich mit einer eigenen Konzeption zu profilieren.

Das reformistisch-kleinbürgerliche Wahlbündnis Regenbogen-Liste schnitt mit einem halbierten Anteil von 10.000 Stimmen (umgerechnet 1,1%) noch jämmerlicher ab als vor vier Jahren, als zudem die PDS noch getrennt kandidierte. Mit einem verspäteten Vorlauf, der noch zu 2/3 aus Verfahrens- und fraktionellen Machtgebärden bestand, und einer Wahlkampfphase, in der mit naseweisen Sprüchen wie "Opposition machen wir mit links” das politische Interesse der Leute wieder geweckt werden sollte, und die außerdem einseitig auf bestimmte Stadtteile wie Altona beschränkt blieb, war der Katzenjammer vorhersagbar und verdient. Ausgerechnet in ihrem Zielrevier Altona konnte sich stattdessen die GAL um 7,6% auf 21,2% stärken.

Das schwache Abschneiden ihres bisherigen Koalitionspartners SPD wird die Diskussionen innerhalb der Grünen um andere Koalitionsoptionen neu anfachen. Das künstliche Gebilde der Regenbogen-Listenverbindung wird wie all die anderen konzeptionslosen und opportunistischen Anläufe linksbürgerlich-reformistisch-zentristischer Sammelsurien verdientermaßen im Strudel der Geschichte verschwinden. Es ist höchste Zeit, an die geschichtliche Aufgabe der Schaffung einer neuen, revolutionären Arbeiterpartei heranzugehen, die frei ist von arithmetischen Zwängen bürgerlicher Parlamentswahlen.

Die scheinbar zugunsten des offen bürgerlichen Lagers gedrehte Stimmung der Massen enthält allerdings einen Ansatzpunkt, der mit dem parteipolitischen Wahlergebnis nicht im mindesten übereinstimmt.

Neben der Bürgerschaftswahl wurde auch zu einer Volksbefragung über den Verkauf oder städtischen Krankenhäuser aufgerufen. Für eine Privatisierung hatte sich die CDU ausgesprochen, SPD und Regenbogen dagegen. Das Ergebnis von über 77% Stimmen gegen den Verkauf zeigt, dass sich die Wähler doch nicht schicksalsergeben in die angebliche Naturgesetzlichkeit der Reformen im Sinne des Kapitals fügen.

Diese Ansätze gilt es über den Rahmen von Willensbekundungen hinaus zu vernetzen, sie mit gewerkschaftlichen Aktivitäten, den streikenden Studenten und Immigranteninitiativen zusammenzuführen und ihnen einen unabhängigen organisatorischen Rahmen zu geben, der als Aktionsbündnis nicht auf die nächste Wahl warten muss, sondern den etablierten Politikapparat machtpolitisch schon jetzt herausfordert.

 

Wahltaktik in Hamburg

Infomail 157, 4. März 2004

In der aktuellen Situation prägte die Bundespolitik auch die Hamburger Bürgerschaftswahlen am 29. Februar 2004. Die Wahlbeteiligung war etwas niedriger als 2001. Hierin drückte sich aus, dass viele StammwählerInnen der SPD trotz der Unpopularität des alten Senats nicht zur Wahl gingen bzw. CDU oder GAL gewählt haben. Dies ist eindeutig auf die erdrutschartige Abkehr von der SPD aufgrund ihrer Angriffe auf bedeutende Nachkriegserrungenschaften der Arbeiterbewegung zurückzuführen. Die SPD befindet sich in einem für die Nachkriegszeit historischen Umfragetief.

Natürlich ist die Taktik der kritischen Wahlunterstützung ein Mittel gewesen, die SPD an der Regierung einem Test zu unterziehen, so dass ihre Basis leichter ihre Illusionen in diese reformistische Partei durch Erfahrung mit deren Verrat verlieren kann.

Aber Taktiken sind nicht abstrakt und zeitlos. In der gegenwärtigen Situation steht die rot-grüne Regierung an der Spitze eines strategischen Angriffs auf die Arbeiterklasse. Gleichzeitig sehen wir eine wachsende Abkehr gerade der Arbeitervorhut z. B. in der Gewerkschaftslinken, aber auch zahlreichen anderen AktivistInnen in verschiedenen Sozialforen, Bündnissen und Initiativen von der SPD. Diese Kräfte zeichneten verantwortlich für die große Mobilisierung nach Berlin zum 1. November.

Auf diese Vorhut muss jetzt die Wahltaktik zugeschnitten sein. Sie soll ihr helfen, ihre Kämpfe auszuweiten und effektive Durchsetzungsformen anzunehmen - politische Massenstreiks - sowie einen Schritt hin zu einer neuen Arbeitermassenpartei - national wie international - zu machen, in der die ARBEITERMACHT von Anfang an für ein revolutionäres Programm eintreten würde. Ein noch so prinzipienfester Wahlaufruf würde diese Bewegung jetzt also vor den Kopf stoßen und diesen Prozess behindern.

Kritische Wahlunterstützung für
Regenbogen-Offene Liste (R-OL)?

