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Kampf um 35-Stundenwoche

Keine faulen Kompromisse!

Infomail 125, 27. Juni 2003

Heute beginnen die nächsten Verhandlungen zwischen IG Metall und Arbeitgeberverbänden um die 35- Stundenwoche im Osten.

Die Kapitalisten wollen IG Metall in die Knie zwingen. Längst geht es beim Tarifkampf im Osten um mehr als die Verkürzung der Arbeitszeit auf 35 Stunden. Selbst der Abschluss der Stahlindustrie gilt den UnternehmerInnen und ihren Verbänden als absolute Zumutung, obwohl er ohnedies eine wahnwitzig langgezogene stufenweise Verkürzung der Arbeitszeit bis 2009 vorsieht.

Für die Kapitalisten ist die Tarifrunde ein wichtiges Kräftemessen mit der Arbeiterklasse - nicht nur im Osten, sondern in ganz Deutschland. Die Widerstandskraft der Lohnabhängigen soll einer Prüfung unterworfen werden, um so das Terrain für die Durchsetzung eines politischen Generalangriffs vorzubereiten, der auf die Zerschlagung der Gewerkschaftsmacht abzielt.

Daher der konzentrierte Angriff von Unternehmerverbänden, Parteien, Regierungen und Gerichten. Selten deutlich zeigen alle, auf welcher Seite sie stehen - auf jener des Kapitals.

Dass die Unternehmerverbände ihre Klasse vertreten ist banal. Das Spiel zwischen Klein- und Großbetrieben, "Hardlinern" und "Kompromissbereiten" ist vor allem eine Täuschungsnummer für die Öffentlichkeit und dient dazu, die Gewerkschaftsbürokraten mit miesen Kompromissen zu ködern.

Hinter den Kulissen des öffentlichen Schmierentheaters ziehen die Großkonzerne Siemens, BMW, VW, Daimler die Strippen.

Die politischen Lakaien der Bourgeoisie in Regierung und Parlament bemühen sich, mit den Forderungen von Hundt und Kannegießer Schritt zu halten.

Die Sozialdemokraten und Grünen agieren dabei als immer noch einen Schritt zu langsam Getriebene. Will Clement den Kündigungsschutz aufweichen, will ihn die CDU gleich abschaffen. Droht Schröder den Gewerkschaften mit Eingriffen in die Tarifautonomie, so wollen Merz und Westerwelle diese samt Gewerkschaften beseitigen.

Die sozialdemokratische Politik des kleineren Übels kommt bei ihrem logischen Endpunkt an: Wir ziehen euch nur das letzte Hemd aus, während euch CDU und FDP auch noch das Fell über die Ohren ziehen will.

Das erzürnt und schockiert die Gewerkschaftsbürokraten, die doch wenigstens ihre Unterhosen anbehalten wollen.

Doch in der Krise des globalen Kapitalismus ist selbst die verdreckte Unterwäsche der Klassenkollaboration schon zu viel des Zugeständnisses.

Daher werden die ArbeiterInnen, kämpferische GewerkschafterInnen, Erwerbslose, ja alle nicht-ausbeutenden Schichten der Bevölkerung immer schärfer vor die Alternative gestellt: totale Unterwerfung unter das Kapital oder entschlossener Widerstand, Reformagenden bis zum Ableben - oder Revolution.

Diese Alternative ergibt sich aus der immer schärfer werdenden Krise und Konkurrenz, die den Krieg nach außen und den Angriff auf die Arbeiterklasse nach innen erzwingt.

Gewerkschaftsbürokratie: Verrat plus Dummheit

Die Gewerkschaftsbürokratie fürchtet solche Schlussfolgerungen noch mehr als die Angriffe von Kapital und Staat. Ihre Antwort auf den kommenden Generalangriff? Bitte sozial ausgewogen und sozialpartnerschaftlich bleiben.

Die Kapitalisten haben aus der Tarifrunde im Osten einen politischen Konflikt gemacht. Die Gewerkschaftsführungen tun aber so, also würde es sich um eine "normale" Tarifrunde handeln, statt ihrerseits den Kampf zu politisieren, auszuweiten und v.a. auch in die Westbetriebe zu tragen.

Die Politik der Gewerkschaftsführungen ist eine Mischung aus bewusstem Verrat und "ehrlicher" Verwirrung.

Ihr Opportunismus gegenüber dem Kapital, ihre politische Unterordnung unter die SPD, die jahrzehntelang "Betriebsfrieden" und eine (für die Kapitalisten) "kalkulierbare" Gewerkschaft brachten, sind den Unternehmern immer weniger Zugeständnisse wert.

