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"Wir haben ihn!"

Kommentar zur Festnahme von Saddam Hussein

Infomail 147, 19. Dezember 2003

Es war ohne Zweifel der größte Moment des Triumphes für den Prokonsul der US-Besatzungstruppen, Paul Bremer, seit dieser die Amtsgeschäfte übernahm. Mit den Worten "Meine Damen und Herren, wir haben ihn!" teilte er einer ausgewählten Audienz von Journalisten und laut vernehmbaren Jubelirakern die Festnahme des früheren irakischen Staatschefs Saddam Hussein mit.

Man kann sich darauf gefasst machen, dass in den kommenden Tagen eine Serie von Politikerstatements und Expertenmeinungen über uns niedergehen wird, die über die "Früchte der Demokratie für das irakische Volk", das "endgültige Ende des Totalitarismus" und den bevorstehenden Niedergang des irakischen Widerstandes schwadronieren.

Sicherlich, Saddam Hussein war in der Tat ein abstoßender Diktator und sein Sturz kein Verlust für das irakische Volk. Doch außer ein paar bezahlten Jubelirakern gibt es im Irak kaum jemanden, der deswegen die Kolonialherrschaft der Bush-Cheney-Junta begrüßen würde. Warum auch? Die neuen Herrenmenschen zerstörten durch den Krieg die Infrastruktur, eignen sich jetzt die Industrie und die Erdölvorkommen an und vernichteten die Arbeitsplätze von Millionen IrakerInnen.

Das Resultat war ein stetig ansteigender Widerstand, der zu täglich dutzenden Attacken auf die Besatzer mit mehr als 100 Toten allein im November führte. Viele Kommentatoren, selbst in den USA, sehen im Irak bereits ein neues Vietnam.

Doch nun erhoffen sich Bush, Bremer & Co. mit der Verhaftung von Saddam Hussein die verzweifelt erwartete entscheidende Wende im Kampf gegen den Muqawama (Widerstand) – wie die Araber die irakische Guerilla bezeichnen. Die Verhaftung des ehemaligen Diktators soll den Widerstand demoralisieren und die Bereitschaft der IrakerInnen zur Kollaboration mit den US-Besatzern erhöhen.

Ist diese Hoffnung realistisch? Letztlich wird von vielen Kommentatoren die Bedeutung Saddam Husseins für den irakischen Widerstand weit überschätzt. Tatsächlich ist das Spektrum der Guerilla weit gefächert und nur eine Minderheit kann als Saddam-loyal eingestuft werden. Unzählige IrakerInnen und auch Partisanen betonten in Interviews, dass sie nicht für Saddam Hussein, sondern gegen die amerikanische Kolonialbesatzung kämpfen. Auch viele vom arabischen Nationalismus der Baath-Partei beeinflusste Widerstandskämpfer distanzierten sich von Saddam Hussein. Von den auf islamistischen Überzeugungen und auf Stammesloyalitäten beruhenden Widerstandsströmungen ganz zu schweigen.

Die Gefangennahme von Saddam Hussein wird daher vielleicht die Popularitätsrate des angeschlagenen Präsidenten Bush verbessern. Den Widerstandgeist der Iraker wird dies nicht brechen. Spätestens mit dem nächsten großen Anschlag, dem nächsten gelungenen Hinterhalt wie zuletzt in Samara, werden dies auch die US-amerikanischen Besatzer spüren. Die triumphierenden Worte Paul Bremers "Wir haben ihn!" werden bald mit einem achselzuckenden "Na und?" in Erinnerung bleiben.

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