In Hamburg kandidierten auf einer gemeinsamen Wahlplattform u.a. Regenbogen, die Linksabspaltung der GAL (der Grünen), DKP, PDS und SAV. Regenbogen dominierte das Bündnis klar. Die Linksgrünen sind eine offen bürgerliche Organisation mit kleinbürgerlich-radikalen Besonderheiten wie die Bundesgrünen und ihre Vorläufer in deren Anfangszeit. Die linksreformistischen und zentristischen Teilnehmergruppen kritisieren wir scharf dafür, sich an einem klassenübergreifenden Block beteiligt zu haben. Koalitionen mit offen bürgerlichen Kräften verbieten sich für RevolutionärInnen prinzipiell!

Die Wahlplattform von R-OL erwähnt mit keinem Wort die Arbeiterklasse und deren Organisationen. Es gibt nicht die leiseste Kritik am Parlamentarismus und der bürgerlichen Demokratie. Die Abschaffung des Kapitalismus fällt unter den Tisch. Verstohlen erwähnt man im Schlusswort lediglich, dass es darüber Meinungsverschiedenheiten gibt.

Doppelmachtorgane wie Räte und Milizen, Arbeitertribunale, Zerschlagung der Staatsmaschinerie durch bewaffneten Aufstand, Umwandlung der Gewerkschaften in Klassenkampforgane und Abschaffung ihrer Bürokratie, politische Massenstreiks gegen die Agenda 2010 u. v. a. m. sind Stichworte, die wir hier vergeblich suchen.

Die Strategie besteht darin, das gegebene soziale randständige Milieu und seine Kampfmöglichkeiten als "Spielbein" für eine R-OL-Fraktion in der Bürgerschaft (das parlamentarische "Standbein") zu benutzen. Damit haben uns schon GRÜNE und sonstiges buntes Volk in die Sackgasse geführt. Die marginalisierten linken Gruppen ebenso wie die Gewerkschaftslinke, die einen Kandidaten stellte, und Initiativen wie Fixstern (Drogenpolitik) und Bambule (WagenburgbewohnerInnen) haben allein nicht die soziale Kraft, das Kapital herauszufordern, ja es auch nur etwas zu ärgern. Ihnen muss eine Strategie aufgezeigt werden, wie die Hegemonie in der organisierten Arbeiterbewegung errungen werden kann, damit ein wirkungsvolles Kampfpotential entwickelt wird Das will R-OL gar nicht erst. Das "Spielbein" soll ja nur gegen die herrschende Politik protestieren (Unterschriften, Demos, Happenings) und mit basisdemokratischen Volksentscheiden sanft in die richtige Richtung drücken. Seit 1977 nichts dazu gelernt!

R-OL ist kein Schritt in die richtige Richtung, sondern ein weiteres Hindernis! Sein Programm läutet nicht eine offene und ehrliche Strategiedebatte ein, sondern bietet einen "fertigen" prinzipienlosen Minimalkonsens, einen faulen Propagandablock als gesellschaftsveränderndes Programm, als Strategie für eine Umwälzung an, die nichts weiter als einen sattsam bekannten Aufguss alter kleinbürgerlich-"alternativer" und linksreformistischer Phrasen und frommer Wünsche darstellt.

Was wir brauchen als Schritt in Richtung auf eine neue Arbeiterpartei, sind KandidatInnen des Kampfes gegen die Agenda 2010, die sich auf Aktionsziele einigt und praktisch dafür eintritt, die sich auf die Arbeiterbewegung und effektive Kampfformen orientiert und nicht im eigenen Nischenmilieu vegetiert, sondern z. B. in Wilhelmsburg Stadtteilarbeit leistet und den Warnstreik im Hafen gegen das "Euro-Port-Package" unterstützt, für den 2. und 3. April mobilisiert etc.

Die SAV (und Linksruck), die linkesten Teile des Bündnisses, haben weder dies vorgeschlagen, noch eine rein technische Wahlabsprache mit den anderen Gruppierungen um die undemokratische Fünf-Prozent-Hürde zu überwinden, wo jede ihren Wahlkampf auf eigene Rechnung führt und genauso wie bei o. a. klassenkämpferischem Listenmodell offen ihre Bündnispartner kritisiert und für ihr eigenes Aktionsprogramm Propagandawahlkampf neben den gemeinsamen Aktionszielen macht. Auch eine Eigenkandidatur fasste sie nicht ins Auge, nachdem sie mit ihrem Wahlvorschlag in der Minderheit blieb. Ihre Unterstützung von R-OL ist nicht einmal kritisch - sie geht unterscheidungslos darin auf!

In Hamburg hätte Regenbogen überhaupt nicht - nicht einmal kritisch - unterstützt werden dürfen. Wir hätten entlang obiger Linien argumentiert. Das bedeutet, nicht aus den Augen zu verlieren, dass viele UnterstützerInnen der Liste dies aus fortschrittlichen Gründen tun, weil sie in ihr Kontrapunkte zur Politik des herrschenden Senats, zur SPD und GAL sehen und auch für die gleichen Ziele kämpfen wollen wie wir. Das würden wir natürlich deutlich hervorstreichen: solche Motive von Regenbogen-WählerInnen sind uns allemal mehr wert als die Wahlenthaltung von einstigen SPD-UnterstützerInnen, die passiv und resigniert zu Hause bleiben.

Unser Aufruf zur Wahlenthaltung stellt nicht diese in den Vordergrund, weil sie die beste Variante ist, sondern weil wir die Avantgarde aus der "buntschillernden" Regenbogensackgasse retten wollen, damit der progressive Bruch mit der SPD nicht in Resignation und Ratlosigkeit mündet und das offene Potential, das in der momentanen Politkonjunktur steckt, vergeudet wird!

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