Die SPD und "partnerschaftliche" Unternehmer kündigen jeden Tag neue Angriffe und Zumutungen an. Die Gewerkschaftsführungen haben nur die Hoffung auf eine Wiederkehr der guten, alten Zeit - also nichts - zu bieten. Sie haben bei allem sozialpartnerschaftlichen Grundcredo nicht einmal eine klare, politische Strategie.

Während ein Teil der Bürokratie noch die Besteuerung der Reichen fordert, kotzt der DGB aus, dass diese Forderung "sinnlos" sei. Während ein Teil mit "heißen" Jahreszeiten droht, fordern die anderen ein Dinner mit dem Kanzler, ...

Konstant ist in der Politik aller Flügel der Bürokratie, dass die Mobilisierung nie zu weit getrieben werden soll, dass die Regierung Schröder nicht (irrtümlich) gestürzt werden darf. Ansonsten herrscht Verwirrung vor. Mit dem Kapitalismus ist auch der Reformismus in eine tiefe Krise geraten.

Der Tarifkampf um die 35-Stundenwoche verdeutlicht das. Von Beginn an war der Streik (ja selbst das Aufgreifen des Themas) bei wichtigen Sektoren der Gewerkschaftsbürokratie, bei vielen Betriebsräten im Westen, aber auch bei Teilen der Facharbeiteraristokratie nicht gewollt.

Aufgrund des Drucks, der Empörung und des Unmut dafür, dass das Thema Angleichung bei der Tarifrunde 2002 unter den Tisch gefallen war, und des Machtkampfes um die Nachfolge von Zwickel konnten sich aber Vertreter der IG Metall im Osten durchsetzen. Die (stufenweise) Einführung der 35 Stundenwoche wurde zum Kampfziel.

Diese Entscheidung wurde jedoch von Beginn an mit einem faulen, wenn auch unausgesprochenen innergewerkschaftlichen Kompromiss erkauft. Die Tarifrunde im Osten sollte "normal", d.h. als rein ökonomischer Kampf über die Bühne gehen, ohne den Westen zu betreffen. Die klassenbewussteren Vertrauensleute oder Betriebsräte der West-IG Metall könnten Unterstützung leisten, die anderen den Kampf ignorieren.

Der Abschluss für die StahlarbeiterInnen zeigte, was die Bürokratie auch für die Metall- und Elektroindustrie anstrebte. Eine langwieriger Stufenplan als Resultat einer kontrollierten Mobilisierung, ein paar Streiks und dann eine "schnelle Verhandlungslösung". Mit dieser Perspektive wurden auch die ArbeiterInnen und Angestellten in den Streik geschickt. Ein paar Tage, vielleicht ein paar Wochen und dann wäre die Auseinandersetzung vorbei.

Doch dann kam die Agenda 2010 dazwischen. Die Gewerkschaftsbürokratie knickte ein. Die Kapitalisten ergriffen die Chance, nachzusetzen, der stärksten Einzelgewerkschaft eine politische Niederlage bei der 35-Stundenwoche zuzufügen und so einen Vorstoß zur Verlängerung der Arbeitszeit im Westen vorzubereiten. Sie machten die Tarifrunde zu einem politischen Angriff.

Die Gewerkschaftsmitglieder zeigten, dass sie bereit waren und sind, diesen Kampf zu führen und ihre Interessen durchzusetzen. Es war keine Selbstverständlichkeit, dass 8.000 bis 10.000 in der ostdeutschen Metall- und Elektroindustrie den Streik nunmehr vier (Sachsen) bzw. zwei Wochen (Berlin und Brandenburg) aufrecht erhielten. Die Produktionsausfälle im Westen bei BMW und VW zeigten, dass die Streiks auch die wichtigsten Großkonzerne massiv treffen konnten. Der Osten erwies sich entgegen der Hoffnungen der Unternehmer (und dem von Bürokratie verbreiteten Pessimismus) als kampf- und streikfähig. Die Hetze gegen die ArbeiterInnen und die IG Metall ist nicht nur ein Zeichen der Entschlossenheit der Kapitalisten, sie ist auch ein Zeichen dafür, dass sie die Streiks fürchten, dass sie weh tun.

Die IG Metall kann diesen Kampf gewinnen, wenn die Arbeitsniederlegung ausgeweitet, und das heißt vor allem auch in den Westen getragen werden, wenn dem politischen Angriff mit einer massiven Mobilisierung begegnet würde. Sie kann ihn gewinnen, wenn aktiv Solidarität von Beschäftigen anderer Branchen geübt wird und in der Bevölkerung durch Kundgebungen, Aktionen und eigene Information eine Gegenöffentlichkeit gegen die Hetze der bürgerlichen Medien geschaffen wird.

Genau das will die IG Metall-Spitze nicht - teilweise weil sie den Streik immer ablehnte, teilweise weil sie keinen Konflikt mit den bornierten Betriebsratsbürokraten im Westen riskieren will, denen die Fortführung der Produktion im Westen über die Solidarität mit den streikenden KollegInnen im Osten geht. Manche Betriebsratsfürsten scheuen dabei vom Aufruf zum offenen Streikabbruch auch nicht zurück. Diese Gewerkschaftsfeinde müssen aus ihren Funktionen verjagt und mit allen Mitteln bekämpft werden. Sie spielen die Rolle von Streikbrechern in den eigenen Reihen.

Der Vorstand der IG Metall will den Streik mit allen Kräften, um fast jeden Preis abwürgen. Zwickel hat bereits angedeutet, dass er sich die schrittweise Einführung der 35-Stundenwoche so vorstellen könnte, dass die drei Arbeitsstunden weniger für betriebliche Fortbildung verwendet werden. Die Ausbildungsvergütung Ost droht ebenfalls auf dem Altar der Streikbeendigung geopfert zu werden.

Dieser drohende Ausverkauf muss von allen kämpferischen, klassenbewussten GewerkschafterInnen abgelehnt werden!

Keine "Spitzen"gespräche! Keine Verhandlungen, kein Abschluss ohne vorherige Diskussion und Beschlussfassung der Gewerkschaftsmitglieder!

Die Streiks müssen unbefristet fortgesetzt werden - gerade in wichtigen Zulieferbetrieben wie ZF in Brandenburg, bis die 35-Stundenwoche erkämpft ist! Dazu müssen die Arbeitsniederlegungen in den Westen ausgedehnt werden.

Die Kontrolle über den Kampf, über die Mobilisierung muss der Bürokratie entrissen werden. Nicht nur die betrieblichen Streikleitungen müssen gewählt und jederzeit abwählbar sein. Vor allem muss das für die bezirkliche und bundesweite Streikführung und Verhandlungskommission gelten!

So erfuhren z.B. die Beschäftigen bei ZF in Brandenburg zuerst über die Medien, dass sie für die Dauer der Spitzengespräche und Verhandlung "aus dem Streik genommen" würden! Das ist ein (weiterer) Skandal wider die innergewerkschaftliche Demokratie, der die ArbeiterInnen in den wichtigsten Streikbetrieben zu demoralisieren droht.

Unabhängig von den Tarifgesprächen der Verhandlungsführer kann der Streik fortgeführt werden. Nicht Zwickel oder irgendwelche verräterischen Betriebsräte haben über den Arbeitskampf zu entscheiden, sondern die Mitglieder. Daher müssen alle Mitglieder der Tarifkommission zu einem klaren NEIN zu jedem faulen Kompromiss verpflichtet werden. Dazu sollen Belegschaftsversammlungen organisiert werden.

Sollte die Tarifkommission dennoch einen faulen Kompromiss aushandeln, muss er bei der Urabstimmung mit einem klaren NEIN zurückgewiesen werden. Jene Mitglieder der Kommission und Streikführungen, die sich gegen den entschlossenen Arbeitskampf stellen, müssen durch kämpferische VertreterInnen der Streikenden ersetzt werden.

Politische Folgerungen

Gleichzeitig müssen aus dem Kampf um die 35-Stundenwoche im Osten politische Schlussfolgerungen gezogen werden. Für halbherzige Stufenpläne oder noch skandalösere Abschlüsse ist einzig die Gewerkschaftsführung verantwortlich.

Gegen die Bürokratie muss daher ein organisierter politischer Kampf in den Betrieben und Gewerkschaften geführt werden. Eine klassenkämpferische Basisbewegung ist notwendig, die alle jene organisiert, die sich gegen sozialpartnerschaftlichen Ausverkauf richten, die für Internationalismus statt für eine "Verteidigung des Standorts" eintreten, die auf Klassenkampf statt Klassenkollaboration setzen, die neben dem gewerkschaftlichen auch den politischen Kampf gegen Kabinett und Kapital führen und suchen.

Dazu bedarf es aber auch der bewussten Organisierungen von RevolutionärInnen in den Gewerkschaften in einer revolutionären Fraktion, die auf der Grundlage eines Programms wirkt, das den Kampf um revolutionäre Gewerkschaftspolitik mit dem Kampf gegen den Kapitalismus, für die sozialistische Revolution verbindet. Eine solche Fraktion wollen wir aufbauen. Tretet mit uns in Kontakt.

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